18 % der weiblichen Bevölkerung in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Mehr als zwei Fünftel dieser Frauen sind zwischen 20 und 44 Jahre alt und somit in einem Alter, in dem Familienplanung und Familienbildung aktuell sind. Da es über diese sehr heterogene Gruppe bisher nur wenig nach Herkunftsgruppen differenziertes Grundlagenwissen zu Familienbildung, Verhütung und Schwangerschaftsabbrüchen gibt, gab die BZgA die Studie "frauen leben - Familienplanung und Migration im Lebenslauf" in Auftrag.
Im Rahmen dieses Forschungsprojekts wurden 1.674 Frauen mit Migrationshintergrund und 839 deutsche Frauen im Alter von 20 bis 44 Jahre befragt. Die Untersuchung konzentrierte sich auf die beiden größten Migrantinnengruppen - Frauen mit einem türkischen und Frauen mit einem osteuropäischen Migrationshintergrund. Befragt wurden sie in den Städten Berlin, Stuttgart, Nürnberg und Oberhausen.
Für 20- bis 44-jährige Frauen mit einem türkischen (n=842) und mit einem osteuropäischen Migrationshintergrund (v. a. Nachfolgestaaten der Sowjetunion, (n=832) wird der Zusammenhang von Familienplanung und Migrationserfahrungen untersucht. Die biografisch angelegte, standardisierte Befragung wurde auf der Basis einer Zufallsstichprobe in vier westdeutschen Großstädten durchgeführt. Die Befragung westdeutscher Frauen in den Kommunen dient dem Vergleich.
Die Studie greift die Eckpunkte des Forschungsansatzes der Studie "frauen leben. Familienplanung im Lebenslauf von Frauen" (1998-2001) auf: ein umfassendes Verständnis von Familienplanung als private Lebensgestaltung, der Einbezug der Lebenslaufperspektive sowie die Kombination einer standardisierten Telefonbefragung mit einer qualitativen Teilstudie, die es ermöglicht, die subjektiven Sichtweisen der Frauen zu berücksichtigen. Bei der Auswertung wird innerhalb der Migrationsgruppen (v. a. nach Bildung und Generationszugehörigkeit) differenziert. Die Studie fokussiert damit nicht (nur) kulturelle Differenzen, sondern bezieht wesentlich die soziale Lage als Migrantin ein.
Ein zentrales Ergebnis sind deutliche Gruppenunterschiede in der Dynamik der reproduktiven Biografie, die ihren Ausgang u. a. in unterschiedlichen Migrationsprofilen nehmen (Bedeutung von Heiratsmigration bzw. Aussiedlung, Zuwanderungs"filter"). Für Frauen mit türkischem Migrationshintergrund lässt sich eine früh beginnende und nach mehreren Kindern früh beendete Familienphase überwiegend in Deutschland beschreiben. Die Familienphase der osteuropäischen Frauen begann ebenfalls - im Herkunftsland oder Deutschland - früh, erstreckte sich dann aber über eine längere Lebensspanne. Die Migration selbst und innerhalb der Migrationsgruppen das Aufwachsen in Deutschland und eine höhere Bildung "verschieben" die Familienphase biografisch nach hinten. Eingebettet in diese Dynamik können das Verhütungsverhalten und Schwangerschaftsabbrüche erklärt werden. Es werden Schlussfolgerungen für den Bedarf an Information und Beratung zu Familienplanung gezogen.