Geburtsvorbereitungskurse für Frauen und Paare mit Behinderung
Kooperationsprojekt pro familia und CeBeeF Frankfurt am Main
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Seit 2010 bieten der CeBeeF (Club Behinderter und ihrer Freunde) und pro familia in Frankfurt am Main Geburtsvorbereitungskurse für Frauen und Paare mit Behinderung an. In diesem Artikel wird ein Überblick über Konzept, Inhalte und Erfahrungen gegeben. Wie andere Frauen und Paare, die ein Kind erwarten, haben auch Menschen mit Behinderung in dieser Zeit viele Fragen rund um die Schwangerschaft, die Geburt und das Leben mit dem Neugeborenen. Gleichwohl gibt es wichtige Besonderheiten. Dies kann die Umstellung einer Medikation in der Schwangerschaft und bei der Geburt sein oder Bewegungs-, Atem- und Entspannungsübungen, die aufgrund einer Körperbehinderung modifiziert werden müssen. Manche Teilnehmer*innen 1 benötigen mehr Zeit für die Geburtsvorbereitung, da beispielsweise ein Gebärdensprachdolmetscher den Kursinhalt und die Fragen übersetzt. Sie brauchen eventuell ein langsameres Kurstempo und den Einsatz von Bildmaterialien und Modellen, die die Themen für Teilnehmer*innen mit Lernschwierigkeiten verständlich machen. Für werdende Eltern mit Behinderung ist es darüber hinaus wichtig, sich darüber Gedanken zu machen, was bei der Ausstattung beachtet werden sollte, für welche Tätigkeiten vielleicht Hilfestellung erforderlich sein wird und wie diese organisiert werden kann.
Konzept
Das Kursangebot von CeBeeF und pro familia richtet sich an Frauen und Paare mit unterschiedlichen Behinderungen. Werdende Eltern mit Körperbehinderungen, Sinnesbehinderungen (blind/sehbehindert/gehörlos/schwerhörig), Lernschwierigkeiten, chronischen Erkrankungen und psychischen Beeinträchtigungen und in unterschiedlichen Beziehungssituationen haben bisher am Kurs teilgenommen.
Das Konzept sieht eine kleine Teilnehmerzahl von maximal vier Frauen oder Paaren vor. Der Kurs ist auf acht Aben de angelegt und umfasst zusätzlich ein Vorgespräch und ein Nachtreffen mit Kind. Er findet in der Regel ab der 25. Schwangerschaftswoche statt und wird auch dann eingerichtet, wenn sich nur eine einzige Frau oder ein Paar anmeldet. In diesem Fall oder bei weiter Anreise kann der Kurs in Absprache mit den Teilnehmenden in kompakterer Form angelegt werden. Die Kursleiterinnen besprechen besondere Bedarfe im Vorfeld mit den Teilnehmer*innen und ermöglichen individuelle Varianten.
Im Kursverlauf stehen die Teilnehmer*innen mit ihren Fragen, Wünschen und Ressourcen im Mittelpunkt. Einerseits wird durchaus Wissen über die Themen rund um Schwangerschaft, Geburt und Säuglingspflege vermittelt, andererseits sehen die Kursleiterinnen sich als Mittlerinnen, die Hilfestellung dabei geben, dass die Teilnehmer*innen ihre eigenen, für sie passenden Lösungen entwickeln. Das Kursleiterinnen-Team setzt sich zusammen aus Hannelore Sonnleitner-Doll, Ärztin bei pro familia, und Susanne Bell, rollstuhlfahrende Mutter und lange in der politischen Behindertenarbeit aktiv. Hannelore Sonnleitner-Doll führt seit vielen Jahren gynäkologische Beratung speziell auch für Frauen mit Behinderung in der barrierefreien Beratungsstelle von pro familia Frankfurt durch. Susanne Bell berät im Sinne des Peer-Counseling-Ansatzes 2 und leitet die Atem-, Bewegungs- und Entspannungssequenzen an.
Inhalte
Im Kurs geht es zunächst darum, wo die Frau oder das Paar in der Schwangerschaft steht. Die Entwicklung des Kindes in der Schwangerschaft, Ernährung, Medikamente, Für-sich-Sorgen, Mobilität und Sport sind ebenso Themen wie Unterstützungsmöglichkeiten durch eine Hebamme während der Schwangerschaft und in der Nachsorge. Fragen zum Mutterpass und den gynäkologischen Untersuchungen werden
besprochen. Anhand von Bildmaterialien und Modellen wird die Geburt in ihren einzelnen Phasen demonstriert und erklärt. Hilfsmittel und Kaiserschnitt werden vorgestellt, um die Angst davor zu nehmen, falls sie im Verlauf des Geburtsprozesses notwendig sein sollten.
Atemübungen, Körpererfahrungs- und Bewegungssequenzen sowie Entspannungsphasen sind Teil jedes Kursabends und werden an die Möglichkeiten der Teilnehmer*innen angepasst. Durch deren Heterogenität ergibt sich hier ein breites Spektrum von Varianten.
An weiteren Kursterminen lernen die Teilnehmer*innen die Themen Stillen/Flaschenernährung und Säuglingspflege kennen. Dabei baden und wickeln die werdenden Eltern lebensgroße Babypuppen mit echter Kleidung. Frauen mit körperlichen Einschränkungen konnten erleben, ob dies für sie am besten im Stehen oder im Sitzen möglich ist oder ob (bei einer Frau mit einseitiger Lähmung) ein spezieller, auf dem Boden hergerichteter Platz größte Sicherheit bietet. Sie probierten aus, wie sie ihr Kind am besten stillen, sitzend oder liegend, und wie Kissen oder Polsterungen dafür eingesetzt werden können.
Die werdenden Eltern tauschen sich mit den Kursleiterinnen über Hilfsmittel aus und entwickeln dabei eigene Ideen. So baute ein Vater ein mit dem Rollstuhl unterfahrbares Babybett selbst. Andere Eltern besorgten sich ein elektrisch höhenverstellbares Kinderbett, das sie, als sie es später nicht mehr benötigten, durch Vermittlung der Kursleiterinnen wieder an ein werdendes Elternpaar weiterverkaufen konnten. Gehörlose Eltern benötigen optisch und taktil (vibrierende Matratze) wahrnehmbare Signale für ein Babyphon. Eltern mit hochgradiger Sehbehinderung mussten Methoden entwickeln, um die Babynahrung korrekt abmessen und zubereiten zu können.
Weiterhin wird im Kurs darüber gesprochen, wie sich der Alltag als Familie nach der Geburt zu Hause gestalten kann. Darunter fallen die Themen Mobilität und Unterstützung im Alltag. Zum Thema Vernetzung erstellen die Teilnehme r*innen eine Skizze mit ihrem »Helferteam«. Das können verlässliche Freunde, Nachbarn oder Familienangehörige sein, professionelle Helfer, die Hebamme und eventuell Familienhebamme und alle anderen Personen, die das Netzwerk rund um die Versorgung des Babys bilden.
Bei Elternpaaren tauschen sich die werdenden Väter und Mütter an einem Kursabend jeweils in eigener Gruppe mit einem männlichen Berater von pro familia sowie den Kursleiterinnen aus. Dabei kann es um die Beziehung der Eltern untereinander gehen oder um die Aufgabenverteilung, die sich – wie in allen Familien – an den Fähigkeiten und Möglichkeiten der Mutter und des Vaters orientiert. Eltern mit Behinderung müssen teilweise darauf achten, dass nicht ein Partner, der nicht oder in bestimmten Bereichen weniger eingeschränkt ist, zu viele Aufgaben übernimmt, zum Beispiel gleichzeitig in der Kinderbetreuung und der Unterstützung des Partners. Alleinerziehende Eltern brauchen möglicherweise ebenfalls mehr Hilfe. Um der Gefahr der Überforderung vorzubeugen, kann nun bezahlte Assistenz eine Option sein, auch wenn sie vor der Familiengründung nicht erforderlich war.
Erfahrungen
Der spezielle Geburtsvorbereitungskurs kann werdenden Eltern mit Behinderung Orientierung geben zu Themen, die über klassische Geburtsvorbereitung hinausgehen, wie Assistenzbedarf, Hilfsmittel, Aufgabenteilung innerhalb der Partnerschaft. Nicht alles kann vorab simuliert werden; manche Bedarfe ergeben sich erst in der Praxis, wenn die Eltern mit dem Neugeborenen zu Hause angekommen sind. Dennoch können Frauen und Paare mit Behinderung in dieser intensiven Geburtsvorbereitung bereits eine gute Einschätzung dafür entwickeln, an welcher Stelle möglicherweise Unterstützung benötigt wird.
Durch den geschützten Rahmen und die kleine Teilnehmerzahl haben die Frauen und Paare Gelegenheit, persönliche und intime eigene Themen einzubringen.
Ziel des Kurses ist auch die Stärkung von Selbstbewusstsein bei den werdenden Eltern. Dass dies erreicht wird, wurde häufig im Kurs zurückgespiegelt. So berichtete eine Teilnehmerin, dass sie sich gegenüber Mitarbeitern des Jugend- und Sozialamts, wo sie Anträge stellen musste, vor Kursbeginn sehr unsicher fühlte, mit fortschreitendem Kurs aber – in ihrem Fall durch das praktische Üben mit Babypuppen – die Sicherheit gewonnen hatte, trotz ihrer Körperbehinderung ihr Baby gut versorgen zu können.
»Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen.« Dieses häufig zitierte afrikanische Sprichwort impliziert, dass Kinder viele zuverlässige Menschen brauchen, die sie begleiten, und dass Eltern nicht alle Aufgaben selbst übernehmen können und müssen. Für Eltern mit Behinderung ist das Thema Vernetzung einerseits oft besonders wichtig, wenn sie bestimmte Bereiche aufgrund ihrer Einschränkung nicht selbst abdecken können. Andererseits stoßen sie gerade hier bei häufig auf Barrieren. Dies kann im Bereich der Kommunikation sein, wenn zum Beispiel Gebärdensprachdolmetscher nicht finanziert werden. Vielfach ist für Familien wichtige Infrastruktur noch immer nicht baulich zugänglich. Familien befürchten auch, weniger Akzeptanz zu erfahren, wenn es beispielsweise darum geht, Kinder wechselseitig zu betreuen oder zu Aktivitäten zu begleiten. Im Kurs können die Teilnehmer*innen zusammen überlegen, wo und wie Netzwerke in der Nachbarschaft oder dem Stadtteil geknüpft werden können, und besprechen, welche Herausforderungen damit möglicherweise für sie verbunden sind.
Einzelne von ihnen hatten sich dafür entschieden, an einem weiteren Geburtsvorbereitungskurs in ihrer Hebammenpraxis oder Geburtsklinik teilzunehmen, um andere werdende Eltern aus ihrer Umgebung oder die Klinik vorab kennenzulernen. Dies kann, abhängig von der jeweiligen Einschränkung, eine sinnvolle Kombination sein. Von Beginn an empfehlen die Kursleiterinnen den Frauen und Paaren dringend, Kontakt zu einer Hebamme zur Begleitung der Schwangerschaft und für die Nachsorge zu knüpfen. Ideal wäre für viele Frauen und Paare mit Behinderung die Geburt mit einer Beleghebamme, die die Möglichkeiten der Frau vorab kennenlernen kann. Jedoch ist dieses Modell, zumindest in den Ballungsräumen, aufgrund der aktuellen Engpässe in der Hebammenversorgung nur selten realisierbar.
Informiert wird auch über die Angebote der Frühen Hilfen einschließlich Familienhebamme, darüber, welche Optionen Familienzentren und andere Institutionen vor Ort bieten, und über die Konzepte der Elternassistenz oder Begleiteten Elternschaft mit den dazugehörigen Beratungsstellen und Verbänden.
Der Geburtsvorbereitungskurs ist seit 2010 Teil des Kooperationsprojekts »Frau sein mit Behinderung« des CeBeeF Frankfurt am Main e.V. und des Ortsverbands Frankfurt am Main von pro familia. Für den Geburtsvorbereitungskurs hat sich die Zusammenarbeit dieser beiden in Frankfurt am Main auf ihren jeweiligen Gebieten breit aufgestellten Träger als sehr produktiv erwiesen. So ist der Kurs auf der institutionellen sowie der persönlichen Ebene sehr gut mit verschiedenen Akteuren vernetzt: über die Sozial- und gynäkologische Beratung von pro familia zum Beispiel mit Kliniken, Gynäkolog*innen und dem Hebammenverband. Der CeBeeF hat eine eigene Beratungsstelle und weitere Angebote im Zusammenhang mit Behinderung sowie ebenfalls sehr gute Verbindungen zu relevanten Ämtern und Trägern. Vor allem im Frankfurter Raum kann das Kursprojekt den Frauen und Paaren viele passende Angebote rund um Eltern und Kind aufzeigen und Kontakte vermitteln.
Auch über den Kurs hinaus bieten der CeBeeF und pro familia in Frankfurt Beratung rund um das Thema Elternschaft an. Frauen und Paare mit Behinderung können sich beispielsweise bei Kinderwunsch an die gynäkologische Beratungsstelle von pro familia oder die allgemeine Beratung des CeBeeF wenden. Über das Kooperationsprojekt werden Workshops zu frauenspezifischen Themen angeboten. Das Kursleiterinnen-Team lädt regelmäßig alle Eltern, die am Kurs teilgenommen haben, mit ihren Kindern zu Nachtreffen ein. Diese Treffen werden gern besucht und bieten eine weitere Möglichkeit, sich zu vernetzen und auszutauschen.
Die Reaktion auf Eltern mit Behinderungen ist nach wie vor häufig von Ambivalenzen und Vorbehalten geprägt. Gisela Hermes fasst entsprechende Untersuchungsergebnisse so zusammen: »Es kann vermutet werden, dass behinderte Mütter und Väter allgemein mit negativen Erwartungshaltungen konfrontiert und diskriminiert werden« (Hermes 2004, S. 45).3 Dennoch erfahren Eltern mit körperlichen oder Sinnesbehinderungen unserer Einschätzung nach in den letzten Jahren – vorsichtig formuliert – teilweise eine etwas offenere Haltung in Öffentlichkeit und Medien. In eigenen Blogs und Foren im Internet berichten Eltern mit Behinderung über ihr Leben und tauschen sich aus. Die Werbung für Rollstühle und andere für die Zielgruppe wichtige Hilfsmittel hat das Thema ebenfalls für sich entdeckt und bildet vermehrt Familien mit einem behinderten Eltern teil ab. Teilnehmer*innen mit körperlichen und Sinnesbehinderungen in den Kursen waren insgesamt eher selbst bewusst, auch wenn Unsicherheiten in Bezug auf viele Aspekte bestanden. Eine Teilnehmerin sagte: »Wir haben gelernt, mit unserer Behinderung zu leben, unseren Alltag kompetent zu gestalten, und bringen das Bewusstsein und Strategien dafür mit, das auch in Zukunft mit Kind zu tun.« Es ging ihnen um das »Wie?«, um Fragen, wie bestimmte Situationen am besten für das Kind und die Familie gestaltet werden können.
Menschen mit Lernschwierigkeiten waren hingegen stärker damit konfrontiert, dass ihnen grundsätzlich eine verantwortliche Übernahme der Elternrolle nicht zugetraut wird. Dieser in der Literatur vielfach beschriebene Sachverhalt bestätigte sich in unseren Kursen in den Erfahrungen der Teilnehmer*innen. Dennoch beobachtet Hannelore Sonnleitner Doll: »Menschen mit Lernschwierigkeiten, die sich um ihr Kind kümmern, wachsen oft mit ihren Aufgaben und entfalten Kompetenzen, die ihnen vorher nicht zugetraut wurden.«
Eine Möglichkeit für manche Eltern mit Lernschwierigkeiten ist die Begleitete Elternschaft im Rahmen von ambulant betreutem Wohnen. Manche Frauen oder Paare wünschen sich zunächst einen stärker geschützten Rahmen, zum Beispiel in einer Eltern-Kind-Einrichtung. Hierbei ist zu konstatieren, dass die große Mehrzahl der Einrichtungen derzeit nicht inklusiv arbeitet und Eltern mit Behinderung teilweise nur weit entfernt vom Wohnort einen Platz finden. Besonders schwierig kann diese Situation für Paare sein: »Mütter und Väter mit Lernschwierigkeiten (...) haben besondere Probleme, ambulante Betreuung zu erhalten, die (werdenden) Mütter werden überwiegend auf spezialisierte Mutter-Kind-Einrichtungen verwiesen. Davon gibt es aber bundesweit nur eine geringe Zahl, die die Nachfrage nicht decken kann. Die Frauen werden vor die Wahl gestellt, ihr soziales Netz, unter Umständen auch den Vater des Kindes, zurückzulassen und in eine ihnen fremde Einrichtung und Umgebung, möglicherweise sogar in ein anderes Bundesland zu ziehen oder ihr Kind in eine Pflegefamilie zu geben.« (Zinsmeister 2010, S. 15). Andere junge Eltern mit Lernschwierigkeiten entschieden sich für Unterstützung durch die Herkunftsfamilie, zogen gemeinsam mit Kind in die Woh nung der eigenen beziehungsweise Schwiegereltern, auch wenn sich hierdurch Belastungen ergeben und die Problematik, dass häufig Verantwortlichkeiten der Eltern durch die Großeltern übernommen werden.4
Damit die werdenden Eltern sich entspannt auf die Geburt vorbereiten, sich auf die körperlichen Veränderungen und die Bindung zum Kind einstellen und wie andere Familien ein »Nest bauen« können, sollte die Zusage für eine Wohnform frühzeitig und nicht erst kurz vor oder sogar nach der Geburt des Kindes erfolgen. Ein unterstützendes Netzwerk, mit Nachsorge- und Familienhebamme und weiteren Personen, kann erst aufgebaut werden, wenn klar ist, wo und wie die junge Familie wohnen wird. Bürokratischer Klärungsbedarf darf dabei kein Hindernis sein, beispielsweise wenn Zuständigkeiten in verschiedenen Kommunen oder Kreisen betroffen sind.
Das Thema Familie wird in der Diskussion über die Entwicklung hin zu einer inklusiven Gesellschaft derzeit hauptsächlich auf Familien mit behinderten Kindern bezogen. Eine Erweiterung des Ansatzes ist nötig: Auch Eltern mit Behinderung müssen in allen Bereichen mitgedacht werden. Bauliche, institutionelle und Kommunikationsbarrieren müssen mehr und mehr beseitigt werden und Eltern müssen sowohl Akzeptanz als auch, soweit erforderlich, die notwendige Assistenz und Begleitung erhalten, um ihr Familienleben selbstbestimmt gestalten und ihre Kinder inmitten der Gesellschaft liebevoll aufziehen zu können.
Fußnoten
1 Auf Wunsch der Autorin behalten wir in diesem Beitrag den Stern als Mittel der Darstellung aller Geschlechtsidentitäten bei (d. Red.).
2 Peer Counseling meint in der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung die Beratung von Behinderten durch Behinderte und wird dort als emanzipatorische Beratungsmethode eingesetzt. Behinderte Berater*innen können dabei einfühlendes Verständnis für die Situation der Ratsuchenden entwickeln oder auch Rollenvorbilder sein; Ratsuchende können Vertrauen aufbauen.
3 Hermes beschreibt vier Kategorien von Fehlannahmen, mit denen Frauen mit Behinderung konfrontiert werden: »Behinderte Mütter können keine Verantwortung übernehmen«, »Kinder leiden unter der Behinderung der Eltern«, »Behinderte Mütter verursachen zusätzliche staatliche Kosten«, »Eine behinderte Frau wird ein ebenfalls behindertes Kind zur Welt bringen« (S. 33–34). Lothar Sandfort geht auf das Vorurteil ein, Kinder behinderter Eltern müssten diesen häufiger helfen, und beschreibt die Reaktion von Eltern mit Behinderung darauf humorvoll: »Wenn ich es genau betrachte, schicke ich meine Tochter nie ’n Bier holen (...) Wenn ich es genau betrachte, übertreibe ich schon. In meinem Kopf lebe ich bereits gegen das Vorurteil, meine Kinder würden zur Abdeckung meines Pflegebedarfs missbraucht. Sie müssen nun überhaupt nichts mehr für mich tun« (Sandfort 1998, S. 155).
4 Später stellt sich bei diesen Familien die Frage, ob und wann die junge Familie ausziehen und mit entsprechender Begleitung und Betreuung in einer eigenen Wohnung leben kann.
Veröffentlichungsdatum
Susanne Bell
Susanne Bell (M. A.) ist Trainerin für Bewegung und Körpererfahrung (Bodybliss) und Co-Kursleiterin der Geburtsvorbereitungskurse für Frauen und Paare mit Behinderung. Seit einem Unfall ist sie Rollstuhlfahrerin und langjährig in der politischen Behindertenarbeit aktiv (Frankfurter Behindertenarbeitsgemeinschaft FBAG; ISL e. V.).
Alle Angaben zu Autorinnen und Autoren beziehen sich auf das Erscheinungsdatum der jeweiligen Druckausgabe und werden nicht aktualisiert.
Herausgebende Institution
Artikel der Gesamtausgabe
- Sexualaufklärung für Menschen mit Beeinträchtigungen
- Hat die sexualfreundliche Zukunft schon begonnen?
- Empowerment im Institut zur Selbst-Bestimmung Behinderter
- Sexualität und Verhütung bei Menschen mit Beeinträchtigung
- Partizipative Organisationsentwicklung im Bereich der sexuellen Selbstbestimmung
- Sexuelle Selbstbestimmung – und dann
- Inklusive Beratung: Ergebnisse aus dem Projekt »Ich will auch heiraten!«
- Geburtsvorbereitungskurse für Frauen und Paare mit Behinderung
- Sexuelle Bildung aus Perspektive von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit kognitiven Beeinträchtigungen und deren Hauptbezugspersonen
- Infothek - Ausgabe 1/2017
- Hat die UN-Behindertenrechtskonvention bewirkt, dass sexuelle Selbstbestimmung gelebt werden kann?