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FORUM 1–2018

Verbundprojekt SHELTER

Carolin Schloz , Ulrike Hoffmann , Jörg M. Fegert , Informationen zu den Autorinnen/Autoren

Qualifizierung von Fachkräften und Ehrenamtlichen zum Umgang mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen

Im Verbundprojekt SHELTER werden Online-Kurse zu Themen entwickelt und evaluiert, die speziell für die begleitende und unterstützende Arbeit mit geflüchteten Minderjährigen wichtig sind.
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Im Verbundprojekt SHELTER werden Online-Kurse zu Themen entwickelt und evaluiert, die speziell für die begleitende und unterstützende Arbeit mit geflüchteten Minderjährigen wichtig sind.

Hintergrund des Projekts SHELTER1

Die Arbeit mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen kann auch für gut ausgebildete und erfahrene Fachkräfte oder Ehrenamtliche sowie für die betreuenden Einrichtungen spezifische Herausforderungen mit sich bringen, die einen entsprechend qualifizierten Umgang erfordern:

  • Viele geflüchtete Kinder und Jugendliche haben traumatische Erfahrungen gemacht, z.B. im Rahmen bewaffneter Konflikte in der Heimat oder auf der Flucht, und weisen dadurch eine erhöhte Anfälligkeit für psychische Störungen auf (Gavranidou et al. 2008; Fazel/Wheeler/Danesh 2005), insbesondere im Sinne einer posttraumatischen Stresssymptomatik (Witt et al. 2015).
  • Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung zeigen erhöhte Raten von akut bedrohlichem selbst- und/oder fremdgefährdendem Verhalten (Plener et al. 2015), was angemessene Reaktionen zum Schutz anderer und der Betroffenen selbst erforderlich macht.
  • Geflohene junge Menschen weisen aufgrund ihrer Biografien eine besondere Schutzbedürftigkeit auf. Dies erfordert von Einrichtungen, die diese Kinder und Jugendlichen betreuen, eine entsprechende Berücksichtigung bei der Erstellung oder Aktualisierung von Schutzkonzepten (Rörig 2015) sowie die Beschäftigung mit Themen wie »Umgang mit Mehrsprachigkeit« und »Diskriminierung«.

Zur Abdeckung dieses spezifischen Qualifizierungsbedarfs werden in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojekt mit den Universitäten Hildesheim und Bielefeld sowie der Hochschule Landshut drei inhaltlich auf diese Themenbereiche zugeschnittene Online-Kurse entwickelt. Die Laufzeit des Projekts ist von September 2016 bis August 2019. Die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Ulm hat bereits langjährige Erfahrung mit der Entwicklung von Online-Kursen, auch zu sensiblen Themen (Fegert et al. 2018; s.a. elearning-kinderschutz.de).

Übersicht über die Online-Kurse

1. Traumafolgen und psychische Belastungen im Kontext von Flucht und Asyl – Basisinformationen für Helfende und Unterstützende

Der Online-Kurs zum Themenbereich Trauma wird in zwei Versionen zur Verfügung gestellt. Die Version für approbierte, therapeutisch tätige Fachkräfte gibt den Teilnehmenden die Möglichkeit, Besonderheiten im therapeutischen Umgang mit traumatisierten Geflüchteten (wie z.B. die Arbeit mit Sprachmittler*innen und kulturspezifische Herausforderungen) kennenzulernen. In der Version für nicht therapeutisch tätige Fachkräfte und Ehrenamtliche wird es den Teilnehmenden ermöglicht, sowohl Verhaltensweisen ihrer Klient*innen, die auf Traumatisierungen hinweisen, zu erkennen und zu verstehen als auch kulturadäquat mit ihnen umzugehen. Zusätzlich wird ein Überblick über die komplexen Versorgungsstrukturen und Indikatoren für die Notwendigkeit zusätzlicher medizinisch-therapeutischer Unterstützung vermittelt.

2. Umgang mit selbst- oder fremdgefährdendem Verhalten bei Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrungen3

Zum Umgang mit selbst- und fremdgefährdendem Verhalten bietet der Online-Kurs entsprechende Hintergrundinformationen, wobei auch rechtliche Aspekte berücksichtigt werden. Außerdem vermittelt er konkrete Hinweise und unterstützende Materialien zu Risiko abschätzung, Handeln in Akutsituationen, Kooperation mit anderen Akteuren im Hilfe system sowie zu Möglichkeiten der Resilienzförderung. Zudem werden spezifische Aspekte wie die Arbeit mit Sprachmittler*innen und kultursensible Besonderheiten aufgegriffen.

3. Schutzkonzepte für Organisationen, die Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrungen betreuen4

In diesem Online-Kurs geht es um die Rechte von jungen Menschen mit Fluchterfahrung, Partizipation und Organisationsentwicklung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen, Mehrsprachigkeit sowie gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen.

Lernmaterialien

Die Lerneinheiten der Kurse enthalten folgende Materialien:

• Textbasierte Materialien: Texte zu Grundlagen und zu rechtlichen Inhalten, Zusammenfassungen, Materialsammlung zum Kursthema, Literaturlisten
• Filmmaterialien: thematische Kurzclips mit Fachexpert*innen und Geflüchteten zum jeweiligen Thema des Kurses.

Das Kernstück jedes Online-Kurses ist außerdem der praxisorientierte Anwendungsbereich, in dem z. B. die Arbeit mit Fallpatient*innen, weitere Videos, Anwendungs- und Reflexionsaufgaben sowie Materialien zur Bearbeitung und Mitnahme in die Praxis/das Team enthalten sind.

Evaluation

Die Online-Kurse werden in zwei Testkohorten durchgeführt und umfassend evaluiert (Prä-Post-Erhebung). Die erste Testkohorte dient als Pilotgruppe, nach deren Feedback die Kurse inhaltlich und strukturell überarbeitet werden. Die zweite Testkohorte wird anschließend in einem »Wartekontrollgruppendesign«5 umgesetzt.

In der ersten Testkohorte haben 664 Personen einen der drei Kurse erfolgreich abgeschlossen. Die Evaluationsergebnisse zeigen einen Zuwachs an Wissen und Handlungskompetenzen sowie eine große Zufriedenheit der Absolent*innen mit dem Aufbau der Kurse und den zur Verfügung gestellten Lernmaterialien.

Fussnoten
1 shelter.elearning-kinderschutz.de

2 Projektleitung: Prof. Dr. Frank Neuner (https://shelter-trauma.elearningkinderschutz.de/)

3 Projektleitung: Prof. Dr. Paul L. Plener, Prof. Dr. Michael Kölch (https://shelter-notfall.elearning-kinderschutz.de/)

4 Projektleitung: Prof. Dr. Wolff, Prof. Dr. Schröer (https://shelterschutzkonzepte.elearning-kinderschutz.de/)

5 Bei einem Wartekontrollgruppendesign startet eine Gruppe sofort mit der Intervention (in diesem Fall mit dem Online-Kurs), eine zweite Gruppe startet, wenn die erste Gruppe die Intervention durchlaufen hat. Beide Gruppen werden zu den gleichen Zeitpunkten mit den gleichen Items befragt. Ziel ist es, die Ergebnisse beider Gruppen und damit den Einfluss der Intervention zu vergleichen.

Literatur

Fazel, M.; Wheeler, J. & Danesh, J. (2005). Prevalence of serious mental disorder in 7000 refugees resettled in western countries: a systematic review. The Lancet, 36, 1309–1314.

Fegert, J. M.; Brown, R.; Harsch, D.; Rassenhofer, M. & Hoffmann, U. (2017). Wissenstransfer, Dissemination, E-Learning – 10 Jahre webbasierter Wissenstransfer an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Ulm. Bericht über die Aktivitäten des Arbeitsbereiches »Wissenstransfer, Dissemination, E-Learning« an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Ulm. Verfügbar unter: www.uniklinik-ulm.de/fileadmin/default/Kliniken/Kinder-Jugendpsychiatrie/Dokumente/Bericht_AG_Wissenstransfer_Dissemination_E-Learning.pdf [25.05.2018]

Gavranidou, M.; Niemiec, B.; Magg, B. & Rosner, R. (2008). Traumatische Erfahrungen, aktuelle Lebensbedingungen im Exil und psychische Belastung junger Flüchtlinge. Kindheit und Entwicklung, 17, S. 224–231.

Plener, P. L.; Munz, L. M.; Allroggen, M.; Kapusta, N. D.; Fegert, J. M. & Groschwitz, R. C. (2015). Immigration as risk factor for non-suicidal selfinjury and suicide attempts in adolescents in Germany. Child and Adolescent Psychiatry and Mental Health, 9:34.

Rörig, J. W. (2015). Unterstützung, Bündnisse und Impulse zur Einführung von Schutzkonzepten in Institutionen in den Jahren 2012–2013. In: Fegert, J. M. & Wolff, M. (Hrsg.): Kompendium »Sexueller Missbrauch in Institutionen«. Entstehungsbedingungen, Prävention und Intervention. Weinheim/Basel: Beltz Juventa, S. 587–601.

Witt, A.; Rassenhofer, M.; Fegert, J. M. & Plener, P. L. (2015). Hilfebedarf und Hilfsangebote in der Versorgung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Eine systematische Übersicht, in: Kindheit und Entwicklung, 24 (4), S. 209–224.

 

Alle Links und Literaturangaben beziehen sich auf das Erscheinungsdatum der jeweiligen Druckausgabe und werden nicht aktualisiert.

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Veröffentlichungsdatum

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Carolin Schloz
Carolin Schloz ist Diplom-Pädagogin (Univ.) und Kinder- und Jugendpsychotherapeutin in Ausbildung. Sie war als wissen schaftliche Mitarbeiterin in der Arbeits gruppe »Wissenstransfer, Dissemination, E-Learning« an mehreren Projekten der Universitätsklinik Ulm zum Thema Kinderschutz beteiligt, u. a. an der Entwicklung und Evaluation der Online-Kurse SHELTER (Safety & Help for Early Adverse Live Events and Traumatic Experiences in Minor Refugees).

Dr. Ulrike Hoffmann
Dr. Ulrike Hoffmann leitet an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm die Arbeitsgruppe »Wissenstransfer, Dissemination, E-Learning«. Diese entwickelt und evaluiert in derzeit insgesamt neun Projekten Online-Kurse zu Themen des Kinderschutzes und zur Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher.
Kontakt: ulrike.hoffmann(at)uniklinik-ulm.de

Prof. Jörg M. Fegert
Prof. Jörg M. Fegert ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm, Leiter des Kompetenzzentrums Kinderschutz in der Medizin Baden-Württemberg und geschäftsführender Sprecher des Zentrums für Traumaforschung an der Universitätsklinik Ulm. Zu seinen Themenschwerpunkten gehören der Kinderschutz, die Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher sowie Wissenstransfer mittels E-Learning.
Kontakt: joerg.fegert(at)uniklinik-ulm.de

 

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Herausgebende Institution

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