Sexualaufklärung in der Grundschule. Eine Lehrkräftebefragung im Mixed Methods-Design
Hintergrund
Seit 1992 ist die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) durch das Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) beauftragt, Konzepte zur Sexualaufklärung zu entwickeln und Informationen zur Verhütung bundesweit kostenfrei zur Verfügung zu stellen (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung [BZgA], 2016). Diese Materialien der Sexualaufklärung erreichen die Zielgruppen direkt oder werden von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Rahmen von Angeboten zur sexuellen Bildung eingesetzt.
Zu den wichtigsten Multiplikatorinnen der Sexualaufklärung zählen Schulen. Lehrkräfte sind eine der zentralen Quellen der Wissensvermittlung im Bereich sexueller und reproduktiver Gesundheit (Scharmanski & Hessling, 2022) und geben Wissen und Handlungskompetenzen über Sexualität an ihre Schülerinnen und Schüler weiter (Scharmanski, Hessling & Barlovic, 2022).
Sexualaufklärung ist in Deutschland für alle Schulformen verbindlich in den Lehrplänen vorgeschrieben, wobei dieses Thema in der Regel erstmals in der Grundschule behandelt wird. Entsprechend sind Schülerinnen und Schüler, deren Eltern sowie Lehrkräfte an einer Grundschule auch die Zielgruppe des Medienpakets »Dem Leben auf der Spur«, das Institutionen kostenfrei bei der BZgA bestellen können (https://shop.bzga.de/dem-leben-auf-der-spur-medienpaket-13160000/).
Um evidenzbasierte Gesundheitskommunikation und die Vermittlung von Handlungskompetenzen im Bereich der Sexualaufklärung zu gewährleisten, ist eine wissenschaftlich fundierte Bewertung (Evaluation) der Medien und Maßnahmen unerlässlich (Kolip, 2021). Denn nur so kann überprüft werden, ob Inhalt, Gestaltung und Nutzungsmöglichkeit des Medienpakets (noch) bedarfs- und zielgruppengerecht sind oder ob Anpassungen vorgenommen werden müssen. Über allem steht die Frage, ob das Medienpaket von den Zielgruppen akzeptiert und genutzt wird. Denn nur so kann die intendierte Wirkung – nämlich der Aufbau von Wissen und Handlungskompetenz im Bereich Sexualität – erreicht werden.
Vorgehen bei der Evaluation
Um Anpassungsbedarfe am Medienpaket zu identifizieren, wird seit Beginn des Jahres 2023 eine groß angelegte Evaluationsstudie durchgeführt. Die BZgA hat hier das Feldinstitut House of Research beauftragt. Die eingesetzte Methodik beinhaltet sowohl eine Online-Befragung als auch digitale Fokusgruppen, um das Medienpaket tiefergehend besprechen zu können (Mixed-Methods-Design). Die Zielpersonen der Studie sind Lehrkräfte an einer Grundschule und Förderpädagoginnen und -pädagogen im inklusiven Setting bzw. an einer Förderschule. Voraussetzung für eine Teilnahme an der Studie ist, dass mindestens einmal Sexualkundeunterricht mit Kindern im Grundschulalter durchgeführt wurde.
Die Online-Befragung von Lehrkräften
In einem ersten Schritt wird ein online-basierter Fragebogen eingesetzt. Ziel ist es einerseits, allgemeine Merkmale der schulischen Sexualaufklärung inklusive hemmender und unterstützender Faktoren zu erfassen; andererseits wird eine erste, allgemeine Bewertung des Medienpakets »Dem Leben auf der Spur« erfolgen.
Konkret werden die folgenden Aspekte mit dem Fragebogen erhoben:
- Bekanntheit, Einsatz und Bewertung des Medienpakets
- Themen und Kontext der Sexualaufklärung in der Grundschule
- Wahrgenommene Einstellung zur Sexualaufklärung seitens der Schule
- Wahrgenommene Unterstützung/Vorbehalte aufseiten der Elternschaft
- Sexualaufklärung im inklusiven Setting (nur Förderpädagoginnen und -pädagogen)
- Berufserfahrung und Wandel der schulischen Sexualaufklärung.
Die Feldzeit der Online-Befragung erstreckte sich von Mitte April bis Ende Juni 2023. Zum Zeitpunkt der Schließung der Online-Befragung konnten insgesamt 586 vollständige Teilnahmen registriert werden. Die zentralen Stichprobenmerkmale beim Abschluss der Feldzeit (vor der Bereinigung) werden in den Tabellen 1 und 2 aufgeführt. Erste Ergebnisse werden im Laufe des Jahres 2023 erwartet. Die Datenerhebung, Auswertung und die Veröffentlichung wird unter strenger Wahrung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) erfolgen. Es werden keine Rückschlüsse auf einzelne Personen, einzelne Schulen oder andere dritte Personen möglich sein.
Digitale Fokusgruppen zur vertiefenden Bewertung des Medienpakets
In einem zweiten Schritt werden insgesamt acht digitale Fokusgruppen mit Lehrkräften oder Förderpädagoginnen und -pädagogen durchgeführt.
Die teilnehmenden Personen erhalten das gesamte Medienpaket im Vorfeld der Fokusgruppen per Post zugeschickt. In den Fokusgruppen wird dann ausführlich über den Inhalt der einzelnen Elemente, die Gestaltung, die Akzeptanz und Relevanz des Medienpakets, die Nutzungsmöglichkeiten sowie die eingeschätzte Wirkung gesprochen.
Zentral wird auch die Frage sein, welche Überarbeitungen notwendig sind, um das Medienpaket auch an Förderschulen bzw. im inklusiven Setting einsetzen zu können. Zusätzlich erhalten die Teilnehmenden Einblicke in die Befunde aus der Online-Befragung mit anschließender partizipativer Ergebnisdiskussion.
Dank
Schon jetzt möchten wir allen teilnehmenden Lehrkräften und Förderpädagoginnen und -pädagogen für ihre Zeit und ihr Vertrauen danken.
Literatur
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (2016). Rahmenkonzept zur Sexualaufklärung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Abstimmung mit den Bundesländern. BZgA, Köln.
Kolip, P. (2021). Der Public Health Action Cycle als Rahmen für die Qualitätsentwicklung. FORUM Sexualaufklärung und Familienplanung (1). https://doi.org/10.17623/BZgA_SRH:forum_2021-1_beitrag_phac_qs
Scharmanski, S., & Hessling, A. (2022). Sexualaufklärung junger Menschen in Deutschland. Ergebnisse der repräsentativen Wiederholungsbefragung »Jugendsexualität«. Journal of Health Monitoring, 7(2), 23-41. https://doi.org/10.25646/9874
Scharmanski, S., Hessling, A., & Barlovic, I. (2022). Evaluation der »Sex & Tipps«-Broschüren. BZgA-Faktenblatt. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). https://doi.org/10.17623/BZgA_SRH:fb_eval_sex-n-tipps
Alle Links und Literaturangaben beziehen sich auf das Erscheinungsdatum der jeweiligen Druckausgabe und werden nicht aktualisiert.
Zitation
Scharmanski, S., & Mirza, D. (2023). Sexualaufklärung in der Grundschule. Eine Lehrkräftebefragung im Mixed-Methods-Design, FORUM Sexualaufklärung und Familienplanung: Informationsdienst der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 1, 97–99.
Veröffentlichungsdatum
Dr. Sara Scharmanski ist wissenschaftliche Referentin im Referat S3 - Aufgabenkoordinierung; Nationale und internationale Zusammenarbeit; Forschung und Fortbildung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
Kontakt:
sara.scharmanski(at)bzga.de
Diana Mirza ist Senior-Projektleiterin in der House of Research GmbH, Berlin.
Kontakt:
d.mirza(at)house-of-research.de
Alle Links und Autorenangaben beziehen sich auf das Erscheinungsdatum der jeweiligen Druckausgabe und werden nicht aktualisiert.
Herausgebende Institution
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
Artikel der Gesamtausgabe
- Geschlechterrollen, Hausarbeit, Paarkonflikte. Ein erster Blick in „FReDA – das familiendemografische Panel"
- Die Sicht der Eltern auf die Sexualaufklärung ihrer Kinder
- Ungewollte Schwangerschaften im Lebenslauf – Ergebnisse der Studie „frauen leben 3“
- Reproduktionspolitik im Ländervergleich: Eine neue internationale Datenbank
- Pioneering Change: ANSER's Impact Linking Research and Policy on Sexual and Reproductive Health
- Online-Videos zum Schwangerschaftsabbruch: Anbieter, Botschaften und Publikumsreaktionen
- KisS: Ein Programm zur Vermeidung sexueller Aggression bei jungen Erwachsenen
- Sexualisierte Gewalt in der Jugendphase − ein Vergleich dreier repräsentativer Studien
- „Wie geht’s euch?“ Psychosoziale Gesundheit und Wohlbefinden von LSBTIQ*
- Erfahrungen mit §219-Beratung per Telefon oder Video. Sichtweisen von Klientinnen
- Relevanz der sexuellen Rechte in der familiären und schulischen Sexualaufklärung der Schweiz
- Schulische Sexualerziehung aus Adressat*innenperspektive
- Erschwerter Zugang zu Verhütung in den Asylzentren: Perspektiven von geflüchteten Frauen in der Schweiz
- Die EMSA-Studie – Erstes Mal, Menstruation und Schwangerschaftsabbruch in Sozialen Medien
- Sexualaufklärung in der Grundschule. Eine Lehrkräftebefragung im Mixed Methods-Design
- Das EU-Projekt »PERCH«: Gemeinsam gegen HPV-bedingten Krebs
- Erasmus+ Projekt: Sexualaufklärung für Jugendliche und junge Erwachsene mit Fluchthintergrund
- »Safe Clubs« − Ein Transferprojekt zur Prävention sexualisierter Gewalt im Sport
- Unheilbar queer? Konversionsbehandlungen in Deutschland erforschen – eine Annäherung
- Lebenssituation, Sicherheit und Belastung im Alltag (LeSuBiA)
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