Projektskizzen: Schweigepflichtentbindung kommunizieren
Entwicklung einer Arbeitshilfe für Fachkräfte der Frühen Hilfen im Kontext Migration und Flucht
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Ziel von Frühe Hilfen ist insbesondere die Unterstützung von Familien mit Säuglingen und Kleinkindern in belastenden Lebenslagen. Dazu gehört auch, Familien mit erhöhtem Unterstützungsbedarf den Zugang zu geeigneten Hilfen zu erleichtern und sie in entsprechende Hilfen zu vermitteln. Im Rahmen der Familienbegleitung und -beratung kann eine Weitergabe personenbezogener Daten der Familien an Dritte hilfreich sein, bei Gefahr für das Kindeswohl ist sie – nach Absprache mit der Familie – sogar erforderlich. Gleichzeitig gehört die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eltern zum Aufbau einer helfenden Beziehung und der sorgsame Umgang mit Informationen, die im Vertrauen mitgeteilt werden, zur Grundhaltung der Fachkräfte in den Frühen Hilfen. Eine Informationsweitergabe an Dritte, insbesondere wenn personenbezogene Daten betroffen sind, bedarf daher – von wenigen Ausnahmen abgesehen – einer Einwilligung der Eltern in Form einer Schweigepflichtentbindung.
Die Einwilligung in eine Schweigepflichtentbindung beruht auf freier Entscheidung und es bestehen hohe Anforderungen an deren Nachvollziehbarkeit durch die Betroffenen. Bei ihr geht es nicht nur um die formale Zustimmung der Betroffenen, doku men tiert durch eine Unterschrift, son dern darum, ein qualifiziertes Einverständnis zu geben. Dieses liegt nur dann vor, wenn den Beteiligten mitgeteilt wurde, was genau an wen und zu welchem Zweck weitergegeben werden soll. Den Betroffenen muss eine konkrete Vorstellung vom Verwendungszusammenhang vermittelt werden und sie müssen verstanden haben, welche Bedeutung die Informationsweitergabe für sie und andere hat oder haben kann.1
Die Herausforderungen an die Fachkräfte sind daher erheblich. Dies ist besonders dann der Fall, wenn sie Eltern mit Migrations- bzw. mit Fluchtgeschichte beraten, die über erst geringe Deutschkenntnisse verfügen. In der Arbeit mit Familien mit Migrations- oder Fluchthintergrund ist besondere Sensibilität gefordert, um eine qualifizierte Einwilligung zu gewährleisten. Dies gilt vor allem dann, wenn die Eltern mit dem Konzept der Schweigepflichtentbindung eher unvertraut sind, das hiesige Gesundheits- und Sozialsystem in seiner Komplexität und Funktionsweise noch wenig erfasst haben und geringe oder fehlende Deutschkenntnisse die Kommunikation darüber erschweren.
Ein geeignetes Formular zur Schweigepflichtentbindung liegt bereits vor: Auf den Internetseiten des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen findet sich die Dokumentationsvorlage »Schweigepflichtentbindung«, die in elf Sprachen übersetzt ist und als Download zur Verfügung steht.2 Als Begleitmaterial zu dieser Dokumentationsvorlage wird derzeit beim Deutschen Jugendinstitut e.V. (DJI) im Rahmen des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen die Arbeitshilfe „Schweigepflichtentbindung kommunizieren“ entwickelt. Ziel der Arbeitshilfe ist es, Fachkräfte der Frühen Hilfen in ihrem Beratungshandeln rund um das Thema Schweigepflicht und Schweigepflichtentbindung zu unterstützen.
Die Arbeitshilfe bietet Hintergrundwissen und praktische Anregungen. Sie nimmt Bezug auf die Datenschutzgrundverordnung (DSGV), die am 25. Mai 2018 in Kraft getreten ist, und das Bundesdatenschutzgesetz abgelöst hat. Zudem greift die Arbeitshilfe Überlegungen zu einer kultur- und migrationssensiblen Beratung auf, die für den Kontext der Schweigepflichtentbindung bedeutsam sind, aber auch für andere Beratungssettings Relevanz besitzen. Auch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Sprachbarrieren die Beratungssituation in Familien mit Migrations- bzw. Fluchthintergrund in besonderem Maße prägen können und die sprachsensible Ausgestaltung der Kommunikation von großer Bedeutung ist für eine gelingende Beziehung und eine geeignete Informationsweitergabe auch im Kontext der Schweigepflichtentbindung. Die Arbeitshilfe für die Fachkräfte enthält darüber hinaus zielgruppengerechte Materialien für die Familien. Die Elternmaterialien veranschaulichen das Konzept der Schweigepflichtentbindung und die Angebote der Frühen Hilfen bildhaft sowie in einfacher Sprache und können in der Beratung der Eltern unterstützend eingesetzt werden. Die Arbeitshilfe wird nach ihrer Erstellung durch Fachkräfte der Frühen Hilfen evaluiert und der Einsatz der Elternmaterialien erprobt. Die Publikation der Arbeitshilfe ist Ende 2019 zu erwarten.
Fussnoten
1 Nationales Zentrum Frühe Hilfen (Hrsg.) (2015). Datenschutz bei Frühen Hilfen. Praxiswissen Kompakt. Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V., Köln: NZFH, S. 14
2 www.frühehilfen.de
Veröffentlichungsdatum
Dr. Brigitte Schnock
Fachgruppe Frühen Hilfen
Abteilung Familie und Familienpolitik
Deutsches Jugendinstitut e.V.,
Kooperationspartner im Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH)
Nockherstraße 2
81541 München
Telefon o89 62306-0
schnock(at)dji.de
Alle Links und Angaben zu Autorinnen und Autoren beziehen sich auf das Erscheinungsdatum der jeweiligen Druckausgabe und werden nicht aktualisiert.
Herausgebende Institution
Artikel der Gesamtausgabe
- Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften
- Große Herausforderungen und kreative Antworten
- Empowerment – Sexualaufklärung und Familienplanung inklusive
- Schwangerschaft und Flucht
- »Zeig, was dich besonders macht!«
- Verbundprojekt SHELTER
- Projektskizzen: Fachdialognetz für schwangere, geflüchtete Frauen
- Projektskizzen: Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatung im Kontext Flucht und Migration
- Projektskizzen: Sexualität und Migration
- Projektskizzen: Schweigepflichtentbindung kommunizieren
- Projektskizzen: Sexualpädagogisches Angebot für junge Geflüchtete
- Infothek - Ausgabe 01/2018