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FORUM 1–2021

Projektskizzen: Verhütungsinformationen in Sozialen Medien: Wichtig, aber auch richtig?

Immer mehr Menschen beziehen sexuelle Gesundheitsinformationen über digitale Medien. So erreichen beispielsweise YouTube- und TikTok-Videos zur Antibabypille Millionen von Mädchen und jungen Frauen. Doch von wem stammen die Verhütungsinformationen auf Social-Media-Plattformen? Und welche inhaltliche Qualität haben sie?

Wer heute eine sexualbezogene Frage hat, wendet sich oft als Erstes an »Dr. Google« (Döring, 2017b). Das tun Jüngere und Ältere gleichermaßen, denn online erhält man jederzeit ganz schnell und diskret eine Antwort. Oder besser: Hunderttausende von Antworten. Und da liegt das Problem für die Qualitätssicherung: Wie zuverlässig sind die vielen verschiedenen Online-Informationen zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit?

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Bisheriger Forschungsstand

Wissenschaftlich untersucht ist das bislang kaum. In den internationalen Fachzeitschriften finden sich bislang nur rund ein Dutzend Studien, die zu einem bestimmten Thema der sexuellen Gesundheit (z. B. Erektionsprobleme oder Verhütung mit dem Hormonstäbchen) eine Stichprobe von Social-Media-Inhalten gezogen und dann deren Qualität detailliert untersucht haben (Döring; Conde, 2021). All diese Studien beziehen sich auf englischsprachige Online-Inhalte und weisen mehr oder minder viele Qualitätsdefizite nach (z. B. fehlende, einseitige oder falsche Informationen). Wie es um deutschsprachige sexuelle Gesundheitsinformationen – und speziell um Verhütungsinformationen – in digitalen Medien im Einzelnen bestellt ist, weiß aktuell niemand.

 

Die Pille wird gegoogelt

Dabei wird nach Verhütungsinformationen intensiv »gegoogelt«. Das zeigt sich bei den automatischen Suchvorschlägen: Wer beispielsweise »wie wirkt« in die Google-Suchmaske eingibt, erhält Suchvorschläge angezeigt, die der Google-Algorithmus aus häufigen Suchanfragen herausfiltert und dann noch ein wenig an das persönliche Suchprofil anpasst. Die Chancen sind hoch, dass die Frage »wie wirkt die Pille« dabei ist (siehe Abbildung 1).

 

Die Pille in der Wikipedia

Das wirft die Frage auf, welche Informationen Menschen erhalten, wenn sie »Dr. Google« nach der Wirkungsweise der Pille fragen. Unter den ersten Google-Treffern, die der Algorithmus wiederum auf das persönliche Profil anpasst, erscheinen Pillenbeiträge der Pharmaindustrie, von Krankenkassen, Frauenzeitschriften, Gesundheitsportalen und so gut wie immer auch von Wikipedia (Döring, 2017b). Die Online-Enzyklopädie ist durch ihr gutes Google-Ranking in Deutschland eine zentrale Anlaufstelle für Gesundheitsinformationen aller Art, so auch für Verhütungsinformationen. Allein im Jahr 2020 wurde der Wikipedia-Eintrag zur Antibabypille mehr als 170 000-mal abgerufen. Aber bildet der von vielen anonymen Wikipedia-Mitgliedern verfasste und kontinuierlich überarbeitete Beitrag auch wirklich den aktuellen Forschungsstand zur Pille ab? Und vermittelt er die verfügbaren Evidenzen in ausgewogener und gut verständlicher Form?

 

Die Pille auf YouTube, TikTok und Instagram

Junge Menschen stoßen nicht nur durch Google-Suchen auf Verhütungsinformationen, sondern werden auch von Influencerinnen auf das Thema aufmerksam gemacht. Zahlreiche Influencerinnen verbreiten pillenkritische Beiträge auf YouTube, TikTok und Instagram und finden große Resonanz beim Publikum (siehe Abbildung 2). Wie ist dieser Trend einzuschätzen? Inwiefern werden hier Nebenwirkungen der Pille realistisch oder möglicherweise auch übertrieben dargestellt (Döring, 2021)? Welche nicht-hormonellen Verhütungsmethoden werden als Alternativen zur Pille empfohlen? Und wie akkurat werden wiederum deren Vor- und Nachteile beschrieben?

 

Aktuelles Forschungsvorhaben

Unser von der BZgA gefördertes Forschungsprojekt »Verhütung in Sozialen Medien: eine kommunikationswissenschaftliche Analyse« stützt sich auf einschlägige eigene Vorarbeiten (Döring, 2017a, 2017b, 2021, Döring & Conde, 2021) und verfolgt das Ziel, den oben aufgeworfenen Fragen systematisch nachzugehen. Dabei werden neben der Pille alle rund zwanzig verfügbaren Verhütungsmethoden abgedeckt.

Untersucht werden die entsprechenden Wikipedia-Artikel, Stichproben von reichweitenstarken Instagram-Beiträgen, YouTube- und TikTok-Videos sowie die zugehörigen Kommentare des Publikums im Hinblick auf deren Inhalte und ihre Informationsqualität. Zudem werden Interviews mit jungen Social-Media-Nutzerinnen und -Nutzern geführt, um zu erkunden, wie Verhütungsinformationen in Sozialen Medien wahrgenommen und hinsichtlich ihrer Glaubwür digkeit eingeschätzt werden.

Die Ergebnisse der Studie, die Ende 2022 vorliegen werden, schließen nicht nur eine Forschungslücke, sondern informieren auch die Fachpraxis. Denn bei identifizierten Qualitätsmängeln kann diese in zweierlei Hinsicht gegensteuern: Sie kann gerade junge Menschen in ihrer Online-Gesundheitskompetenz fördern, damit diese Verhütungsinformationen in Sozialen Medien selektiv nutzen und kritisch einordnen. Zudem ist die Fachpraxis gefragt, evidenz basierte Verhütungsinformationen selbst verstärkt über Soziale Medien auszuspielen, insbesondere zu jenen Verhütungsmethoden, über die laut Datenlage besonders viele fehlerhafte, einseitige oder unvollständige Informationen kursieren.

Veröffentlichungsdatum

Prof. Dr. Nicola Döring

Kontakt: Nicola.Doering(at)tu-ilmenau.de

 

Alle Angaben zu Links und Autorinnen/Autoren beziehen sich auf das Erscheinungsdatum der jeweiligen Druckausgabe und werden nicht aktualisiert.

Herausgebende Institution

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)

Diese Ausgabe des FORUM stellt Maßnahmen und Projekte vor, die die Qualitätssicherung in den Bereichen Sexualaufklärung und Familienplanung, der Prävention von sexualisierter Gewalt und sexuell übertragbaren Krankheiten (STI) sowie den Frühen Hilfen gewährleisten.

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