Projektskizzen: Toolbox zur Evaluation von E-Health-Angeboten
Toolbox zur Evaluation von E-Health-Angeboten
Hintergrund
Rund 94 Prozent der Menschen in Deutschland sind online, 72 Prozent täglich und im Mittel fast dreieinhalb Stunden (Beisch & Schäfer, 2020). Häufig wird im Internet nach Gesundheitsinformationen gesucht (Nölke et al., 2015), und dies ist während der Corona-Pandemie deutlich angestiegen (Beisch & Schäfer, 2020). Digitale Gesundheitsangebote sind – vom Erfahrungsbericht bis hin zum Fachartikel – relativ leicht auffindbar. Sie werden genutzt, um Symptome einzuschätzen und Gesundheitstipps zu erhalten. Auch Apps zur Steigerung des eigenen Wohlbefindens werden installiert. Dies erfolgt meist ohne Abgleich mit fachlicher Expertise. Online-User bilden sich ihre Meinung in der Regel allein und entscheiden innerhalb von Sekunden, ein Angebot zu nutzen oder den nächsten Treffer der Suchmaschine anzuklicken. Hier zählt vor allem der spontane subjektive Eindruck des E-Health-Angebots. Die sogenannte User Experience umfasst alle individuellen Wahrnehmungen und Reaktionen, die sich aus der Nutzung und/oder der erwarteten Nutzung eines Systems, Produkts oder einer Dienstleistung ergeben (vgl. ISO, 2019). Zentral sind der Inhalt, die Usability (Bedienbarkeit), ästhetische Wahrnehmungen sowie das Vertrauen in ein Angebot und den Anbieter selbst. Hiervon hängen Akzeptanz, Wertschätzung, Nutzung, Wiederbesuch und Weiterempfehlung eines E-Health-Angebots ab.
Um die Wahrnehmungen und Reaktionen der Zielgruppe eines Angebots zu kennen, sind systematische Bewertungen durch die Nutzenden erforderlich. Diese Evaluationen helfen den Verantwortlichen dabei, ihre Angebote gezielt zu verbessern. Dies ist von besonderer Relevanz, da im Themenbereich Gesundheit die Qualitätsansprüche der Nutzerinnen und Nutzer im Vergleich zu anderen Online-Inhalten am höchsten sind (Thielsch et al., 2019).
Entwicklung der Toolbox
Die Evaluation digitaler Angebote kann vielfältig erfolgen, z.B. anhand objektiver Nutzungsdaten, gezielter Befragungen der Nutzenden oder expertenbasierter Evaluationen (vgl. Thielsch, 2018). Standardisierte Befragungen kommen häufig im Online-Format zum Einsatz. Die hier vorgestellte »Toolbox zur Website-Evaluation« (Thielsch & Salaschek, 2020) bündelt etablierte und valide Verfahren, die in deutscher Sprache frei verfügbar sind. Die Entwicklung der Toolbox war Teil des Projekts CAHPOT (Community Access to Health Promotion via Online Tools) der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im Forschungsverbund »Gesund Aufwachsen«. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF, Förderkennzeichen: 01EL1426B1).
Die erste Version erschien im Jahr 2016; inzwischen ist die Version 2.1 verfügbar (Thielsch, 2018). In der Standardversion werden zentrale Aspekte der User Experience erfasst (siehe Tabelle 1). Sie umfasst 35 Fragen zu sieben Bereichen, die in weniger als zehn Minuten beantwortet werden können. Die Verfahren zeichnen sich durch ihre (für den Bereich User Experience) hohe psychometrische Güte aus. Die Toolbox umfasst ergänzend Zusatzinformationen wie etwa ein Manual, FAQs sowie Anwendungs- und Auswertungshilfen. Dies ermöglicht – auch ohne vertieften Forschungshintergrund – die Durchführung, Auswertung und sinnvolle Interpretation der Ergebnisse. Für tiefergehende Evaluationen liegt eine erweiterte Version vor.
Fazit und Ausblick
Anhand der fragebogenbasierten Website-Evaluation mit der Toolbox lassen sich Aussagen zu zentralen Bereichen der User Experience schnell erfassen und relativ verlässlich quantifizieren. Durch Analysen großer Stichproben der Zielgruppen sind zudem grobe Prognosen zur Nutzung möglich. Allerdings ist gezieltes Nachfragen zum individuellen Erleben einzelner Personen mit der Toolbox nicht möglich. Eine Ergänzung durch zusätzliche offene Fragen wäre daher in manchen Kontexten sinnvoll.
Die Toolbox wird derzeit umfassend überarbeitet. Damit wird Entwicklungen aus der Forschung (etwa neuen Instrumenten wie dem Web-CLIC, Thielsch & Hirschfeld, 2019) sowie Wünschen aus der Praxis nach noch kürzeren und dennoch validen Instrumenten Rechnung getragen. Die überarbeitete Version wird daher um eine kurze Screening-Version ergänzt, die sich bereits in der empirischen Prüfung befindet.
Literatur
Alle Linkangaben beziehen sich auf das Erscheinungsdatum der jeweiligen Druckausgabe und werden nicht aktualisiert.
Zitation
Thielsch, M. T. & Rüden, U. von (2021). Toolbox zur Evaluation von E-Health-Angeboten, FORUM Sexualaufklärung und Familienplanung: Informationsdienst der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 1, 41-43.
Veröffentlichungsdatum
Prof. Dr. Meinald T. Thielsch, Dr. Ursula von Rüden
Kontakt: thielsch(at)uni-muenster.de
Alle Angaben zu Links und Autorinnen/Autoren beziehen sich auf das Erscheinungsdatum der jeweiligen Druckausgabe und werden nicht aktualisiert.
Herausgebende Institution
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
Artikel der Gesamtausgabe
- Nicht jede Evaluation ist eine gute Evaluation.
- Der Public Health Action Cycle als Rahmen für die Qualitätsentwicklung
- Mediennutzung in der Sexualaufklärung und Familienplanung
- Die Sex & Tipps-Broschüren der BZgA
- »Liebesleben – Das Mitmach-Projekt« als Beispiel guter Praxis zur Entwicklung komplexer personalkommunikativer Maßnahmen
- Fortbildungsnetz sG. Datenbank für Fortbildungsangebote zu sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend
- Qualitätsmanagement im Projekt ReWiKs
- Projekt »Herzfroh 2.0«: Kieler Bildungsfachkräfte beraten als Expertinnen und Experten in eigener Sache
- Evaluation eines Qualitätsentwicklungsprojekts in den Frühen Hilfen.
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- Infothek - Ausgabe 01/2021