Lebenssituation, Sicherheit und Belastung im Alltag (LeSuBiA)
Der Bedarf einer Dunkelfeldstudie zu Gewalt ist groß und steht seit vielen Jahren auf der politischen Agenda. Nur mit verlässlichen Daten ist es möglich, effiziente und wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt zu entwickeln. Eine geschlechterübergreifende Befragung, die einen direkten Vergleich zwischen Geschlechtern ermöglicht, gibt es in Deutschland bislang nicht. Darüber hinaus fehlt es an aktuellen Informationen über das Verhältnis zwischen angezeigter und nicht angezeigter Gewalt – insbesondere im Bereich von partnerschaftlicher Gewalt, sexualisierter Gewalt sowie Gewalt im digitalen Raum.
Diese Lücke schließt »LeSuBiA – Lebenssituation, Sicherheit und Belastung im Alltag«. »LeSuBiA« erhebt neue Dunkelfeldzahlen zur Gewaltbetroffenheit von Frauen und Männern in Deutschland und geht damit sogar über die Forderungen der Istanbul-Konvention hinaus, die primär auf Gewalt gegen Frauen gerichtet ist. Bewusst wurde ein geschlechterübergreifender Ansatz gewählt, der die Untersuchung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Gewaltbetroffenheit ermöglicht und somit dem wachsenden geschlechterdifferenzierenden Erkenntnisinteresse nachkommt.
Die Ergebnisse dienen zur Bildung einer evidenzbasierten Grundlage für Entscheidungen zum wirksamen Gewaltschutz von Frauen und Männern und deren Kindern. Sie sollen den Schutz vor und die Prävention von Gewalt für alle Betroffenen verbessern. Darüber hinaus sollen die Projektergebnisse einen sensibilisierenden Beitrag in den Bereichen Partnerschaftsgewalt, sexualisierte Gewalt, Stalking und digitale Gewalt leisten.
Inhalte der Befragung
Inhaltlich wird »LeSuBiA« Fragen zur aktuellen Lebenssituation, der Sicherheit und den Belastungen im Alltag stellen. Dabei werden Informationen über Erfahrungen, Einstellungen und Verhaltensweisen der Befragten zu diesem Thema sowie Angaben zu sozialstrukturellen Merkmalen und ihrem Wohnumfeld erhoben. Ein besonderer Schwerpunkt wird dabei auf der Erhebung von Gewalterfahrungen in (Ex-)Paarbeziehungen, sexualisierter Gewalt und Gewalt im digitalen Raum liegen. Ziel dabei ist es auch, Erkenntnisse über geschlechtsspezifische Unterschiede im Dunkelfeld zu gewinnen. Erfahrungen mit der Polizei, Justiz oder Opferhilfeangeboten werden in der Studie ebenfalls berücksichtigt.
Methodik
»LeSuBiA« ist eine klassische Dunkelfeld-Opferbefragung. Opferbefragungen haben das Ziel, Erkenntnisse über das Gesamtaufkommen bestimmter Straftaten, einschließlich des sogenannten (relativen) Dunkelfelds, zu gewinnen, indem der Anteil von Opfern und Opferwerdungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums in der Bevölkerung gemessen wird. Angaben zum Anzeigeverhalten bzw. dem Anteil der polizeilich bekannt gewordenen Fälle geben Auskunft über das Verhältnis zwischen Hell- und Dunkelfeld. Das Dunkelfeld beschreibt die Straftaten, die der Polizei nicht bekannt geworden sind. Auf diese Weise soll ein umfassendes Bild vom Umfang und von der Struktur der Kriminalität erhalten werden, welches über das amtlich registrierte Hellfeld hinausgeht.
Bei der Entwicklung des Erhebungsdesigns wird eine möglichst hohe Stichproben- und Datenqualität angestrebt. Die Auswahl der Befragungspersonen der Querschnittsbefragung fußt auf einer zufallsbasierten Bevölkerungsstichprobe (Registerstichprobe) von Personen von 16 Jahren bis 85 Jahren, die in Privathaushalten in Deutschland leben. Personen mit Migrationshintergrund aus Polen, der Türkei, der ehemaligen Sowjetunion und Fluchtländern werden im Rahmen einer Zusatzstichprobe überproportional gezogen, damit die einzelnen Migrationsgruppen getrennt ausgewertet werden können. Die Befragung ist als sogenannte sequenzielle Mixed-Mode-Befragung konzipiert, um eine möglichst hohe Teilnahmequote zu erreichen. Im ersten Schritt wird versucht – sofern es die Corona-Lage im Erhebungsjahr zulässt –, mit allen Zielpersonen ein persönlich-mündliches Interview durchzuführen (CAPI). Ein Befragungsteil soll dabei von den Befragten selbstständig am Computer ausgefüllt werden, um bei besonders sensiblen Fragen offene und ehrliche Antworten zu erhalten (CAPI/CASI). Personen, die nicht an der persönlich-mündlichen Befragung teilnehmen, erhalten im zweiten Schritt die Möglichkeit, einen gekürzten Online-Fragebogen auszufüllen (CAWI).
Das Fragenprogramm ist weitgehend standardisiert, die angestrebte Nettofallzahl der persönlich-mündlichen Befragung beträgt 15.000 Personen. Hinzu kommen die Teilnehmenden der nachgelagerten Online-Befragung sowie die befragten Personen aus der Zusatzstichprobe (insgesamt ca. 22.000 Fälle). Der Online-Fragebogen wird in die Sprachen Arabisch, Polnisch, Russisch und Türkisch übersetzt.
Das Erhebungsdesign der Studie folgt äußerst elaborierten Methoden der empirischen Sozialforschung, die in enger Zusammenarbeit mit einem Wissenschaftlichen Beirat entwickelt und ausgearbeitet werden. Die Durchführung der Befragung ist für 2023/2024 geplant. Die Ergebnisse werden in Form eines Berichts für 2025 erwartet.
Projektbeteiligte
Die Studie wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) und das Bundeskriminalamt (BKA) gemeinsam durchgeführt und verantwortet. Zur Durchführung der Datenerhebung wurde das Umfrageinstitut Kantar Public beauftragt.
Quelle: www.bka.de (Zugriff 22.6.2023)
Zitation
Studie »LeSuBiA« – Lebenssituation, Sicherheit und Belastung im Alltag (2023). FORUM Sexualaufklärung und Familienplanung: Informationsdienst der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 1, 110–111.
Veröffentlichungsdatum
Die Studie wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) und das Bundeskriminalamt (BKA) gemeinsam durchgeführt und verantwortet. Zur Durchführung der Datenerhebung wurde das Umfrageinstitut Kantar Public beauftragt.
Quelle: https://www.bka.de (Zugriff 22.6.2023)
Alle Links und Autorenangaben beziehen sich auf das Erscheinungsdatum der jeweiligen Druckausgabe und werden nicht aktualisiert.
Herausgebende Institution
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
Artikel der Gesamtausgabe
- Geschlechterrollen, Hausarbeit, Paarkonflikte. Ein erster Blick in „FReDA – das familiendemografische Panel"
- Die Sicht der Eltern auf die Sexualaufklärung ihrer Kinder
- Ungewollte Schwangerschaften im Lebenslauf – Ergebnisse der Studie „frauen leben 3“
- Reproduktionspolitik im Ländervergleich: Eine neue internationale Datenbank
- Pioneering Change: ANSER's Impact Linking Research and Policy on Sexual and Reproductive Health
- Online-Videos zum Schwangerschaftsabbruch: Anbieter, Botschaften und Publikumsreaktionen
- KisS: Ein Programm zur Vermeidung sexueller Aggression bei jungen Erwachsenen
- Sexualisierte Gewalt in der Jugendphase − ein Vergleich dreier repräsentativer Studien
- „Wie geht’s euch?“ Psychosoziale Gesundheit und Wohlbefinden von LSBTIQ*
- Erfahrungen mit §219-Beratung per Telefon oder Video. Sichtweisen von Klientinnen
- Relevanz der sexuellen Rechte in der familiären und schulischen Sexualaufklärung der Schweiz
- Schulische Sexualerziehung aus Adressat*innenperspektive
- Erschwerter Zugang zu Verhütung in den Asylzentren: Perspektiven von geflüchteten Frauen in der Schweiz
- Die EMSA-Studie – Erstes Mal, Menstruation und Schwangerschaftsabbruch in Sozialen Medien
- Sexualaufklärung in der Grundschule. Eine Lehrkräftebefragung im Mixed Methods-Design
- Das EU-Projekt »PERCH«: Gemeinsam gegen HPV-bedingten Krebs
- Erasmus+ Projekt: Sexualaufklärung für Jugendliche und junge Erwachsene mit Fluchthintergrund
- »Safe Clubs« − Ein Transferprojekt zur Prävention sexualisierter Gewalt im Sport
- Unheilbar queer? Konversionsbehandlungen in Deutschland erforschen – eine Annäherung
- Lebenssituation, Sicherheit und Belastung im Alltag (LeSuBiA)
- Infothek