Sprachliche Barrieren, aber auch kulturelle Missverständnisse sind es, die im Sozial- und Gesundheitswesen, bei Aufklärung, Beratung, medizinischer Versorgung und Therapie von Migrantinnen und Migranten in vielen Fällen eine adäquate seelische Unterstützung bzw. gezielte Diagnostik verhindern.
Die Beiträge dieses Heftes analysieren die Situation von Sexualaufklärung und Familienplanung im interkulturellen Prozess. Ob in der Aufklärungsarbeit, der Jugendarbeit oder in medizinischen Bereichen wie der Gynäkologie – die Auseinandersetzung mit dem Dilemma grundlegender Verständigungsprobleme durchzieht die folgenden Berichte wie ein roter Faden.
Allen Beiträgen gemeinsam ist auch die Forderung nach qualifizierten Dolmetscherinnen und Dolmetschern, die bei Bedarf angefordert werden können, wie das in vielen anderen europäischen Ländern bereits möglich und – angesichts kostspieliger Fehlverläufe in Beratung und Behandlung – auch volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Je nach Themengebiet leiten die Autorinnen und Autoren anschließend unterschiedliche Verbesserungsvorschläge ab:
- Annette Remberg, die sich mit der Situation von Menschen mit Migrationshintergrund in Schwangerschaftsberatungsstellen befasst, hält u.a. gezielte Informationen und Weiterbildungsangebote für Beraterinnen sowie die personelle Erweiterung mit Fachkräften nicht deutscher Herkunft für erforderlich.
- Salman Ramazan schildert sexuelle Probleme türkischer Jugendlicher in der Bundesrepublik. Auch er unterstreicht die Notwendigkeit von Fortbildungsprogrammen zur interkulturellen Sexualpädagogik, weil nur mit einer möglichst guten Kenntnis der Lebenswelt von Migrantinnen und Migranten deren Perspektive zum Ausgangspunkt der Beratung gemacht werden könne.
- Theda Borde berichtet über eine vergleichende Untersuchung zum Körperwissen deutscher und türkischer Patientinnen an einer Berliner Frauenklinik. Sie schlägt u.a. eine Evaluierung existierender Aufklärungsmedien und deren Anpassung an kulturspezifische Kommunikationsmuster vor. Sie betont die Schlüsselfunktion des ärztlichen Personals, die häufig erste Ansprechpersonen von Migrantinnen und Migranten seien und außer gesundheitlicher Aufklärung eine zielgenaue Weitervermittlung an geeignete Beratungsstellen leisten müssten.
- Über die Möglichkeiten der Peer Education in der interkulturellen Arbeit berichten schließlich Herbert Backes und Lucyna Wronska vom Landesamt für Gesundheit und Soziales in Berlin.
- In der Rubrik DIALOG plädiert die Erziehungswissenschaftlerin Helga Marburger eindringlich für kulturellen Pluralismus als sexualpädagogische Leitkategorie und konkretisiert ihre Vorstellungen für den schulischen Bereich.
Inhalt
- Beratungsarbeit mit jungen nicht deutschen Frauen und Migrantinnen in Schwangerenberatungsstellen
Annette Remberg
- Sexualität und Migration am Beispiel türkischer MigrantInnen
Ramazan Salman
- Wissen über den weiblichen Körper von deutschen und türkischen Patientinnen einer Frauenklinik
Theda Borde, Matthias David, Heribert Kentenich
- Peer Education - Ein Weg in der interkulturellen Sexualpädagogik?
Herbert Backers, Lucyna Wronska
- Ayse fehlt immer in Sexualkunde Sexualerziehung zwischen Elternhaus und Schule
Helga Marburger