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FORUM 1–2024

Prävention psychischer Belastungen und Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter

Kim Magiera , Patricia Mayer , Therese Hiller , Emily Gossmann , Jörg Holke , Jörg M. Fegert , Informationen zu den Autorinnen/Autoren
Psychische Erkrankungen entstehen häufig früh im Lebensverlauf, und aktuelle gesellschaftliche Krisen verstärken psychische Belastungen, die junge Menschen empfinden. Es ist daher wichtig, den Bereich der Prävention psychischer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter auszubauen. Einen Beitrag hierzu leistet ein zweiteiliges Forschungsprojekt der Aktion Psychisch Kranke e. V. (APK) und der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie (KJPP) am Universitätsklinikum Ulm, in dessen Rahmen sowohl eine Bestandsaufnahme durchgeführt als auch Handlungsempfehlungen formuliert wurden.

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Einleitung

Belastungen im Kindes- und Jugendalter – egal, ob subjektiv empfunden und/oder objektiv gegeben – können bereits bei jungen Menschen zu Einschränkungen des Wohlbefindens, zu Verhaltensproblemen sowie zu psychischen Erkrankungen führen (Klasen et al., 2017). Da Belastungen in unterschiedlichen Lebensbereichen auftreten und vielfältige Ursachen haben können, lassen sie sich nicht einfach abstellen. Beeinflussbar ist jedoch, wie Kinder und Jugendliche mit diesen Belastungen umgehen, wie gut sie sich auf den Umgang mit diesen vorbereitet fühlen und wie zielgerichtet sie bei der Bewältigung vom informellen sozialen sowie vom professionellen Umfeld begleitet und unterstützt werden. Hier setzt auch Prävention an, beispielsweise durch ein Vermitteln von Wissen über Entstehungsbedingungen psychischer Krankheiten oder mit niedrigschwelligem Zugang zu ersten Tipps, mit welchen eigenen Verhaltensweisen Kinder und Jugendliche ihr psychisches Wohlbefinden positiv beeinflussen können.

Psychische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter sind nicht selten. Während weltweite Prävalenzen zwischen 12,7 % für Kinder und Jugendliche zwischen 4 und 18 Jahren (Barican et al., 2022) und 20,1 % für 1- bis 7-Jährige (Vasileva et al., 2021) liegen, zeigte eine Metaanalyse in Deutschland eine Prävalenz von 17,6 % für emotionale und Verhaltensauffälligkeiten für Kinder und Jugendliche zwischen 3 und 18 Jahren (Barkmann & Schulte-Markwort, 2012). Die Langzeit-Kohortenstudie »BELLA«1 kam zu dem Ergebnis, dass für den Erhebungszeitraum 2003 bis 2006 19,9 % der Kinder zwischen 3 und 17 Jahren psychisch erkrankt waren; für den Zeitraum von 2014 bis 2017 wurde eine Prävalenz von 16,9 % angegeben. Dabei wiesen die Jungen mit 19,1 % eine signifikant höhere Prävalenz als Mädchen mit 14,5 % auf, was vor allem die Altersgruppe von 3 bis 14 Jahren betraf. In der Altersgruppe von 15 bis 17 Jahren waren die Häufigkeiten für psychische Auffälligkeiten zwischen Mädchen und Jungen vergleichbar (Klipker et al., 2018). Psychische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter sind kein vorübergehendes Phänomen. Oftmals dauern sie über mehrere Jahre fort (Klasen et al., 2017). Und sie beginnen früh: In einer systematischen Literaturübersicht und Metaanalyse errechneten Solmi et al. (2022), dass 34,6 % aller psychischen Erkrankungen vor dem Alter von 14 Jahren, 48,4 % vor dem Alter von 18 Jahren und 62,5 % vor dem Alter von 25 Jahren beginnen.

Im Kindes- und Jugendalter entwickeln sich psychische Störungen vor allem in Phasen, in denen besondere Entwicklungsaufgaben bewältigt werden müssen, wie die Einschulung, der Übergang in eine weiterführende Schule, der Beginn der Pubertät oder die Ablösung vom Elternhaus (Fegert et al., 2017b). Ursächlich für die Entwicklung psychischer Störungen ist ein multifaktorielles Geschehen, bestehend aus einer genetischen Vulnerabilität sowie psychischen und sozialen Aspekten (Fegert et al., 2017b). International werden vor allem sogenannte belastende Kindheitserlebnisse, englisch Adverse Childhood Experiences (ACEs), als Risikofaktoren benannt. Dazu zählen physische und psychische Kindesmisshandlung, sexueller Kindesmissbrauch und Vernachlässigung sowie Haushaltsdysfunktionalitäten wie Drogen- oder Alkoholmissbrauch, psychische Erkrankung oder kriminelles Verhalten eines Haushaltsmitglieds und Gewalt gegenüber der Mutter (Felitti et al., 1998; Solmi et al., 2022). Darüber hinaus haben sich folgende Risikofaktoren als relevant herausgestellt: niedriger sozio-ökonomischer Status der Familie, alleinerziehendes Elternteil, niedriger Bildungsabschluss der Eltern sowie elterlicher Stress und elterliche Konflikte (Hölling et al., 2014; Solmi et al., 2022). 

Diese Risikofaktoren stehen in einem Interdependenzverhältnis und beeinflussen sich häufig gegenseitig. Besonders vulnerabel sind Kinder, die sich in der Kinder- und Jugendhilfe befinden, vor allem in stationären Einrichtungen (Fegert et al., 2017a). 

Die Risikofaktoren ebenso wie die besonderen Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen müssen sowohl in der Behandlung als auch der Prävention psychischer Erkrankungen berücksichtigt werden, damit diese wirksam werden können. Prävention umfasst Maßnahmen, die das Auftreten und Voranschreiten von Krankheiten verhindern oder zumindest verlangsamen sollen (Leppin, 2018). Eine Möglichkeit der Differenzierung von Präventionsstrategien, vorgeschlagen vom Institute of Medicine2, unterscheidet diese im Hinblick auf die zu erreichende Zielgruppe: Universelle Präventionsmaßnahmen richten sich an die Gesamtbevölkerung oder ganze Populationsgruppen, ohne Berücksichtigung eines Risikostatus. Selektive Präventionsmaßnahmen richten sich an Individuen oder Populationsgruppen, deren Risiko, eine psychische Krankheit zu entwickeln, erhöht ist, z. B. durch biologische oder soziale Faktoren. Indizierte Präventionsmaßnahmen richten sich an Personen mit hohem Risiko, die hoch belastet sind und erste Anzeichen einer psychischen Erkrankung zeigen (Muñoz et al., 1996).

Forschungsprojekt der Aktion Psychisch Kranke e. V.

In Kooperation mit der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm führte die APK e. V. von 2014 bis 2017 den ersten Teil des Forschungsprojekts »Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher in Deutschland – Bestandsaufnahme und Bedarfsanalyse«3 durch (Fegert et al., 2017b), welches als Grundlage für den zweiten Teil »Weiterentwicklung der psychiatrisch-psychotherapeutischen Hilfen und der Prävention seelischer Störungen im Kindes- und Jugendalter in Deutschland – Entwicklung und Abstimmung von Handlungsempfehlungen«4 diente (APK, 2022). Dieses zweiteilige Dialogprojekt wurde vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gefördert. Im ersten Teil wurden zur Erhebung der Versorgungssituation psychisch kranker Kinder und Jugendlicher in Deutschland fünf Expert*innen5-Workshops sowie eine systematische und eine selektive Literatur- und Datenrecherche und gesonderte Datenerhebungen durchgeführt (Fegert et al., 2017b). Der anschließende Projektteil hatte zum Ziel, konkrete Handlungsempfehlungen hinsichtlich einer Weiterentwicklung der Prävention seelischer Störungen im Kindes- und Jugendalter und bei jungen Menschen zu entwickeln (APK, 2022). Zudem sollten Handlungsempfehlungen auf Verbesserungen der psychiatrisch-psychotherapeutischen Hilfen im SGB V und Schnittstellenbereiche abzielen (APK, 2022). Mithilfe von Stellungnahmen, der Durchführung zweier Expert*innen-Workshops sowie einem Arbeitstreffen und der Einrichtung eines Beirats konnten 17 Handlungsempfehlungen generiert werden (APK, 2022).

Besonderheiten im Bedarf und in der Versorgung

Bei psychisch kranken Kindern und Jugendlichen liegen im Bedarf und in der Versorgung Besonderheiten vor, die sich von denen Erwachsener unterscheiden. Ein Ziel der Behandlung von Kindern und Jugendlichen ist nicht die bei Erwachsenen übliche Rehabilitation, sondern die Habilitation, nach der es zunächst um die Ermöglichung des Erreichens bestimmter Entwicklungsschritte geht. Laut Forschungsprojekt ist das deutsche Versorgungssystem durch hohe Differenzierung, Interdisziplinarität und eine Vielzahl beteiligter Berufsfelder und -gruppen (ambulanter Sektor, stationärer Sektor, schulischer Bereich) mit multimodalen und spezialisierten Maßnahmen grundsätzlich in der Lage, auf diese Spezifika einzugehen (Fegert et al., 2017b). Allerdings sind die Interventionen bei unterschiedlichen Institutionen und in mehreren Sozialgesetzbüchern verortet, die von kinder- und jugendmedizinischen Praxen bis hin zu adoleszenzspezifischen Angeboten in Kooperation von Kinder- und Jugendpsychiatrie und Erwachsenenpsychiatrie reichen (Fegert et al., 2017b). Die Schnittstellen zwischen den beteiligten Leistungserbringern stellen eine Herausforderung für zielgerichtete Prävention, Diagnostik und Behandlung dar (Fegert et al., 2017b). Im Umgang mit psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen ist die systemische Perspektive besonders bedeutsam, nach der an der Lebenswelt der Betroffenen angesetzt und z. B. ihre Familie, pädagogische Institutionen und Peers einbezogen werden. Da viele psychische Störungen häufig chronisch verlaufen und Risikofaktoren anhaltend bestehen, sollten Behandlungsansätze auf Dauerhaftigkeit ausgerichtet sein. Diese Bedingungen erfordern stabile und gesicherte Kooperationen innerhalb des SGB V sowie zwischen Sozialsystemen (Fegert et al., 2017b). Zudem ist es erforderlich, dass die spezifischen Bedarfe hinsichtlich Behandlung, Diagnostik und Prävention berücksichtigt werden, die sogenannte Hochrisiko-Gruppen haben, also Kinder, die eine Häufung von Risikofaktoren und belastenden Kindheitserlebnissen in ihrer Biografie aufweisen (Fegert et al., 2017b). Problematisch ist, dass zahlreiche Therapieformen für die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen unzureichend erforscht sind. Dies gilt auch für die Pharmakotherapie6. Hinsichtlich der Aufklärung über und Einwilligung in eine Behandlung, ist eine altersgerechte Beteiligung der Kinder und Jugendlichen anzustreben (Fegert et al., 2017b).

Handlungsempfehlungen

Die im zweiten Projektteil erarbeiteten Empfehlungen der APK e. V. sprechen sich insgesamt gegen einen Ausbau bestehender Angebote aus, plädieren allerdings für die Weiterentwicklung von Personenzentrierung (hier: Ausrichtung am individuellen Bedarf) sowie für gleichberechtigte Zugänge, Partizipation, Kooperation und Vernetzung. Obgleich sich die Nachfrage nach der COVID-19-Pandemie massiv verschärft hat, sprechen sich die Autor*innen gegen einen Aufbau von Bettenkapazitäten als vorrangige Strategie aus und halten es für wichtiger, dass schnell und niedrigschwellig, z. B. durch krisenchat gGmbH7, erste Beratung und Orientierung bei der Inanspruchnahme von Hilfe geschehen kann. So könnten intensivste Formen der Krankenbehandlung auch denen zugutekommen, die sie benötigen. Damit einhergehen sollte die Stärkung der aufsuchenden und ambulanten Angebote, insbesondere auch der Institutsambulanzen. Darüber hinaus legt eine Handlungsempfehlung nahe, Bescheinigungen für Präventionsempfehlungen durch Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen zu ermöglichen. Dadurch könnten (noch) psychisch gesunde Kinder und Jugendliche, die verhaltensbezogene Risikofaktoren für Erkrankungen aufweisen, auf direktem Wege geeignete Präventionsangebote nutzen, wodurch zusätzliche Überweisungen an Pädiater*innen oder Kinder- und Jugendpsychiater*innen eingespart und Übergänge zwischen Hilfen erleichtert werden könnten. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (PrävG) 2015 ist eine große Zahl an kinder- und jugendmedizinischen Vertragsärztinnen und -ärzten bezüglich der Prävention psychischer Störungen fortgebildet worden. Damit wird angestrebt, dass sie Präventionsbedarf eher wahrnehmen, gezielt junge Menschen mit Risikofaktoren ansprechen und ihnen Angebote vorschlagen, die aus ärztlicher Sicht geeignet sind. Auch Geschwister von psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen können von solchen Angeboten profitieren.

Zudem bestehen Handlungsbedarfe hinsichtlich der indizierten und der selektiven Prävention, insbesondere bei Kindern psychisch kranker Eltern sowie bei der Weiterentwicklung der Digitalisierung in den Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, z. B. über einen Einsatz von zertifizierten Apps für Präventionsmaßnahmen (APK, 2022). Zentral sind darüber hinaus niedrigschwellige Zugänge zu Informationen und Unterstützung sowohl für betroffene Kinder und Jugendliche als auch für Angehörige. Diese Notwendigkeit wurde auch vom Bundesverband der Angehörigen von Menschen mit psychischen Erkrankungen (BApK) festgestellt, der daraufhin das »Beratungstelefon Seelische Gesundheit – Selbsthilfeberatung und Beratung im Internet (SeeleFon)« sowie das »Seelefon für Flüchtlinge« ins Leben gerufen hat. Damit Angebote wie diese und Präventionsarbeit insgesamt einen dauerhaften und damit verlässlichen Beitrag zur Versorgungslandschaft leisten können, muss eine langfristige Kostenübernahme gesichert sein (Fegert et al., 2017b).

Prävention in Krisenzeiten

Mit der Zunahme akuter und langfristiger Krisen und Katastrophen können weitere psychosoziale Belastungen primär für Kinder und Jugendliche einhergehen (Gossmann et al., 2023). Demnach können das Erleben von Krieg und Flucht, einer Naturkatastrophe oder des Klimawandels u. a. in posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen sowie Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen resultieren (Fegert et al., 2023a). Darüber hinaus können sich indirekte Folgen auswirken, wie finanzielle Beeinträchtigungen durch Arbeitsplatzverlust der Eltern, die mit Teilhabebeeinträchtigungen in verschiedenen Lebensbereichen einhergehen und die psychische Gesundheit ebenso nachhaltig belasten können (Fegert et al., 2023a). Die fünfte »Trendstudie Jugend« zeigt, dass die größten Sorgen der 14- bis 29-Jährigen in Deutschland der Krieg gegen die Ukraine (68 %), der Klimawandel (55 %), die Inflation (46 %) und die Spaltung der Gesellschaft (40 %) sind (Hurrelmann, 2022). Darüber hinaus zeigt eine Befragung von McKinsey & Company von 2022, dass die jüngste Generation Z ihre eigene psychische Gesundheit im Vergleich zu anderen Generationen besonders schlecht einschätzt (Gen Z: 19 %, Gen Y: 13 %, Gen X: 12 %, Babyboomer: 4 %). Ebenfalls signifikant häufiger als Angehörige der anderen Generationen gibt die Generation Z sich selbst die Schuld hierfür. Da sie auch den Zugang zu Hilfen als problematisch erlebt, ist es wichtig, sowohl Barrieren im Zugang abzubauen als auch Unterstützung im Umgang mit Selbststigmatisierung anzubieten (Fegert et al., 2023b). 

Um künftig besser auf krisenhafte Ereignisse vorbereitet zu sein, besteht die Notwendigkeit eines Mental-Health-Preparedness-and-Response-Konzepts, welches evidenzbasierte Maßnahmen (Best Practices) vorhält, die im Akutfall sofort zum Einsatz kommen können. Präventive Unterstützungsangebote sollten auf die individuellen Bedürfnisse und Lebenslagen der jungen Menschen und ihrer Familien zielgruppenspezifisch und niedrigschwellig ausgerichtet werden, um psychische Belastungen und Teilhabebeeinträchtigungen in Krisenzeiten frühzeitig abzupuffern und Scham zu verringern. Hierunter können unterschiedliche Maßnahmen wie die Entwicklung von Apps oder der Ausbau schulpsychologischer Angebote gefasst werden. Sogenannte Bystander (private sowie professionelle Kontaktpersonen in der Lebenswelt junger Menschen) sollten hinsichtlich psychischer Belastungen geschult werden, da sie so die Früherkennung verbessern und den Übergang in das professionelle Unterstützungssystem erleichtern können (Gossmann et al., 2023; s. a. die Projektskizze von Gulowksi & Holz in dieser Ausgabe). Angesichts der Herausforderungen in der Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher gewinnt der sogenannte Stepped-Care-Ansatz (abgestufte Versorgungsmodelle) an Bedeutung. Dieser Ansatz berücksichtigt persönliche Bedürfnisse, Ressourcen sowie den Schweregrad einer psychischen Belastung und richtet die Art und Intensität der Behandlung daran aus (Fegert et al., 2022). Es wird mit der Interventionsform begonnen, die adäquat ist und zugleich die geringste Behandlungsintensität umfasst. Führt diese nicht zur Verbesserung, wird die Behandlung mit der nächsthöheren Intensitätsstufe fortgesetzt (Härter et al., 2015).

Fazit und Ausblick 

Das Dialogforschungsprojekt der APK e. V. und der KJPP Ulm hat gezeigt, dass das Versorgungssystem für junge Menschen mit psychischen Belastungen in weiten Teilen gut ausgebaut ist, aufsuchende und ambulante Angebote gestärkt werden sollten und Optimierungsbedarf vor allem hinsichtlich der Schnittstellen zwischen einzelnen Maßnahmen sowie zwischen Gesundheits-, Kinder- und Jugendhilfesystem besteht. Eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit kann erst dann flächendeckend erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden, wenn die Vernetzung zwischen Leistungen der Behandlung, Rehabilitation, Teilhabe und Pflege auch gesetzgeberisch abgesichert ist. Zudem verdeutlichen eine hohe Entstehungsrate psychischer Neuerkrankungen im Kindes- und Jugendalter sowie zunehmende Belastungen durch anhaltende und neue gesellschaftliche Krisen den Bedarf präventiver Maßnahmen für Heranwachsende, die sich durch Niedrigschwelligkeit, Zielgruppenspezifität und Individualisierung auszeichnen.

Fußnoten

1Die »BELLA«-Studie ist ein Modul des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS), welches bereits seit über zehn Jahren vom Robert Koch-Institut durchgeführt wird. https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien/Kiggs/kiggs_node.html 

2 Das National Institute of Medicine ist eine 1970 gegründete gemeinnützige Nichtregierungsorganisation, die 2015 in National Academy of Medicine umbenannt wurde. (https://nam.edu/about-the-nam/

3 https://www.apk-ev.de/projekte/kiju-bestandsaufnahme/startseite-kiju 

4 https://www.apk-ev.de/projekte/kiju-handlungsempfehlungen/startseite 

5 Auf Wunsch der Autor*innen wird in diesem Beitrag der Gender-Stern verwendet.

6 Unter Psychopharmakotherapie wird die Behandlung psychischer Erkrankungen mithilfe von Arzneimitteln verstanden. Sie ist neben der Psychotherapie und psycho-sozialen Therapie eine Säule der psychiatrischen Behandlung (Laux, 2022). 

7 Krisenchat ist ein niedrigschwelliges, an 24 Stunden pro Tag und sieben Tagen pro Woche erreichbares Portal, das jungen Menschen bis 25 Jahre über einen Chat professionelle erste Hilfe in Krisen anbietet (https://krisenchat.de/).

Veröffentlichungsdatum

Kim Magiera ist Pädagogin, Kriminologin und Mediatorin in Strafsachen. Sie arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kompetenzbereich Prävention Psychische Gesundheit im Kompetenznetzwerk Präventivmedizin Baden-Württemberg an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/ Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm. Ihr aktueller Arbeitsschwerpunkt ist häusliche Gewalt.
Kontakt: Kim.Magiera(at)uniklinik-ulm.de 

Patricia Mayer studierte Public Health Nutrition (M.Sc.) und arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kompetenzbereich Prävention Psychische Gesundheit Psychotherapie im Kompetenznetzwerk Präventivmedizin Baden-Württemberg an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/ Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm.
Kontakt: Patricia.Mayer(at)uniklinik-ulm.de 

Therese Hiller studiert Prävention und Gesundheitspsychologie (M.Sc.) und arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kompetenzbereich Prävention Psychische Gesundheit im Kompetenznetzwerk Präventivmedizin Baden-Württemberg an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/ Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm.
Kontakt: Therese.Hiller(at)uniklinik-ulm.de 

Emily Gossmann ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kompetenzbereich Prävention Psychische Gesundheit im Kompetenznetzwerk Präventivmedizin Baden- Württemberg an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/ Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm. Sie ist zudem Persönliche Referentin des Ärztlichen Direktors Prof. Dr. Jörg M. Fegert.
Kontakt: Emily.Gossmann(at)uniklinik-ulm.de 

Jörg Holke studierte Soziologie, Psychologie und Pädagogik an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster und arbeitet als Geschäftsführer der Aktion Psychisch Kranke e. V. (APK) in Bonn. Von 2012 bis 2017 war er im Gesundheitsministerium NRW als Referatsleiter Psychiatrie und zuvor in Leitungsfunktionen in der Suchtkrankenhilfe tätig.
Kontakt: holke(at)apk-ev.de

Jörg M. Fegert ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm und Präsident (2023-2027) der europäischen Fachgesellschaft European Society for Child and Adolescent Psychiatry (ESCAP). Er ist u. a. auch Vorstandsmitglied der Aktion Psychisch Kranke e. V. (APK). Zudem ist er Leiter des Kompetenzbereichs Prävention Psychische Gesundheit im Kompetenznetzwerk Präventivmedizin Baden-Württemberg.
Kontakt: Joerg.Fegert(at)uniklinik-ulm.de

 

Alle Links und Autorenangaben beziehen sich auf das Erscheinungsdatum der jeweiligen Druckausgabe und werden nicht aktualisiert.

Herausgebende Institution

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)

FORUM 1–2024

Jugend

Das Thema »Jugend« bildet den Schwerpunkt dieser Ausgabe des FORUM. In den Artikeln geht es um das Selbstbild Jugendlicher, ihre Lebenszufriedenheit – nach Corona und unter dem Eindruck multipler Krisen –, die Zunahme psychischer Belastungen sowie Einstellungen zu Partnerschaft, Familie und Kinderwunsch. Auch die Mediennutzung Jugendlicher, ihr Umgang mit Social Media und Themen wie Cybermobbing, Cybergrooming, Sexting, Konfrontation mit Pornografie etc. werden behandelt.
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