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FORUM 1–2024

Nackt im Netz – Porno, Sexting, Missbrauch

Kaum jemand redet offen über Pornos. Wer gibt schon zu, sich Pornografie im Internet anzusehen? Und trotzdem, fast alle kennen die Namen der einschlägigen Websites und können auch mit den Begriffen, nach denen Fotos und Videos auf Pornoplattformen kategorisiert sind, etwas anfangen. Wären Pornos im Netz nur Erwachsenen zugänglich, wäre dies kein Thema für die Medienanstalten. Aber auch Kinder sind bereits unbegleitet im Internet unterwegs – und das nicht bloß in Einzelfällen.

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Let’s talk about porn

Die Hälfte der Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren (51 %) und der überwiegende Teil der 12- bis 13-Jährigen (81 %) besitzen mittlerweile ein eigenes Smartphone (Feierabend, Rathgeb, Kheredmand & Glöckler, 2023). Und: Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil von Kindern, die allein im Internet surfen, deutlich an (30 % der 6- bis 7-Jährigen; 79 % der 12- bis 13-Jährigen) (ebd.). Das Internet ist voll von frei zugänglicher Pornografie – auch für Kinder und Jugendliche. Immer wieder geraten diese auch ungewollt mit sexuellen Inhalten, die Erwachsenen vorbehalten sein sollten, in Kontakt. Deshalb ist Internet-Pornografie aus Sicht des Jugendmedienschutzes und damit auch aus Sicht der Medienanstalten ein wichtiges Thema.

Sexuelle Sozialisierung findet auch durch Pornos statt

Der frühe mobile Zugang zum Internet, kombiniert mit den einfachen Verbreitungswegen über Messenger- Dienste und Social Media, ermöglichen Kindern und Jugendlichen heute einen wesentlich freieren Zugang zu pornografischen Inhalten. Für sie sind explizit sexuelle Bilder und Videos damit alltäglich und jederzeit verfügbar. Dass dies nicht bloß in der Theorie der Fall ist, zeigt eine Befragung der Landesanstalt für Medien NRW unter 11- bis 17-Jährigen aus dem Jahr 2023. Demnach hatte mehr als ein Drittel in dieser Altersspanne bereits einen Porno gesehen (35 %) (Landesanstalt für Medien NRW, 2023). Und auch bei den Jüngeren (11- bis 13-Jährigen) war der Anteil nicht unerheblich: 19 % der Mädchen hatten demnach bereits einen Porno gesehen, bei den Jungen in diesem Alter waren es 22 %. Noch einmal wesentlich höher fallen die Zahlen in der Altersspanne von 14 bis 17 Jahren, also bei den Jugendlichen, aus: Hier waren es bei den Mädchen 45 % und bei den Jungen sogar 59 % der Befragten. Dass Jugendliche mit 16 oder 17 Jahren mit Pornografie in Kontakt kommen, mag wenig überraschen. Problematisch ist aber durchaus, dass rund ein Fünftel der 11- bis 13-jährigen Kinder bereits Pornos gesehen hat.

Der erste Kontakt mit Pornos geschieht dabei häufig ungewollt. Bei der Frage, unter welchen Umständen die Befragten ihre ersten pornografischen Darstellungen gesehen hatten, gab ein Viertel (25 %) der Befragten an, dass sie diese von anderen Personen zugeschickt bekommen hatten – und zwar, ohne dass sie dies wollten. Ein großer Unterschied zwischen den Geschlechtern kann dabei nicht festgestellt werden. So gab ein Drittel (32 %) der 11- bis 13- jährigen Mädchen und fast ein Viertel (22 %) der 14- bis 17-jährigen Mädchen an, bei ihrem ersten Kontakt mit Pornos diese ungewollt gezeigt bekommen zu haben. Bei den Jungen waren dies in der jüngeren Altersgruppe mit 29 % nur unwesentlich weniger, bei den älteren Jungen waren es im Vergleich zu den Mädchen tendenziell sogar etwas mehr (24 %).

Wahrnehmung von Pornografie variiert stark

Starke Unterschiede können bei der Wahrnehmung von Pornografie sowohl zwischen den verschiedenen Altersgruppen als auch zwischen Jungen und Mädchen festgestellt werden.

Über alle Befragten hinweg gab mehr als ein Viertel an, Pornografie als erregend zu empfinden (27 %) (Landesanstalt für Medien NRW, 2023). Ein Drittel der Befragten schätzte das, was sie gesehen hatten, als unrealistisch ein (33 %). Bei den Jüngeren (11 bis 13 Jahre) bewerteten 23 % der Mädchen und 19 % der Jungen Pornografie als unrealistisch. In der Altersspanne von 14 bis 17 Jahren, also den Jugendlichen, waren es 45 % der Mädchen bzw. 35 % der Jungen. Das heißt im Umkehrschluss: Im Vergleich zu Jugendlichen bewerten Kinder die in Pornos dargestellte Sexualität als realistischer. Im Vergleich zu Jungen empfanden Mädchen (14- bis 17 Jahre) Pornos außerdem häufiger als abstoßend (33 %), bei den Jungen der gleichen Altersgruppe waren es hingegen 17 %. Insgesamt sagte rund die Hälfte der Befragten, dass sie Dinge, die sie in Pornos gesehen hatten, lieber nicht gesehen hätten (46 %).

Pornografie darf in Deutschland Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren nicht frei zugänglich gemacht werden. Heranwachsende können pornografische Inhalte häufig nicht von real gelebter Sexualität unterscheiden, besonders, wenn sie selbst noch keine oder wenige sexuelle Erfahrungen gemacht haben. Die Tatsache, dass besonders jüngere Kinder entsprechende Inhalte wesentlich seltener als unrealistisch empfinden, macht deutlich, dass ihr Bild von Sexualität noch längst nicht so weit entwickelt ist wie bei Jugendlichen. Wenn sie mit entsprechenden Bildern oder Videos konfrontiert werden, besteht daher die Gefahr, dass dies sie negativ in ihrer sozialen und emotionalen Entwicklung beeinträchtigt. Dabei drängt sich auch die Frage auf, welches Bild Kinder von Sexualität bekommen, wenn ihre ersten Kontakte mit sexuellen Inhalten für sie schockierende oder irritierende Pornos aus dem Internet sind. Eine 2023 erschienene Studie aus Großbritannien sieht sogar einen Zusammenhang zwischen frühem Pornokonsum von Kindern und einem späteren aggressiven Verhalten in der eigenen Sexualität (Children's Commissioner for England, 2023).

Sexualität unter Heranwachsenden wird auch digital ausgelebt

Die Allgegenwart von digitalen Medien schlägt sich aber nicht nur im Konsum, sondern auch in der Entwicklung und Auslebung der eigenen Sexualität von Kindern und Jugendlichen nieder. Für das Versenden von Nachrichten mit sexuellen Inhalten hat sich mit Sexting, einer Zusammenführung der Worte Sex und Texting, ein eigener Begriff etabliert. So gab etwa ein Fünftel (21 %) der im Rahmen der vorgenannten Befragung der Landesanstalt für Medien NRW aus dem Jahr 2023 befragten Kinder und Jugendlichen an, schon einmal Nachrichten mit sexuellen Inhalten über das Internet erhalten oder versendet zu haben (Landesanstalt für Medien NRW, 2023). Bei den 14- bis 17- jährigen Mädchen ist diese Zahl mit 31 % im Vergleich mit den gleichaltrigen Jungen (26 %) etwas höher. Bei den befragten Kindern zwischen 11 und 13 Jahren zeigte sich mit jeweils 14 % dagegen kein Unterschied zwischen den Geschlechtern. Während Jungen früher ihre erste Sexting-Nachricht verschickten, sind es Mädchen, die häufiger sexten. Von denjenigen, die bereits eine eigene Sexting-Nachricht verschickt haben, gaben 21 % der Mädchen von 11- bis 13 Jahren an, dies wöchentlich (!) zu tun, während 14 % von ihnen angaben, sogar mehrmals wöchentlich eine sexuelle Nachricht zu versenden.

Rechtlich betrachtet ist Sexting an sich nicht strafbar, auch nicht zwischen Minderjährigen. Einige rechtliche Einschränkungen gibt es aber durchaus. So dürfen zum Beispiel erwachsene Personen keine Bilder von Kindern, die jünger als 14 Jahre sind, besitzen. Außerdem müssen alle Beteiligten, das schließt die Empfängerinnen und Empfänger entsprechender Nachrichten explizit ein, mit dem Austausch sexueller Inhalte einverstanden sein.

Anregungen für ihre Nachrichten suchen sich Kinder und Jugendliche dabei auch bei dem, was sie aus dem Internet kennen: 19 % der Mädchen ließen sich von den Inhalten aus Pornos für Sexting inspirieren. Deutlich häufiger orientierten sich die Jungen (41 %) bei ihren Sexting-Nachrichten an Porno- Inhalten. So verwendeten die Jugendlichen beim Sexting beispielsweise Handlungen oder Begriffe, die sie schon mal in Pornos gesehen oder gehört hatten (46 % der Jungen und 17 % der Mädchen).

»Safer Sexting«

Jede Generation ist anders. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Kinder und Jugendliche Sexting aus einem anderen Blickwinkel betrachten, als das ältere Generationen tun. Vollkommen unabhängig davon, wie man den Einzug der Digitalisierung in das Erleben von Sexualität bewertet: Elterliche Verbote werden diese Entwicklung nicht umkehren können. Vielmehr erhöhen diese noch den Reiz. Beim Thema Sexting sollte es stattdessen vor allem darum gehen, Kinder früh über mögliche Risiken aufzuklären und ihnen zu zeigen, wie man diese so gering wie möglich halten kann. Genauso wie beim Thema Pornografie ist es daher wichtig, mit Jugendlichen, aber auch bereits mit Kindern darüber zu sprechen. Denn auch beim »digitalen Sex« steigen die Gefahren von Folgen und Nebenwirkungen, wenn man sich nicht mit ein paar zentralen Regeln schützt.

MÖGLICHE RISIKEN BEIM SEXTING

Sextortion
Sexuelle Erpressung mit intimen Fotos oder Videos von der Person

Revenge Porn
Verbreitung von intimen Videos oder Fotos anderer Personen aus Rache (z. B. von Ex-Partnerinnen/-Partnern)

Cybergrooming
Anbahnung sexueller Kontakte mit Minderjährigen über das Internet

Die Landesanstalt für Medien NRW hat im Jahr 2022 eine »Safer Sexting«-Kampagne gestartet, die 2023 mit einem gemeinsamen Relaunch auch durch die Medienanstalten Berlin-Brandenburg und Hamburg/Schleswig-Holstein ausgedehnt wurde (https://www.safer-sexting.de/). Das Ziel der Kampagne ist es, genau solche zentralen Regeln zu vermitteln. Zum einen geht es dabei darum, beim Sexting darauf zu achten, dass die eigenen intimen Fotos und Videos später nicht gegen einen selbst verwendet werden können. Gleichzeitig sensibilisiert die Kampagne dafür, dass man beim Sexting auch Verantwortung für die Partnerin oder den Partner trägt. Denn vielen Kindern und Jugendlichen ist offensichtlich nicht bewusst, dass das Weiterverbreiten fremder Bilder, aber auch das Versenden eigener Nacktbilder, sogenannter Nudes, unter Umständen strafbar sein kann. Im Grunde sind es fünf einfach umzusetzende Grundsätze, mit denen das Risiko, dass Sexting zu einer negativen Erfahrung wird, deutlich minimiert werden kann:

  • Vertrauen: Auch beim Sexting gilt: Man sollte seiner Partnerin oder seinem Partner gegenüber ein Gefühl des Vertrauens haben. Wenn man kein gutes Gefühl hat, sollte man es lieber lassen.
     
  • Grenzen kommunizieren: Zu wissen, womit sich die Partnerin oder der Partner wohlfühlt, ermöglicht es, die Grenzen des Gegenübers zu verstehen und einzuhalten.
     
  • Unerkannt bleiben: Um die eigene Persönlichkeit zu schützen, sollte das eigene Gesicht niemals auf intimen Bildern oder Videos zu sehen sein.
     
  • Daten löschen: Chats und Fotos auf dem Handy sollten regelmäßig gelöscht werden, erst recht, wenn es sich um sehr private oder intime Inhalte handelt.
     
  • Nur für den eigenen Gebrauch: Intime Inhalte, die man im Vertrauen erhalten hat, dürfen niemals weitergeleitet werden. Das ist nicht nur ein Vertrauensbruch, sondern kann im Ernstfall auch schwerwiegende juristische Konsequenzen haben.

Diese Vorsichtsmaßnahmen beziehen sich darauf, wie man sich beim Sexting verhalten sollte, um die eigene Sicherheit zu erhöhen. Aber auch, mit wem man sich auf das Austauschen von intimen Nachrichten einlässt, ist für die eigene Sicherheit im Internet entscheidend. Denn wenn man die Person, mit der man chattet, nicht auch aus dem »realen Leben « kennt, besteht immer ein Restrisiko, dass das Gegenüber nicht die Person ist, für die sie sich im Internet ausgibt.

Cybergrooming – wenn Kinder und Jugendliche online von Erwachsenen sexuell belästigt werden

Für potenzielle Täterinnen und Täter ist es im Internet nicht schwer, Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufzunehmen. Häufig ist den Kindern und Jugendlichen dabei zumindest zu Anfang gar nicht klar, dass sie dabei sind, sich mit einer erwachsenen Person anzufreunden. Erst später, wenn ihr Opfer bereits Vertrauen zu ihnen aufgebaut hat, geben sie sich bei dieser Masche als erwachsene Person zu erkennen. Dass Kinder und Jugendliche im Internet in Kontakt mit Erwachsenen kommen, ist nicht ungewöhnlich und an sich erst mal auch unproblematisch. Nichts anderes passiert auch im »realen Leben« alltäglich in Vereinen, im Ehrenamt oder in anderweitig organisierten Interessengruppen. Das Sozialleben der Kinder und Jugendlichen im Internet entzieht sich hingegen nicht nur weitgehend der Kontrolle, sondern auch dem Verständnis vieler Eltern. Und so bekommen diese oftmals gar nicht mit, was ihre Kinder im Internet tun. Dass dies problematisch sein kann, zeigt die im Mai 2024 erschienene Befragung unter Kindern und Jugendlichen der Landesanstalt für Medien NRW zum Thema Cybergrooming (Landesanstalt für Medien NRW, 2024). So gaben 25 % der 8- bis 17-Jährigen an, bereits selbst von Cybergrooming betroffen gewesen zu sein. Diese Übergriffe, bei denen Erwachsene mit sexuellen Absichten über das Internet Kontakt zu Minderjährigen aufnehmen, geschehen vor allem in sozialen Netzwerken oder in Online-Spielen.

Die Strategien von Täterinnen und Tätern sind vielfältig. Neben dem Aufbau von sozialem Druck ist zum Beispiel auch das Versprechen von Gegenleistungen eine gängige Täterstrategie. In Online-Spielen kann dies z. B. der Tausch von intimen Bildern und Videos gegen spezielle Gegenstände oder die Aufnahme in eine Gruppe sein.

Die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen (70 %), die von Erwachsenen im Internet sexuell belästigt wurde, reagierte richtig und brach den Kontakt ab, sobald sie erkannte, dass ihr Chat-Partner eine erwachsene Person ist. Ein Viertel (25 %) der Befragten gab hingegen an, in der Vergangenheit den Kontakt aufrechterhalten zu haben, nachdem das Alter des erwachsenen Gegenübers bekannt geworden war. Als häufigste Gründe dafür wurden die entgegen gebrachte Wertschätzung und die Komplimente (45 %) sowie die Freude über das Interesse von Älteren an der eigenen Person (38 %) angegeben. Dazu gaben 31 % der Befragten an, dies aus Neugierde getan zu haben. Dass ein solch großer Anteil von Kindern und Jugendlichen die Gefahren von Cybergrooming unterschätzt, ist auch ein Ergebnis von zu wenig Aufklärung. So wünschten sich 62 % der Befragten, in der Schule mehr über das Thema zu erfahren. 42 % der Kinder und Jugendlichen würden gerne mehr mit ihren Eltern über Cybergrooming sprechen.

Kinder und Jugendliche geraten im Laufe ihres Erwachsenwerdens – auch im Internet – in viele tolle, jedoch auch in gefährliche Situationen. Zu lernen, solche Situationen zu erkennen, sie zu meistern und in Zukunft zu vermeiden ist etwas, bei dem Kinder und Jugendliche Unterstützung benötigen. Es ist unmöglich und auch nicht sinnvoll, Kinder und Jugendliche von der Welt der Erwachsenen zu isolieren. Kinder und Jugendliche brauchen Eltern als Vertrauenspersonen, die bei Problemen und Fragen ansprechbar sind, ohne dass sie ein generelles Handy- oder Internetverbot befürchten müssen.

Veröffentlichungsdatum

Dr. Meike Isenberg ist Leiterin der Gruppe Medienpolitik und Forschung und stellvertretende Leiterin der Abteilung Medienpolitik und Innovation bei der Landesanstalt für Medien NRW.
Kontakt: info(at)medienanstalt-nrw.de 

 

Alle Links und Autorenangaben beziehen sich auf das Erscheinungsdatum der jeweiligen Druckausgabe und werden nicht aktualisiert.

Herausgebende Institution

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)

FORUM 1–2024

Jugend

Das Thema »Jugend« bildet den Schwerpunkt dieser Ausgabe des FORUM. In den Artikeln geht es um das Selbstbild Jugendlicher, ihre Lebenszufriedenheit – nach Corona und unter dem Eindruck multipler Krisen –, die Zunahme psychischer Belastungen sowie Einstellungen zu Partnerschaft, Familie und Kinderwunsch. Auch die Mediennutzung Jugendlicher, ihr Umgang mit Social Media und Themen wie Cybermobbing, Cybergrooming, Sexting, Konfrontation mit Pornografie etc. werden behandelt.
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