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FORUM 1–2024

Jugend online

Sabine Feierabend , Stephan Glöckler , Hediye Kheredmand , Thomas Rathgeb , Informationen zu den Autorinnen/Autoren
Seit nunmehr 25 Jahren liefert die JIM-Studie (Jugend, Information, Medien) regelmäßig repräsentative Daten zur Mediennutzung von Jugendlichen im Alter von 12 bis 19 Jahren. Herausgeber der Studienreihe ist der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest (mpfs), eine Kooperation der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK), der Medienanstalt Rheinland-Pfalz und des Südwestrundfunks (SWR). Für die aktuelle JIM-Studie 2023 wurden 1 200 Jugendliche im Frühsommer 2023 zu ihrer Mediennutzung befragt. Wenn auch Internet und Smartphone schon seit Jahren zum festen Bestandteil der jugendlichen Mediennutzung gehören, zeigt sich doch weiterhin eine Dynamik in den konkreten Nutzungsformen, sei es durch immer neue Social-Media-Angebote, die rasante Ausstattung der Haushalte mit Streaming-Abonnements, aber auch andere Einflüsse wie die Interessen der Jugendlichen.

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Ausstattung und Zugänge

Aktuell haben 86 % der Haushalte, in denen Jugendliche aufwachsen, ein Videostreaming-Abo. Digitale Zugänge sind über viele Optionen vorhanden: Neben einer annähernden Vollausstattung mit Computer oder Laptop, haben 83 % ein Smart-TV und 81 % ein Tablet zu Hause, zwei von fünf Haushalten verfügen über einen Smartspeaker. Der zentrale Internetzugang ist für Jugendliche das Smartphone, 96 % besitzen ein eigenes Smartphone, etwa drei Viertel haben einen PC oder Laptop, jede/r zweite Jugendliche hat ein Smart-TV im Zimmer.

Mediennutzung

Neben den konkreten Medientätigkeiten werden in der JIM-Studie auch andere Freizeitaktivitäten abgefragt. Am häufigsten ist hierbei das Treffen mit Freunden: 70 % geben an, sich regelmäßig – also zumindest mehrmals pro Woche – mit ihren Freudinnen und Freunden zu treffen. Dieser Wert liegt, wie auch der Besuch von Partys (hier bezogen auf den Zeitraum einmal im Monat), auf etwa demselben Niveau wie vor der Pandemie.

Betrachtet man die Mediennutzungshäufigkeit der Jugendlichen, zeigt sich erneut die zentrale Bedeutung des Smartphones: 93 % der Jugendlichen nutzen täglich ihr Smartphone, 88 % sind jeden Tag online. Etwa jede/r Zweite nutzt regelmäßig ein Tablet oder einen Sprachassistenten wie Alexa oder Siri. Was die einzelnen konkreten Medientätigkeiten betrifft, dominiert die Nutzung von Musik und Bewegtbildangeboten. 90 % hören mindestens mehrmals in der Woche Musik, 82 % der Jugendlichen sehen regelmäßig Online-Videos auf Plattformen wie You- Tube, drei Viertel sehen regelmäßig fern, kaum weniger nutzen Videostreaming-Dienste wie Netflix, Prime Video und Disney+ (71 %).

Ein weiterer Aspekt der Freizeitgestaltung sind digitale Spiele: 72 % spielen digital über die verschiedenen Möglichkeiten wie Smartphone, Tablet, PC oder Spielkonsole.

Auch klassische Medienangebote spielen im Alltag noch eine Rolle: 58 % der 12- bis 19-Jährigen hören regelmäßig Radio, gut ein Drittel der Jugendlichen liest in ihrer Freizeit gedruckte Bücher. Gedruckte Zeitschriften werden von 13 %, Tageszeitungen werden von etwa jeder/jedem Sechsten regelmäßig gelesen (11 % gedruckt, 9 % online) (siehe Abbildung 1).

Ein weiterer Indikator für die Mediennutzung von Heranwachsenden ist die Mediennutzungsdauer. Hierzu wurden die befragten Jugendlichen gebeten, ihre tägliche Online-Nutzungszeit einzuschätzen. Die Zeit, die Jugendliche im Netz verbringen, hat sich in den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt. Während der Corona-Pandemie ist diese Zeit stark gestiegen, was angesichts eines höheren Freizeitbudgets bei weniger Freizeitangeboten plausibel erscheint. So lag im Jahr 2019 die durchschnittliche Online-Nutzungszeit in der Freizeit von 12- bis 19-Jährigen nach eigener Einschätzung noch bei 205 Minuten pro Tag. Im Jahr 2020 stieg dieser Wert auf 258 Minuten an. 2021 lag die durchschnittliche Online-Zeit mit 241 Minuten pro Tag immer noch höher als vor der Pandemie. Erst im Jahr 2022 lag die durchschnittliche Online-Zeit bei 204 Minuten und damit wieder auf dem Niveau vor Beginn der Pandemie. In der aktuellen Studie 2023 liegt die Internetdauer mit 224 Minuten wieder 20 Minuten über dem Vorjahresniveau (siehe Abbildung 2).

Allerdings unterscheiden sich die von den Jugendlichen geschätzten Werte deutlich nach Alter und Geschlecht. Mädchen verbringen mit 213 Minuten weniger Zeit im Netz als Jungen (233 Min.), im Altersverlauf zeigt sich eine deutliche Steigerung mit zunehmendem Alter. So sind 12- bis 13-Jährige durchschnittlich 160 Minuten täglich im Netz, während 14- bis 15-Jährige bereits 209 Minuten und 16- bis 17-Jährige 252 Minuten im Internet verbringen. Ab 18 Jahren steigt die durchschnittliche Zeit dann auf 272 Minuten an. Auch das Bildungsniveau spielt eine Rolle: Jugendliche an Haupt- und Realschulen sind mit einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von 233 Minuten länger online als Jugendliche auf dem Gymnasium mit 213 Min.

Die wichtigsten Apps

Die zentrale Kommunikationsplattform für Jugendliche ist WhatsApp. Dies bestätigt sich unter anderem bei der offenen Abfrage nach den wichtigsten Apps auf dem Smartphone oder Tablet. WhatsApp ist hier mit 79 % Nennungen an erster Stelle. Mit deutlichem Abstand folgen auf den weiteren Plätzen Instagram (31 %), TikTok (25 %) und YouTube (25 %). Jede/r Fünfte zählt Snapchat zu den drei wichtigsten Apps. 15 % der Jugendlichen zählen Spotify zu den wichtigsten Apps und jeweils 7 % nennen Facebook und Google. Während Google und Facebook bei Jungen wie Mädchen gleichermaßen gefragt sind, haben Jungen eine deutliche Präferenz für YouTube, Mädchen hingegen nennen häufiger WhatsApp, Instagram, TikTok und Snapchat als ihre liebsten Angebote. Auch im Altersverlauf ergeben sich unterschiedliche Vorlieben. Abgesehen von WhatsApp, das für alle Altersstufen auf Platz eins liegt, votieren die Jüngeren häufiger für TikTok und Snapchat, die Älteren bevorzugen eher Instagram (siehe Abbildung 3). 

Bei der Frage nach der Nutzungshäufigkeit verschiedener Online-Angebote steht WhatsApp ebenfalls an erster Stelle, gefolgt von den Angeboten Instagram, TikTok und Snapchat. 84 % der Jugendlichen nutzen täglich WhatsApp, 43 % Instagram, 41 % Tik- Tok und 36 % sind täglich bei Snapchat unterwegs. Mit deutlichem Abstand folgen in der täglichen Nutzung dann Facebook (13 %), BeReal (12 %) und Discord (9 %). Auch bei der täglichen Nutzung zeigen sich, abgesehen von Facebook, deutliche Unterschiede in der Nutzungshäufigkeit von Jungen und Mädchen. Die derzeit relevanten Angebote werden alle von Mädchen häufiger genutzt. Auch Pinterest und BeReal finden bei Mädchen und jungen Frauen mehr Zuspruch. Jungen hingegen nutzen täglich häufiger Discord, Twitch und Twitter/X (siehe Abbildung 4).

Überdruss an digitaler Kommunikation

Die Bandbreite der täglich genutzten Kommunikationsplattformen und Social-Media-Angebote verdeutlicht, wie sehr Online-Anwendungen Teil des Alltags von Jugendlichen sind. Die Vielzahl an Optionen und Varianten, miteinander zu kommunizieren, wird nicht immer positiv wahrgenommen. 61 % der 12- bis 19-Jährigen empfinden das Handy oftmals als Zeitfresser. Mehr als jede/r Zweite genießt es, Zeit ohne Handy und Internet verbringen zu können. 37 % befürchten, etwas zu verpassen, wenn sie ihr Handy ausschalten, 36 % sind von den vielen Nachrichten auf ihrem Handy genervt. Ein Drittel der Befragten hat bereits eine Gegenstrategie entwickelt und nimmt sich bewusst Zeit für sich selbst, indem das Handy ausgeschaltet wird. Knapp jede/r Fünfte fühlt sich von den vielen Möglichkeiten von Social Media überfordert. Für 30 % macht es keinen Unterschied, ob sie mit ihren Freundinnen oder Freunden digital oder persönlich kommunizieren (siehe Abbildung 5).

Problematische Inhalte

Neben dem eigenen Nutzungsverhalten und dem Umgang mit dem großen Angebot an Kommunikation, Information und Unterhaltung sind auch die konkreten Inhalte nicht unproblematisch. Auch hier ist die Bandbreite von unangemessener persönlicher Kommunikation über Beleidigungen und Hate Speech bis hin zu Verschwörungserzählungen und Fake News sehr groß. Bezogen auf den letzten Monat sahen sich beispielsweise zwei Fünftel mit Verschwörungstheorien (40 %) und drei Fünftel (58 %) mit Fake News konfrontiert. Jungen geben etwas häufiger an, mit diesen Inhalten in Kontakt zu kommen, als Mädchen. Mit zunehmendem Alter der Jugendlichen steigt der Wert jeweils deutlich an (siehe Abbildung 6). Ob dies am veränderten Spektrum der genutzten Inhalte liegt oder an der möglicherweise größeren Kompetenz älterer Jugendlicher, die Inhalte als solche zu erkennen, oder einfach daran, dass die Nutzungsintensität im Alter deutlich steigt, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden.

Beleidigungen im Netz

Jede/r zweite Jugendliche ist innerhalb des letzten Monats vor der Befragung auf beleidigende Kommentare gestoßen und zwei von fünf Jugendlichen haben Hate Speech wahrgenommen. 14 % der Jugendlichen mussten allein im Zeitraum von vier Wochen persönliche Beleidigungen online erleben. Jungen und Mädchen sind hier in etwa gleich betroffen. Mit zunehmendem Alter wird die Betroffenheit durch persönliche Angriffe stärker; ein Fünftel der volljährigen Jugendlichen wurde innerhalb eines Montas im Netz persönlich beleidigt. Die Wahrnehmung genereller Anfeindungen wie beleidigender Kommentare und Hate Speech nimmt mit dem Alter deutlich zu (siehe Abbildung 7).

Konfrontation mit Pornografie

23 % der Jugendliche geben an, innerhalb des letzten Monats ungewollt mit pornografischen Inhalten konfrontiert worden zu sein. Zwischen Geschlecht und Bildung zeigen sich kaum Unterschiede, allerdings wird mit zunehmendem Alter deutlich häufiger sexueller Content wahrgenommen. Jede/r dritte volljährige Jugendliche hatte ungewollt Kontakt zu pornografischen Inhalten (siehe Abbildung 8).

Sexuelle Belästigung

Neben Beleidigungen und der Konfrontation mit ungeeigneten Inhalten ist auch sexuelle Belästigung ein Thema. Insgesamt haben 30 % der Jugendlichen schon einmal sexuelle Belästigung im Internet erleben müssen, Mädchen waren hier stärker betroffen als Jungen. 6 % der Jugendlichen gaben an, regelmäßig, also mindestens mehrmals pro Woche, sexuell belästigt zu werden, hier sind Jungen etwas stärker betroffen als Mädchen (siehe Abbildung 9). Nachgefragt, auf welchen Plattformen sexuelle Belästigung stattfindet, wurden vor allem Instagram, TikTok und Snapchat benannt, also die am meisten genutzten sozialen Netzwerke. Sexuelle Belästigung findet also oft im Alltag statt, im Kontext der üblichen Inhalte (siehe Abbildung 10).

Fazit

Insgesamt zeigen die Ergebnisse der JIM-Studie, dass Medien einen sehr großen Raum im Alltag von Jugendlichen einnehmen und sich die Mediennutzung sehr vielschichtig darstellt. Auch wenn das Smartphone Dreh- und Angelpunkt der Mediennutzung von Jugendlichen ist und überall und jederzeit zur Verfügung steht, gibt es darüber hinaus viele weitere Zugänge zu einem sehr umfangreichen Medienangebot. Allein das Portfolio der Bewegtbildangebote oder Social Media bieten eine Vielfalt von Medieninhalten, die Jugendlichen heute zur Verfügung stehen. Somit stellt sich die Mediennutzung sehr kleinteilig dar, jedes Angebot hat hierbei seine Spezifika, seine eigene Anmutung und Logik. Entsprechend komplex sind die Anforderungen an die jugendlichen Nutzerinnen und Nutzer, sich in diesem Umfeld zurechtzufinden. Angesichts der dargestellten vielschichtigen Probleme, mit denen Jugendliche im Netz konfrontiert sind, zeigt sich die große Notwendigkeit der Vermittlung von Medienkompetenz, um Jugendliche in ihrem Medienalltag zu begleiten und zu unterstützen. Insbesondere die Häufigkeit von persönlichen Beleidigungen und sexueller Belästigung zeigt den dringenden Bedarf an konkreten Hilfs- und Beratungsangeboten für betroffene Jugendliche.

Veröffentlichungsdatum

Sabine Feierabend, Medienforschung und Analytics Südwestrundfunk (SWR)
Kontakt: sabine.feierabend(at)swr.de

Stephan Glöckler, Medienanstalt Rheinland-Pfalz
Kontakt: gloeckler(at)medienanstalt-rlp.de

Hediye Kheredmand, Geschäftsstelle Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg
Kontakt: h.kheredmand(at)lfk.de

Thomas Rathgeb, Abteilungsleiter Medienkompetenz, Jugendschutz und Forschung, Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg
Kontakt: t.rathgeb(at)lfk.de 

 

Alle Links und Autorenangaben beziehen sich auf das Erscheinungsdatum der jeweiligen Druckausgabe und werden nicht aktualisiert.

Herausgebende Institution

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)

FORUM 1–2024

Jugend

Das Thema »Jugend« bildet den Schwerpunkt dieser Ausgabe des FORUM. In den Artikeln geht es um das Selbstbild Jugendlicher, ihre Lebenszufriedenheit – nach Corona und unter dem Eindruck multipler Krisen –, die Zunahme psychischer Belastungen sowie Einstellungen zu Partnerschaft, Familie und Kinderwunsch. Auch die Mediennutzung Jugendlicher, ihr Umgang mit Social Media und Themen wie Cybermobbing, Cybergrooming, Sexting, Konfrontation mit Pornografie etc. werden behandelt.
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