Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat angekündigt, bis Sommer 2024 einen »Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen« zu erarbeiten. In einem partizipativen Prozess, unter anderem mit Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderung aus ganz Deutschland, sollen realistische und umsetzbare Ziele und Maßnahmen identifiziert werden. Ein Grund: Ärztliche Praxen und andere Gesundheitseinrichtungen sind häufig nicht barrierefrei, sodass Menschen mit Behinderung bisweilen weite Wege für ihre gesundheitliche Versorgung auf sich nehmen müssen und die freie Arztwahl faktisch nicht gegeben ist. Im vorliegenden FORUM wird dieses Thema im Beitrag über die gynäkologische Versorgung von Frauen mit Behinderung aufgegriffen.
Das Thema Behinderung und Barrierefreiheit ist auf der Agenda, aber heißt das auch, dass es Fortschritte bei der sexuellen Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung gibt? Diese Frage und denkbare Lösungsansätze werden einführend von Jennessen, Krüger und Nitsche diskutiert.
Die Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs will die Erfahrungen und Forderungen von Menschen mit Behinderung stärker berücksichtigen, die von sexualisierter Gewalt in hohem Maße betroffen sind. 2021 ist ein Pilotprojekt zur Anhörung gestartet, dessen Ergebnisse vorliegen.
Über das BZgA-geförderte und 2023 abgeschlossene Projekt »ReWiKs« wird ausführlich berichtet. Ziele und Erkenntnisse aus Gruppenarbeit, Fortbildungen und Materialentwicklung werden von Forschenden der Humboldt-Universität zu Berlin und der Katholischen Hochschule NRW vorgestellt. Weiter geht es mit »herzfroh 2.0«, einem internationalen Kooperationsprojekt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und der Hochschule Luzern, das 2024 seinen Abschluss finden wird. Ziel des Projektes ist, Materialien zur Sexualaufklärung zu entwickeln, die sich junge Menschen mit Lernschwierigkeiten selbstständig erschließen können.
Um den Schutz von Jugendlichen mit Behinderung vor sexualisierter Gewalt in Institutionen geht es im Modellprojekt »BeSt – Beraten und Stärken«. Die Implementierung von Schutzkonzepten braucht, neben engagierten Leitungskräften, fundierte Konzepte zur Organisationsentwicklung. Sie wurden im Projekt erarbeitet und erprobt.
Kinder und Jugendliche mit Hörbehinderung oder Taubheit sind häufiger von sexualisierter Gewalt betroffen als ihre hörenden Peers. Das Projekt »DigGaH« erforscht sexualisierte Gewalt gegenüber der Zielgruppe im digitalen Raum und Angebote zur Prävention und Fortbildung. Das Projekt »MELiSSE« von pro familia befasst sich mit den Bedarfen im Bereich sexuelle Selbstbestimmung und sexuelle Gesundheit von Menschen mit Behinderung in Sachsen. Im Projekt wurden u.a. Schulungen und Workshops zur Sensibilisierung von Fachkräften durchgeführt und evaluiert.
Die Ergebnisse eines von der BZgA beauftragten Forschungsprojekts zeigen, wie sich Sexualaufklärung an Grund- und Förderschulen aus Sicht von Förderpädagoginnen und -pädagogen darstellt, welche Fragen und Bedarfe Schülerinnen und Schüler haben und wie sich die Kooperation mit den Eltern bei dem Thema gestaltet. Zu sozialen Beziehungen von Jugendlichen mit Behinderung, u.a. zu Freundschaft, Partnerschaft und Zufriedenheit, hat das Deutsche Jugendinstitut (DJI) geforscht. Die Ergebnisse unterscheiden sich nach der Form der Beeinträchtigung und zeigen, dass ein differenzierter Blick notwendig ist, um die Jugendlichen gezielt ansprechen und fördern zu können.
Um Jugendsexualität im Kontext von Taubheit und Hörbehinderung sowie um Gewaltschutz in der Eingliederungshilfe geht es in den beiden Projektskizzen am Ende dieser Ausgabe.