Evaluation Kondomstarterset: Feedback von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrerinnen und Lehrern in Deutschland
- Artikel
- Bibliografische Daten
- Autorinnen/Autoren
- Gesamtausgabe
Studiendesign/Methodik
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat im Rahmen einer Kooperation mit dem Kondomhersteller Durex ein Kondomstarterset entwickelt. Mittels des Sets werden Jugendliche für den Kondomgebrauch sensibilisiert. Sie erhalten Informationen zu verschiedenen Größen und Passformen von Kondomen und es werden Hemmschwellen beim Umgang mit Kondomen abgebaut. Das Set enthält Kondome in verschiedenen Größen, ein Kondometer zur Größenbestimmung, ein Daumenkino und eine Gleitgel probe. Die Sets können im Rahmen der Sexualaufklärung im Schulunterricht eingesetzt werden.
Die BZgA untersuchte mit der Evaluation, ob die Startersets für die Zielgruppe ansprechend sind, wie sie beurteilt werden und am besten im Schulkontext zur Verfügung gestellt werden können. Dazu wurden Schülerinnen und Schüler zwischen 12 und 18 Jahren sowie in einer separaten Studie auch Lehrerinnen und Lehrer befragt.
Befragung der Schülerinnen und Schüler
Um den Schülerinnen und Schülern einen geschützten und anonymen Raum für die Befragung zu geben, wurde eine Market Research Online Community (MROC) ein gerichtet. Dazu erhielten die Teilnehmenden den Link zu einer zum Zwecke der Studie speziell programmierten, zeitlich begrenzten, geschützten und nicht-öffentlichen Online-Plattform, auf der sie sich anonym austauschen konnten.
Die Community war vom 9. bis zum 12. März 2021 freigeschaltet. An diesen vier Tagen wurden 14 Diskussionsforen, vier Individualaufgaben sowie ein Feedbackbogen bearbeitet.
Es haben 24 Jungen und 18 Mädchen in den Altersgruppen 12– 15 Jahre (n = 20) sowie 16– 18 Jahre (n = 22) teilgenommen – verteilt auf 12 Bundesländer, gemischt aus städtischen und ländlichen Regionen sowie aus unterschiedlichen Schultypen (inkl. Berufs- und Fachoberschulen).
Befragung der Lehrerinnen und Lehrer
An der Befragung nahmen n = 105 Lehrpersonen bundesweit teil. Die Interviews fanden per Videointerview oder persönlich unter entsprechenden Hygienemaßnahmen statt (per CAPI = Computer Assisted Personal Interview). Den Befragten wurde das Kondomstarterset vor dem Interview zur Verfügung gestellt.
74 Prozent der befragten Personen waren weiblich, 26 Prozent männlich. Von 40 Prozent der Teilnehmenden werden die Themen der Sexualaufklärung und der sexuellen Gesundheit mehrmals im Schuljahr im Unterricht behandelt. Lediglich 11% behandelten die Themen noch nicht, planen es aber für die Zukunft.
Zentrale Ergebnisse
Ergebnisse der Schülerinnen- und Schülerbefragung
Fast alle Schülerinnen und Schüler reagierten sehr positiv auf den Erhalt des Kondomstartersets. Sie erkannten dessen Zielsetzung sofort richtig und bewerteten es insgesamt überwiegend sehr gut (es wurden ausschließlich die Schulnoten 1 und 2 vergeben). Auch waren sie direkt zu einer genaueren Beschäftigung mit dem Kondomstarterset motiviert:
»Aber das … das hätte ich nie, wirklich NIE erwartet. Es ist einfach nur megacool gemacht« (Schüler). »Ich finde, es ist eine coole Idee, so bringt man Jugendlichen etwas auf eine lockere Art bei, und es ist superhilfreich« (Schülerin).
Zu den zentralen Likes zählten insbesondere das als sehr gelungen erlebte Design und die Farbgestaltung des Sets (»überraschend cool«). Alle Bestandteile wurden als nützlich, informativ und hilfreich bewertet.
39 Prozent der Schülerinnen sprachen sich dafür aus, die Mädchenperspektive im Kondomstarterset stärker zu berücksichtigen, da der Kondomgebrauch häufig besonders mit Jungen assoziiert wird (z. B. weiblicher Umgang mit Kondomen, Relevanz des Sets auch für Mädchen, Verhütung etc.).
Einsatz im Unterricht
Die Schülerinnen und Schüler gaben an, dass das Set am besten für die Altersgruppe 14– 16 Jahre geeignet sei, es wird als sinnvolle Ergänzung zur schulischen Aufklärungsarbeit angesehen. Jedoch wurden einige Bedingungen zur Verwendung des Kondomstartersets genannt, die den Schülerinnen und Schülern wichtig sind (hier waren die jüngeren Teilnehmenden stärker auf Diskretion bedacht als die älteren):
- Einsatz frühestens ab Klasse 6, besser Klasse 7
- Vor der Verwendung des Kondomstartersets im Unterricht
sollte es von der Lehrperson angekündigt werden. - Evtl. Besprechung in getrennten Geschlechtergruppen
Außerdem wurde deutlich, dass sich die Jugendlichen gern zunächst allein ausführlich mit dem Set beschäftigen würden (ohne öffentlichen Rahmen wie in der Schule).
70 bis 75 Prozent der Schülerinnen und Schüler gaben an, dass das Set zur Kondomnutzung motiviert. Etwa 30 Prozent gaben an, dass sie es nicht als geeignetes Mittel betrachten, um Sprechhemmungen zum Thema zu überwinden. Es würde auch nicht unbedingt mit Freunden über das Kondomstarterset gesprochen werden. Die Mehrheit würde es aber auf jeden Fall in der Peergroup weiterempfehlen.
Alle befragten Personen gaben an, dass das Kondomstarterset ganz klar NICHT zu promiskuitivem Verhalten motiviert.
Das Thema Größe und Verarbeitung des Sets spielte bei Jugendlichen eine sehr große Rolle: Es soll gut verstaubar und auch zu Hause gut aufzubewahren sein. Und es dürfe nichts versehentlich herausfallen. Die Schülerinnen und Schüler wünschen sich daher ein kleineres, kompakteres und damit für sie »diskreteres« Starterset, das in den Schulranzen passt.
Ergebnisse der Befragung der Lehrerinnen und Lehrer
Der erste Eindruck der Lehrpersonen war sehr positiv: 80 Prozent bewerteten das Kondomstarterset insgesamt mit »gut« bis »sehr gut«. Für ebenfalls 80 Prozent der Befragten enthält das Set genau den richtigen Umfang an Materialien. Zu den zentralen Likes zählten besonders die Übersichtlichkeit, die leichte Verständlichkeit und der Informationsgehalt. Negative Bewertungen wie »peinlich« oder »geschmacklos« kamen kaum vor. Darüber hinaus gaben 80 Prozent der Lehrpersonen dem Design eine (sehr) gute Bewertung.
Geeignete Einsatzbereiche
80 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer betrachteten das Kondomstarterset für den Einsatz an Schulen als (sehr) geeignet. Die Mehrheit der Befragten gab an, das Set künftig (sehr) wahrscheinlich im Unterricht im Rahmen von Projektarbeit oder im Rahmen einer Unterrichtseinheit zum Thema Sexualaufklärung und sexuelle Gesundheit einzusetzen. Als geeignete Zielgruppe wurden von der Mehrheit der Lehrerpersonen 14- bis 16-Jährige genannt.
80 Prozent der Befragten würden das Set (sehr) wahrscheinlich weiterempfehlen. Die Adressatinnen und Adressaten sind neben Kolleginnen und Kollegen vor allem Beratungsstellen und Einrichtungen der Jugendarbeit.
Fazit
Beide Zielgruppen waren sich einig: Das Kondomstarterset ist bezüglich des Designs sehr ansprechend. Fast alle Jugendlichen gaben an, dass sie zum Thema Kondome und Kondomgebrauch (sehr) gut informiert wurden. Nahezu alle Lehrpersonen hielten es für nützlich und informativ, daher würden es die meisten von ihnen im Unterricht ein setzen. Da es sich um ein reines Medium zur Information zum Thema Kondomnutzung handelt, wurden Informationen zu weiteren Verhütungsmethoden vermisst. Diese könnten ergänzt oder es könnte auf sie verwiesen werden.
Zudem zeigte sich, dass das Thema Sexualität und Verhütung bei den Jugendlichen mit Scham besetzt ist. Die Jugendlichen möchten gern alles vermeiden, was sie in eine »peinliche« Situation bringen könnte. Hierzu zählt auch, dass sie vor anderen (vor Fremden, aber auch vor den Eltern) nicht mit einem Kondomstarterset (oder den Bestandteilen) »erwischt« werden möchten. Daher wünschten sie sich ein kleines Starterset, das sich gut transportieren und verstauen lässt.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Kondom starterset für die Zielgruppen sowohl ansprechend als auch informativ ist. Von Lehrpersonen kann es niedrigschwellig in den Unterricht eingebunden werden und es wird auch für weitere Kontexte empfohlen. Hier ist zu überlegen, wie Lehrpersonen weitere Unterstützung angeboten werden kann.
Beitrag herunterladen
Sie können den Beitrag als PDF-Datei herunterladen und öffnen.
Zitation
Dulinski, U. & Schmidt-Cox, V. (2021). Evaluation Kondomstarterset: Feedback von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrerinnen und Lehrern in Deutschland, FORUM Sexualaufklärung und Familienplanung: Informationsdienst der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 1, 37-39.
Veröffentlichungsdatum
Dr. Ulrike Dulinski
ist Head of Health & Pharma beim IFAK Institut, Markt- und Sozialforschung Taunusstein.
Kontakt: Dr.Ulrike.Dulinski(at)ifak.com
Volker Schmidt-Cox
ist Wissenschaftlicher Referent im Referat S1 – Sexualaufklärung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
Kontakt: volker.schmidt(at)bzga.de
Alle Angaben zu Links und Autorinnen/Autoren beziehen sich auf das Erscheinungsdatum der jeweiligen Druckausgabe und werden nicht aktualisiert.
Herausgebende Institution
Artikel der Gesamtausgabe
- Nicht jede Evaluation ist eine gute Evaluation.
- Der Public Health Action Cycle als Rahmen für die Qualitätsentwicklung
- Mediennutzung in der Sexualaufklärung und Familienplanung
- Die Sex & Tipps-Broschüren der BZgA
- »Liebesleben – Das Mitmach-Projekt« als Beispiel guter Praxis zur Entwicklung komplexer personalkommunikativer Maßnahmen
- Fortbildungsnetz sG. Datenbank für Fortbildungsangebote zu sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend
- Qualitätsmanagement im Projekt ReWiKs
- Projekt »Herzfroh 2.0«: Kieler Bildungsfachkräfte beraten als Expertinnen und Experten in eigener Sache
- Evaluation eines Qualitätsentwicklungsprojekts in den Frühen Hilfen.
- Evaluation Kondomstarterset: Feedback von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrerinnen und Lehrern in Deutschland
- Projektskizzen: Verhütungsinformationen in Sozialen Medien: Wichtig, aber auch richtig?
- Projektskizzen: Toolbox zur Evaluation von E-Health-Angeboten
- Projektskizzen: Relaunch und Evaluation von Loveline
- Projektskizzen: Evaluation der interprofessionellen Zusammenarbeit in den Frühen Hilfen – die P.A.T.H.-Studie des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen
- Projektskizzen: Die Methodik des Social Listening als ein Element der Qualitätssicherung
- Projektskizzen: Evaluation der Willkommensbesuche im Rahmen Früher Hilfen
- Infothek - Ausgabe 01/2021