Erasmus+ Projekt: Sexualaufklärung für Jugendliche und junge Erwachsene mit Fluchthintergrund
Hintergrund
2015 stieg die Zahl an Personen mit Fluchthintergrund in Europa signifikant an. Viele europäische Länder haben zu diesem Zeitpunkt eine hohe Anzahl an minderjährigen Geflüchteten bei sich aufgenommen, die heute zum Großteil im Jugendalter oder schon junge Erwachsene sind. Viele von ihnen sind ohne Familien nach Europa gekommen, und somit fehlt ihnen eine Hauptbezugsgruppe, von der Jugendliche in der Regel ihre Informationen über Sexualität und damit verwandte Themengebiete beziehen.
Kulturelle und/oder religiöse Hintergründe können dazu führen, dass sexuelle Themen verschwiegen und tabuisiert werden oder mit Mythen behaftet sind. Der niederschwellige Zugang zu evidenzbasierten Informationen ist wichtig, damit Gesundheitskompetenzen gefördert werden und die sexuelle und reproduktive Gesundheit erhalten wird. Durch diese Informationen wird die Zielgruppe zu einem sicheren und verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Sexualität befähigt. Oft fehlt es an Bewusstsein, Konzepten und/oder Materialien in der Jugendarbeit, die auf die Bedürfnisse der Jugendlichen mit Fluchthintergrund zugeschnitten sind, oder es gibt einen zu geringen (Informations-) Austausch zwischen den Stakeholdern.
Um die sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu fördern, hat die BZgA in Kooperation mit zwei Partnerorganisationen aus Serbien und der Türkei ein »Erasmus+«-Small-Scale-Projekt1 eingereicht, das mit 60.000 Euro von der EU gefördert wird.
Zielsetzungen
Die Stärkung der Gesundheitskompetenzen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Fluchthintergrund durch sexuelle Bildung steht im Vordergrund des Projekts. Durch folgende Anätze soll dies erreicht werden:
Eine Sensibilisierung für die Wichtigkeit der Thematik im Bereich der Jugendarbeit sowie staatlicher Institutionen wird angestrebt, die wiederum ein Anstoß sein soll, im eigenen Land aktiv zu werden.
Häufig gibt es vereinzelte Initiativen, Webseiten und Ähnliches, die jedoch nicht national oder international bekannt sind. Durch einen transnationalen Wissenstransfer und Vernetzungen sollen Informationsquellen, Initiativen, Materialien u. ä leichter zugänglich gemacht werden, damit auch andere Einrichtungen sie nutzen und die Zielgruppe davon profitieren kann.
Durch das Erfassen, Sammeln und Zugänglichmachen von Methoden und Angeboten im Bereich Sexualaufklärung für Jugendliche und junge Erwachsene mit Fluchthintergrund werden Handlungsmöglichkeiten auf nationaler und transnationaler Ebene bereitgestellt. Damit einhergehend wird das Wissensangebot für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren erhöht. Dies soll die Entwicklung und Weitergabe von Methoden fördern, die dazu dienen, die Zielgruppen zu erreichen.
Das »Erasmus+«-Projekt setzt sich zum Ziel, europäische Länder zu motivieren, die Förderung von Sexualaufklärung für Jugendliche mit Fluchthintergrund sicherzustellen und entsprechende Angebote zu schaffen.
Umsetzung
Das »Erasmus+«-Projekt startet im Herbst 2023, hat eine Laufzeit von zwei Jahren und wird durch die BZgA koordiniert. Neben Deutschland sind die Partnerländer Serbien und die Türkei, vertreten durch NGOs, mit Unterstützung der UNFPA-Länderbüros (UNFPA = United Nations Population Fund), Teil des Projekts.
Nach einem transnationalen Austausch wird in jedem Projektland ein nationales Treffen mit allen relevanten Stakeholdern aus den Bereichen Jugend-, Gesundheits-, Bildungs- und Integrationsarbeit und Mitgliedern aus den Communities organisiert. Diese Treffen werden einen Einblick in die aktuellen nationalen Situationen geben sowie eine Plattform für den Austausch von best practices und lessons learned bieten. Auf Grundlage der Erkenntnisse aus den nationalen Treffen wird ein internationaler Fachaustausch zum Thema Sexualaufklärung für Jugendliche und junge Erwachsene mit Fluchthintergrund organisiert, deren Zielgruppe Fachleute aus ganz Europa sind.
Es ist geplant, aus der Sammlung der best practices sowie lessons learned und den Ergebnissen des Fachaustauschs eine Publikation für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie eine Roadmap mit Beratungsmöglichkeiten für die Zielgruppe zu erstellen.
Ziel ist es, in allen Partnerländern und europaweit adäquate Methoden und Materialen für Sexualaufklärung für Jugendliche und junge Erwachsene mit Fluchthintergrund zur Verfügung zu stellen, die Organisationen, Institutionen, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren bei ihrer Arbeit im Bereich sexuelle Gesundheit und Empowerment für die Zielgruppe unterstützen.
Fußnoten
1 Small Scale bezieht sich auf den Förderumfang des Projekts.
Zitation
Marquardt, J. (2023). »Erasmus+«-Projekt: Sexualaufklärung für Jugendliche und junge Erwachsene mit Fluchthintergrund, FORUM Sexualaufklärung und Familienplanung: Informationsdienst der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 1, 103–104.
Veröffentlichungsdatum
Johanna Marquardt ist wissenschaftliche Referentin im Referat Q1 - Aufgabenplanung, Grundsatzfragen, Transfer, Internationale Beziehungen in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
Kontakt:
johanna.marquardt(at)bzga.de
Alle Links und Autorenangaben beziehen sich auf das Erscheinungsdatum der jeweiligen Druckausgabe und werden nicht aktualisiert.
Herausgebende Institution
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
Artikel der Gesamtausgabe
- Geschlechterrollen, Hausarbeit, Paarkonflikte. Ein erster Blick in „FReDA – das familiendemografische Panel"
- Die Sicht der Eltern auf die Sexualaufklärung ihrer Kinder
- Ungewollte Schwangerschaften im Lebenslauf – Ergebnisse der Studie „frauen leben 3“
- Reproduktionspolitik im Ländervergleich: Eine neue internationale Datenbank
- Pioneering Change: ANSER's Impact Linking Research and Policy on Sexual and Reproductive Health
- Online-Videos zum Schwangerschaftsabbruch: Anbieter, Botschaften und Publikumsreaktionen
- KisS: Ein Programm zur Vermeidung sexueller Aggression bei jungen Erwachsenen
- Sexualisierte Gewalt in der Jugendphase − ein Vergleich dreier repräsentativer Studien
- „Wie geht’s euch?“ Psychosoziale Gesundheit und Wohlbefinden von LSBTIQ*
- Erfahrungen mit §219-Beratung per Telefon oder Video. Sichtweisen von Klientinnen
- Relevanz der sexuellen Rechte in der familiären und schulischen Sexualaufklärung der Schweiz
- Schulische Sexualerziehung aus Adressat*innenperspektive
- Erschwerter Zugang zu Verhütung in den Asylzentren: Perspektiven von geflüchteten Frauen in der Schweiz
- Die EMSA-Studie – Erstes Mal, Menstruation und Schwangerschaftsabbruch in Sozialen Medien
- Sexualaufklärung in der Grundschule. Eine Lehrkräftebefragung im Mixed Methods-Design
- Das EU-Projekt »PERCH«: Gemeinsam gegen HPV-bedingten Krebs
- Erasmus+ Projekt: Sexualaufklärung für Jugendliche und junge Erwachsene mit Fluchthintergrund
- »Safe Clubs« − Ein Transferprojekt zur Prävention sexualisierter Gewalt im Sport
- Unheilbar queer? Konversionsbehandlungen in Deutschland erforschen – eine Annäherung
- Lebenssituation, Sicherheit und Belastung im Alltag (LeSuBiA)
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