Die Sicht der Eltern auf die Sexualaufklärung ihrer Kinder
Ergebnisse der BZgA-Studie zur Jugendsexualität
Seit 1980 führt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) regelmäßig die Repräsentativbefragung »Jugendsexualität« durch. Dieses kontinuierliche Monitoring generiert Erkenntnisse zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit von jungen Menschen in Deutschland, die eine wichtige Basis evidenzbasierter Gesundheitskommunikation darstellen. Bestandteil dieser Studienreihe ist auch eine Befragung der Eltern. Ergebnisse dieser Elternbefragung aus der neunten Welle der Jugendsexualitätsstudie werden hier vorgestellt.
Die BZgA-Studie zur Jugendsexualität
Seit 1992 ist die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) durch das Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) beauftragt, Konzepte zur Sexualaufklärung zu entwickeln und Informationen zur Verhütung bundesweit kostenfrei zur Verfügung zu stellen (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung [BZgA], 2016). Diese Materialien der Sexualaufklärung erreichen die Zielgruppen direkt oder werden von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Rahmen von Angeboten der Sexualaufklärung und sexuellen Bildung eingesetzt. Zur Evaluation und Ausrichtung dieser Maßnahmen und Angebote haben die Durchführung und Förderung von großen repräsentativen Studien eine lange Tradition in der BZgA. Ein bedeutendes Monitoring-Instrument ist in diesem Zusammenhang die repräsentative Querschnittbefragung zur Jugendsexualität, die seit 1980 regelmäßig durchgeführt wird. Anhand dieser Studiendaten können Informationen über das jeweils aktuelle Sexual- und Verhütungsverhalten junger Menschen sowie Merkmale der Sexualaufklärung gewonnen werden (Scharmanski & Hessling, 2021b, 2022a).
Da im Kontext der Sexualaufklärung junger Menschen das Elternhaus eine zentrale Säule darstellt (Scharmanski & Hessling, 2021c) und elterliche Sexualaufklärung in positivem Zusammenhang mit einer sicheren Sexualität ihrer Kinder steht (Döring, Walter & Scharmanski, in Vorbereitung), ist die Perspektive der Eltern auf Sexualität und Verhütung ihrer Kinder von großer Bedeutung (siehe auch den Beitrag von Kunz & Koschmieder in diesem FORUM). Dieser Beitrag stellt die Ergebnisse der Elternbefragung, die Bestandteil der Studie zur Jugendsexualität ist, in den Mittelpunkt.
Bevor nachfolgend die zentralen Ergebnisse der Elternbefragung kurz und prägnant dargestellt werden, noch der Hinweis, dass aufgrund der Methodik der Jugendsexualitätsstudie vor allem die aktuelle Situation und Trendentwicklungen der vergangenen 40 Jahre deskriptiv aufgezeigt werden. Annahmen über mögliche Ursachen, die diese Entwicklungen beeinflusst haben könnten, sind auf Basis der vorliegenden Daten nur begrenzt möglich. Hier sind weitere Forschungsprojekte notwendig, die mögliche Ursachen und Kausalzusammenhänge im Sinne von Ursache-Wirkung-Beziehungen in den Fokus rücken.
Im Rahmen der 9. Welle der Jugendsexualitätsstudie wurden von Mai bis Oktober 2019 insgesamt 2.422 Erziehungsberechtigte von Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren befragt, die ebenfalls an der Befragung teilgenommen haben. Es wurde angestrebt, dass die Fragen bei den Mädchen möglichst von der Mutter, bei den Jungen vom Vater beantwortet werden, was auch in den meisten Fällen gelang: Bei den Mädchen nahm zu 99 % die Mutter an der Befragung teil, bei den Jungen zu 89 % der Vater.
Im Rahmen der repräsentativen Wiederholungsbefragung zur Jugendsexualität wird das bei Geburt zugewiesene Geschlecht der Jugendlichen und deren Eltern in den Ausprägungen »männlich« und »weiblich« erfasst. Aufgrund der methodischen Anlage der Studienreihe muss auf eine weitere nonbinäre Ausdifferenzierung des Geschlechts verzichtet werden. Dieses Vorgehen ist ausschließlich auf die methodische Notwendigkeit und nicht auf eine nicht vorhandene diversitätssensible Perspektive zurückzuführen.
Um sicherzustellen, dass die Ergebnisse mit vorangegangenen Trendwellen vergleichbar sind, wurden nur Eltern von Jugendlichen ohne Einwanderungsgeschichte in die Befragung eingeschlossen, d. h., die Eltern sind in Deutschland geboren bzw. haben seit Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Befragung wurde in Form eines mündlichen Interviews im häuslichen Umfeld durchgeführt.
Die Sicht der Eltern auf die Sexualität ihrer Kinder
Sprechen Eltern mit ihren Kindern über Sexualität?
Für junge Menschen sind Gespräche mit den Eltern eine der wichtigsten Quelle für Wissen und Beratung rund um Sexualität und Verhütung (Scharmanski & Hessling, 2022a).
In der Jugendsexualitätsstudie wurden Eltern und Jugendliche gleichermaßen gefragt, inwiefern Sexualität und Partnerschaft in ihrer Familie thematisiert werden. In der Mehrzahl der Familien wird nach Angaben der Jugendlichen offen über Sexualität und Partnerschaft gesprochen: 70 % der 14- bis 17-Jährigen ohne Einwanderungsgeschichte geben dies an (Scharmanski & Hessling, 2021c).
Werden die Einschätzungen von Eltern und ihren Kindern miteinander verglichen (siehe Abbildung 1), so zeigt sich, dass die Eltern die Kommunikationsoffenheit bei Sexual- und Partnerschaftsthemen in der eigenen Familie etwas größer einschätzen als die Jugendlichen. Zwischen den Einschätzungen der Eltern und ihrer Kinder klafft eine Lücke von 5 (Mädchen und ihre Eltern) bzw. 6 Prozentpunkten (Jungen und ihre Eltern).
Wie stehen Eltern zu sexuellen Kontakten von Minderjährigen?
Auch wenn sowohl Eltern als auch Jugendliche von einer überwiegend offenen Kommunikationsatmosphäre im Hinblick auf Sexualität und Partnerschaft in der Familie berichten, ist die Frage nach der Einstellung der Eltern gegenüber konkreten sexuellen Handlungen von Minderjährigen eine andere. In den aktuellen Daten der Elternbefragung zeigt sich deutlich, dass der Anteil an Eltern, die grundsätzlich gegen Sexualkontakte von minderjährigen Mädchen sind, in den vergangenen fünf Jahren angestiegen ist – von 13 % im Jahre 2014 auf 25 % 2019 (siehe Abbildung 2). Damit liegt der Anteil der Eltern, die sich gegen Sexualkontakte von Jugendlichen unter 18 Jahren aussprechen, wieder auf dem Niveau von vor knapp 30 Jahren. Bei den Jungen ist eine vergleichbare Entwicklung zu beobachten, jedoch auf niedrigerem Niveau (2014: 10 % gegenüber 20 % im Jahr 2019).
Die Sicht der Eltern auf die Verhütungsberatung ihrer Kinder
Beraten Eltern ihre Kinder zur Verhütung?
Die Mehrheit der Eltern zwischen 14 und 17 Jahren hat ihre Tochter oder ihren Sohn schon einmal ausführlich über Möglichkeiten der Verhütung beraten. Die Verhütungsberatung erfolgt meistens durch das gleichgeschlechtliche Elternteil. So geben drei von vier Mädchen-Müttern (75 %) an, ihre Töchter entsprechend beraten zu haben, unter den Jungen-Vätern sind es mit 66 % spürbar weniger. Beratungen durch gegengeschlechtliche Elternteile sind deutlich seltener (jeweils unter 60 %).
Zwar bewegt sich die elterliche Verhütungsberatung bei Söhnen insgesamt nach wie vor auf einem niedrigeren Niveau als die bei Töchtern (65 % gegenüber 75 %), in den letzten Jahrzehnten ist hier jedoch eine Annäherung erfolgt – wenn man vom Ergebnis für das Jahr 2014 absieht (siehe Abbildung 3).
Die konkreten Verhütungsempfehlungen der Eltern orientieren sich vor allem am Geschlecht ihrer Kinder. Fast alle Jungen-Eltern empfehlen ihren Söhnen die Nutzung des Kondoms (93 %). Darunter finden sich 59 %, die zum Kondom als ausschließlicher Verhütungsmethode raten. Die Pille spielt in der Beratung der Jungen eine untergeordnete Rolle: 36 % der Eltern empfehlen die Pille, als allein geeignetes Verhütungsmittel wird die Pille nur von 4 % der Jungen-Eltern angesehen.
Bei den Mädchen-Eltern ist es umgekehrt. Hier spielt die Pille die zentrale Rolle: 73 % der Eltern empfehlen sie ihren Töchtern. Zur ausschließlichen Nutzung wird sie der Tochter in jeder dritten Familie empfohlen (32 %). Dafür raten mehr Mädchen-Eltern ihren Töchtern zu einer kombinierten Nutzung zusammen mit dem Kondom (40 %), als dies bei Jungen-Eltern der Fall ist (32 %). Insgesamt appellieren 60 % der Mädchen-Eltern zur Verwendung eines Kondoms, zur ausschließlichen Nutzung eines Kondoms raten lediglich 20 %.
Auffallend ist, dass die konkrete Verhütungsempfehlung durch die Eltern mit der (angenommenen) sexuellen Aktivität der Kinder variiert. Mädchen, deren Eltern sicher zu wissen glauben, dass sie sexuell aktiv sind, erhalten häufiger die elterliche Pillenempfehlung (83 %) als jene Mädchen, von denen die Eltern annehmen, dass ihre Tochter vermutlich oder bestimmt noch keine sexuelle Beziehung eingegangen ist (jeweils 71 %). Noch stärker zeigt sich dieser Effekt für die Jungen-Eltern, wenngleich auf niedrigerem Niveau: Söhne, deren Eltern sicher zu wissen glauben, dass sie sexuell aktiv sind, erhalten häufiger die elterliche Pillenempfehlung (55 %) als die Jungen, von denen die Eltern vermuten oder als sicher annehmen, dass ihr Sohn noch keine sexuelle Beziehung eingegangen ist (37 % bzw. 32 %).
Zusätzlich spielt bei der elterlichen Kontrazeptionsberatung der Mädchen die (Kupfer-)Spirale noch eine größere Rolle (10 % der Fälle). Zur Anwendung kommen (Kupfer-)Spiralen bei den Töchtern jedoch nur äußerst selten: Nur 1 % der minderjährigen Mädchen, die schon Geschlechtsverkehr hatten, gibt an, bereits Erfahrung mit dieser Verhütungsmethode gesammelt zu haben (Scharmanski & Hessling, 2021b).
Hat sich die Verhütungsempfehlung der Eltern in den letzten Jahren verändert?
Dass junge Frauen in den letzten Jahren deutlich seltener zur Pille greifen, belegen auch die Daten aus der Jugendsexualitätsstudie (Scharmanski & Hessling, 2021b). Nimmt man die Ergebnisse der Elternbefragung in den Blick, so zeigt sich, dass nicht nur die Mädchen seltener mit der Pille verhüten, sondern auch die Eltern der Mädchen die Pille seltener zur Verhütung empfehlen.
Obwohl immerhin noch sieben von zehn Mädchen-Eltern (73 %) ihren Töchtern im Rahmen der Verhütungsberatung zur Verwendung der Pille raten, ist der Anteil im Vergleich zur letzten Befragungswelle deutlich rückläufig (siehe Abbildung 4).
Positiv in der längerfristigen Trendentwicklung ist, dass im Vergleich zu 2005 aktuell deutlich mehr Eltern die kombinierte Nutzung von Pille und Kondom empfehlen.
Ebenfalls positiv ist, dass Eltern nach wie vor überwiegend zu sicheren Verhütungsmethoden raten: Parallel zur Abnahme der Pillenempfehlung hat das Kondom in der Empfehlung der Eltern als alleiniges Kontrazeptivum zwischen 2014 und 2019 stark an Bedeutung gewonnen – sowohl in der Beratung der Mädchen (um 12 Prozentpunkte) als auch in der Beratung der Jungen (um 9 Prozentpunkte).
Die Sicht der Eltern auf die Sexualaufklärung ihrer Kinder
Wie empfinden Eltern die Sexualaufklärung?
Sieben von zehn Elternteilen (69 %) erklären, ihr Kind sei hauptsächlich durch sie selbst oder die Partnerin bzw. den Partner aufgeklärt worden. Gut drei Viertel dieser Eltern berichten, dass es aus ihrer Sicht dabei zu keinen Schwierigkeiten kam (76 %).
24 % geben allerdings an, dass ihnen die Sexualaufklärung ihres Kindes streckenweise durchaus schwergefallen ist. Im Trendverlauf wird deutlich, dass 2019 deutlich mehr Eltern von Schwierigkeiten bei der Sexualaufklärung ihrer Kinder berichtet haben als noch vor fünf Jahren (siehe Abbildung 5).
Ein weiterer beachtenswerter Befund aus der aktuellen Welle ist, dass diese Einschätzung mit dem formalen Bildungsabschluss der Eltern in Zusammenhang steht: Eltern mit einem höheren Abschluss geben mit 29 % deutlich häufiger als jene mit mittleren bzw. einfacheren Abschlüssen (20 bzw. 19 %) an, dass ihnen die Sexualaufklärung ihrer Kinder schwergefallen ist. Dieser Unterschied konnte 2014 so noch nicht festgestellt werden.
Unabhängig vom Geschlecht ihrer Kinder geben Väter etwas häufiger als Mütter an, dass ihnen die Sexualaufklärung des eigenen Kindes schwergefallen ist (26 % gegenüber 22 %).
Welche Themen der Sexualaufklärung fallen Eltern schwer?
Alle Eltern wurden anhand einer Liste danach gefragt, welche Themen sie im Rahmen der Sexualaufklärung als schwierig empfinden (siehe Abbildung 6).
Aufs Ganze gesehen fallen den meisten Eltern Aufklärungsgespräche zu vielen Themen eher leicht, so z. B. Gespräche über die »Rollen von Mann und Frau«, »Ehe und andere Partnerschaftsformen«, »Zärtlichkeit und Liebe« und »vorehelicher Geschlechtsverkehr«. Nur maximal 12 % der Mütter und Väter haben mit einem oder mehreren dieser Themen Schwierigkeiten. Hier gibt es auch kaum Geschlechterunterschiede.
Schon in den vorangegangenen Erhebungen hatte sich herauskristallisiert, dass es vor allem einen Themenbereich gibt, über den es den Eltern nach eigenen Angaben nicht leichtfällt, mit ihren Kindern zu sprechen: sexuelle Praktiken. Sowohl Müttern als auch Vätern fällt es mehrheitlich schwer, darüber mit ihren Kindern zu sprechen (57 % bzw. 55 %). Parallel ist dies jedoch das meistgenannte Thema, zu dem sich Jugendliche selber mehr Informationen wünschen (Scharmanski & Hessling, 2022b).
Für die Mütter kommt noch ein weiteres schwieriges Thema hinzu: Pornografie (40 %). Dieses Thema sticht bei den Vätern weniger heraus (35 %) – dies ist das einzige Thema, bei dem es den Vätern nennenswert leichter fällt als den Müttern, Informationen dazu an die Kinder weiterzugeben. Besonders groß sind die Unterschiede zwischen Müttern und Vätern bei den Themen Homosexualität und Schwangerschaftsabbruch (11 bzw. 9 Prozentpunkte Differenz), aber auch – und das überrascht nicht – bei Gesprächen über Menstruation und Schwangerschaft/Geburt (24 bzw. 14 Prozentpunkte Differenz).
Ein auffälliges Ergebnis der Erhebung aus dem Jahre 2019 ist, dass der Anteil jener Eltern, die einzelne Themen im Gespräch mit ihren Kindern als schwierig empfinden, heute generell auf einem (zum Teil sehr viel) höheren Niveau liegt als noch 2014 bzw. 2009 (siehe Abbildung 6). Die Nennungshäufigkeiten der Themen sind seit 2009 bei den Müttern um durchschnittlich 9 und bei den Vätern sogar um 14 Prozentpunkte angestiegen.
In Bezug auf mögliche Ursachen dieser Entwicklung ist die Herstellung direkter Kausalzusammenhänge anhand der vorliegenden Daten nicht möglich. Bei der Bewertung des Anstiegs der elterlichen Schwierigkeiten bei der Sexualaufklärung muss jedoch folgender Zusammenhang berücksichtigt werden: Der Einstieg in das aktive Sexualleben erfolgt bei Jugendlichen zunehmend später (Scharmanski & Hessling, 2021b). Parallel berichten Eltern, die mit Sicherheit davon ausgehen, dass ihr Kind bereits sexuell aktiv ist, vergleichsweise seltener von Schwierigkeiten bei der Sexualaufklärung (12 % gegenüber 27 %, wenn eher nicht bzw. sicher nicht davon ausgegangen wird). Somit ist parallel zum Anstieg des Anteils an Jugendlichen, die noch nicht sexuell aktiv sind, auch der Anteil der Eltern, die das Besprechen einzelner Themen als schwierig empfinden, angestiegen.
Wo informieren sich Eltern über Sexualität und Verhütung?
Wenn Eltern ihre Kinder zur Verhütung beraten, greifen sie im Wesentlichen auf ihre eigenen Erfahrungen zurück (93 %). Vor allem Mütter ziehen in Vorbereitung auf das Gespräch oft gezielt weitere Informationsquellen heran, etwa, indem sie sich im Bekanntenkreis umhören (21 %) oder Informationen bei Ärztinnen und Ärzten einholen (19 %). Väter tun dies seltener (16 % bzw. 4 %).
Wie im vorigen Kapitel deutlich wurde, gibt es durchaus Themen, bei denen sich Eltern schwerer tun, ihre Kinder dazu aufzuklären. Dennoch holen sich lediglich 21 % der Mütter und 24 % der Väter aktiv weitere Informationen ein (siehe Abbildung 7). Dabei hängt die generelle Aufnahmebereitschaft von zusätzlichen Informationen mit dem Bildungsabschluss der Eltern zusammen. Besonders häufig geben Elternteile mit einfacheren Abschlüssen an, keinen weiteren Bedarf zu haben (31 %). Unter den Eltern mit mittleren oder höheren Abschlüssen sind es weniger (24 bzw. 19 %). Auch zeigen sich jüngere Eltern etwas offener als ältere (Ablehnung weiterer Informationen durch Eltern bis 49 Jahre: 21 %; Generation ab 50: 28 %).
Die meisten Eltern stehen ergänzenden Informationen aber keineswegs ablehnend gegenüber. Das Internet ist der zentrale Ort, an dem sich Eltern im Kontext Sexualaufklärung informieren – gleiches berichten auch die Jugendlichen (Scharmanski & Hessling, 2021a).
Interessanterweise sind im Hinblick auf Bücher zu Themen der Sexualaufklärung in den letzten rund 15 Jahren keine nennenswerten Rückgänge durch die wachsende Bedeutung des Internets zu beobachten. Insbesondere zwischen 2014 und 2019 ist die Bedeutung von Fachbüchern eher noch angewachsen (Mütter 6 bzw. Väter 7 Prozentpunkte), womit sie nach dem Internet zum wichtigsten unterstützenden Medium für Eltern bei der Sexualaufklärung geworden sind.
Und: Der oben zitierte Bildungszusammenhang offenbart sich auch im Hinblick auf die Nutzung der beiden wichtigsten Informationsmedien Internet und Bücher. Elternteile mit höheren formalen Bildungsabschlüssen geben häufiger an, Online-Quellen und Fachbücher heranzuziehen, als jene mit einfacheren Abschlüssen (Differenzen zwischen 11 und 16 Prozentpunkten). Vor allem im Falle der Väter ist dies auch bei kostenlosen Broschüren der Fall (11 Prozentpunkte Differenz je nach Schulabschluss); für Mütter ist der Bildungszusammenhang schwächer ausgeprägt (5 Prozentpunkte).
Fazit
Dieser Beitrag gab einen Überblick über die zentralen Daten der Elternbefragung der neunten Welle der Jugendsexualitätsstudie. Die zentralen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- In den meisten Familien (ohne Einwanderungsgeschichte) wird offen über Sexualität, Partnerschaft und Verhütung gesprochen.
- Auffallend ist jedoch, dass 2019 mehr Eltern Vorbehalte gegenüber einem aktiven Sexualleben von Minderjährigen angeben als in den vergangenen Jahrzehnten.
- Im Bereich der elterlichen Verhütungsberatung fällt auf, dass die Empfehlung zur Pillennutzung parallel zum tatsächlichen Nutzungsverhalten von jungen Menschen rückläufig ist. Eltern empfehlen häufiger die Nutzung des Kondoms bzw. die kombinierte Nutzung von Pille und Kondom.
- Eltern sind eine der zentralen Instanzen der Sexualaufklärung von jungen Menschen. Jedoch hat der Anteil an Eltern, die angeben, ihnen falle die Aufklärung schwer, deutlich zugenommen.
Die Jugendsexualitätsstudie kann aufgrund ihrer methodischen Anlage Entwicklungen aufzeigen und eine aktuelle Datenbasis bereitstellen. Hinweise über mögliche Ursachen, die diese Entwicklungen erklären könnten, sind hingegen nur begrenzt verfügbar. Hier bedarf es anderer Studiendesigns und methodischer Herangehensweisen, um die Erklärungszusammenhänge tiefergehend zu erforschen. Dennoch gilt es, Eltern weiterhin bei der Sexualaufklärung und Verhütungsberatung ihrer Kinder zu unterstützen und evidenzbasierte und evaluierte Materialien und Beratungsangebote – online wie offline – zur Verfügung zu stellen. Denn nur so können Eltern zur Stärkung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit der jungen Generation beitragen und ihren Kindern eine sichere und gesunde Sexualität ermöglichen.
Literatur
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (2016). Rahmenkonzept zur Sexualaufklärung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Abstimmung mit den Bundesländern. Köln: BZgA.
Döring, N., Walter, R., & Scharmanski, S. (in Vorbereitung). Elterliche Sexualaufklärung und sexuelles Risikoverhalten bei Töchtern und Söhnen: Befunde aus der Repräsentativbefragung »Jugendsexualität«. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz.
Scharmanski, S., & Hessling, A. (2021a). Medien der Sexualaufklärung. Jugendsexualität 9. Welle. BZgA-Faktenblatt. doi: https://doi.org/10.17623/BZgA_SRH:fb_JUS9_Medien
Scharmanski, S., & Hessling, A. (2021b). Sexual- und Verhütungsverhalten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland. Aktuelle Ergebnisse der Repräsentativbefragung Jugendsexualität Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 64(11), 1372–1381. doi:https://doi.org/10.1007/s00103-021-03426-6
Scharmanski, S., & Hessling, A. (2021c). Sexualaufklärung und Verhütungsberatung im Elternhaus. Jugendsexualität 9. Welle. BZgA-Faktenblatt. doi: https://doi.org/10.17623/BZgA_SRH:fb_JUS9_Eltern
Scharmanski, S., & Hessling, A. (2022a). Sexualaufklärung junger Menschen in Deutschland. Ergebnisse der repräsentativen Wiederholungsbefragung »Jugendsexualität«. Journal of Health Monitoring, 7(2), 23–41. doi:https://doi.org/10.25646/9874
Scharmanski, S., & Hessling, A. (2022b). Sexualaufklärung, die erste Regelblutung und der erste Samenerguss. Jugendsexualität 9. Welle. BZgA-Faktenblatt. doi: https://doi.org/10.17623/BZgA_SRH:fb_JUS9_sexu_aufklaerung_reifung
Alle Links und Literaturangaben beziehen sich auf das Erscheinungsdatum der jeweiligen Druckausgabe und werden nicht aktualisiert.
Zitation
Scharmanski, S., & Hessling, A. (2023). Die Sicht der Eltern auf die Sexualaufklärung ihrer Kinder. Ergebnisse der BZgA-Studie zur Jugendsexualität, FORUM Sexualaufklärung und Familienplanung: Informationsdienst der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 1, 10–20.
Veröffentlichungsdatum
Angelika Heßling leitet das Referat S3 – Aufgabenkoordinierung, Nationale und internationale Zusammenarbeit, Forschung und Fortbildung der Abteilung S – Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
Kontakt:
angelika.hessling(at)bzga.de
Dr. Sara Scharmanski ist wissenschaftliche Referentin im Referat S3 – Aufgabenkoordinierung, Nationale und internationale Zusammenarbeit, Forschung und Fortbildung der Abteilung S – Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
Kontakt:
sara.scharmanski(at)bzga.de
Alle Links und Autorenangaben beziehen sich auf das Erscheinungsdatum der jeweiligen Druckausgabe und werden nicht aktualisiert.
Herausgebende Institution
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
Artikel der Gesamtausgabe
- Geschlechterrollen, Hausarbeit, Paarkonflikte. Ein erster Blick in „FReDA – das familiendemografische Panel"
- Die Sicht der Eltern auf die Sexualaufklärung ihrer Kinder
- Ungewollte Schwangerschaften im Lebenslauf – Ergebnisse der Studie „frauen leben 3“
- Reproduktionspolitik im Ländervergleich: Eine neue internationale Datenbank
- Pioneering Change: ANSER's Impact Linking Research and Policy on Sexual and Reproductive Health
- Online-Videos zum Schwangerschaftsabbruch: Anbieter, Botschaften und Publikumsreaktionen
- KisS: Ein Programm zur Vermeidung sexueller Aggression bei jungen Erwachsenen
- Sexualisierte Gewalt in der Jugendphase − ein Vergleich dreier repräsentativer Studien
- „Wie geht’s euch?“ Psychosoziale Gesundheit und Wohlbefinden von LSBTIQ*
- Erfahrungen mit §219-Beratung per Telefon oder Video. Sichtweisen von Klientinnen
- Relevanz der sexuellen Rechte in der familiären und schulischen Sexualaufklärung der Schweiz
- Schulische Sexualerziehung aus Adressat*innenperspektive
- Erschwerter Zugang zu Verhütung in den Asylzentren: Perspektiven von geflüchteten Frauen in der Schweiz
- Die EMSA-Studie – Erstes Mal, Menstruation und Schwangerschaftsabbruch in Sozialen Medien
- Sexualaufklärung in der Grundschule. Eine Lehrkräftebefragung im Mixed Methods-Design
- Das EU-Projekt »PERCH«: Gemeinsam gegen HPV-bedingten Krebs
- Erasmus+ Projekt: Sexualaufklärung für Jugendliche und junge Erwachsene mit Fluchthintergrund
- »Safe Clubs« − Ein Transferprojekt zur Prävention sexualisierter Gewalt im Sport
- Unheilbar queer? Konversionsbehandlungen in Deutschland erforschen – eine Annäherung
- Lebenssituation, Sicherheit und Belastung im Alltag (LeSuBiA)
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