Das Projekt »Medienscouts NRW«
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Ein Leuchtturmprojekt
Wesentlich für den Erfolg des Projekts ist es, dass Jugendliche als Medienscouts Schülerinnen und Schüler bei ihrer Mediennutzung beraten und ihnen die Fragen beantworten, die sich ihnen rund um die Themen Smartphone-Nutzung, Soziale Netzwerke, Internet & Co. stellen. Mithilfe des Projekts lernen und vermitteln Schülerinnen und Schüler die Kompetenzen, die Voraussetzung sind für einen sicheren, fairen und selbstbestimmten Umgang mit digitalen Medien. Damit kann das Projekt wesentlich zu einer erfolgreichen Strategie der Digitalisierung der Bildung beitragen. Zugleich erfolgt die Projektarbeit zwischen Schülerinnen/Schülern und Lehrkräften auf Augenhöhe. So entstehen eine neue Form des Lehrens und Lernens, eine jugendgerechte Vermittlung von Medienkompetenz und schließlich Beratungsangebote, die sich an den Problemen und Bedarfen der Jugendlichen orientieren.
Seit dem Start im Jahr 2011 konnte die Landesanstalt für Medien NRW an ca. 870 Schulen über 3900 Schülerinnen und Schüler und mehr als 1700 Beratungslehrkräfte in dem Projekt qualifizieren. Zum Erfolg des Projekts trägt eine Vielzahl wichtiger Partner in den Kommunen wie die Medienzentren, die Kompetenzteams, die Regionalen Bildungsbüros, Schulämter, Jugendämter sowie die Polizei- und Suchtprävention bei.
Das Projekt Medienscouts NRW ist bundesweit ein Leuchtturmprojekt: Es ist das größte Scout-Projekt seiner Art im deutschsprachigen Raum. Der sehr positive kommunale Zuspruch seit Projektbeginn im Jahr 2011 bestätigt das Konzept. Seit dem Schuljahr 2019/20 unterstützt das Ministerium für Schule und Bildung Nordrhein-Westfalen die Einführung des Projekts an den Schulen in NRW.
Die Aufgaben eines Medienscouts
Bei der Ausbildung zum Medienscout sollen Schülerinnen und Schüler ihre eigene Medienkompetenz erweitern und entsprechendes Wissen, einen Überblick über Handlungsmöglichkeiten sowie Reflexionsvermögen für einen sicheren, kreativen, verantwortungsvollen und selbstbestimmten Medienumgang aufbauen. Durch die Vermittlung dieser Aspekte an Mitschülerinnen und Mitschüler soll zudem die Sozialkompetenz der Medienscouts gefördert werden.
Eine Aufgabe der Medienscouts kann zudem darin bestehen, ein entsprechendes Beratungs- und Informationssystem für andere Mitschülerinnen und Mitschüler aufzubauen
und innerhalb dieser Angebote zielgruppenorientiert und adäquat reagieren zu können.
Wichtig für die Arbeit der Medienscouts ist es, sowohl das entsprechende Wissen bezüglich des Umgangs mit Medien zu besitzen und dieses weitergeben zu können als auch die Fähigkeit zu entwickeln, die eigenen Grenzen zuerkennen und sich externe Hilfe holen zu können. Deswegen werden pro Schule bis zu vier Schülerinnen und Schüler
zu Medienscouts und jeweils zwei Lehrerinnen und Lehrer zu Beratungslehrkräften an insgesamt fünf Workshop-Tagen ausgebildet. Diese ausgebildeten Medienscouts und Beratungslehrkräfte sollen dann an den jeweiligen Schulen auch neue Generationen ausbilden.
Inhaltliche Schwerpunktthemen der Ausbildung sind:
- Internet und Sicherheit
- Soziale Netzwerke
- Smartphone
- Digitale Spiele
- Beratungskompetenz
- Kommunikationstraining und
- Soziales Lernen.
Sollten die Beratungslehrkräfte bei entsprechenden Fragen nicht weiterhelfen können, haben sie die Möglichkeit, sich an ein Team von Expertinnen und Experten der Landesanstalt für Medien NRW zu wenden. Deren Kompetenz deckt die Themen der Workshops (Internet und Sicherheit, Soziale Netzwerke, Smartphone und Digitale Spiele) ab, aber auch Fragen zum Verbraucherschutz oder zu schulpsychologischen Aspekten können an das Team gerichtet werden.
Die Bedeutung der Medienscouts und der Ansatz der Peer Education
Ein wichtiges Prinzip, das sich durch die ganze Ausbildung zieht: Jugendliche und Erwachsene arbeiten gemeinsam. Die klassische Rollenverteilung zwischen Lehrenden und Lernenden wird aufgehoben. Für die Lehrkräfte im Projekt ergibt sich dadurch die wertvolle Erfahrung, authentischere und direktere Einblicke in die Medienwelt der Jugendlichen nehmen und die Potenziale und die Relevanz digitaler Medien für den Alltag von Jugendlichen erleben und verstehen zu können – besser, als dies u. U. im normalen Unterrichtsgeschehen möglich wäre. Die Jugendlichen hingegen werden als Expertinnen und Experten ihrer eigenen Lebenswelt ernst genommen, da sie in vielen Bereichen Wissensvorsprünge gegenüber den Erwachsenen haben und neben den Problemen und Risiken im Umgang mit digitalen Medien auch gute Gründe für deren Nutzung in die Diskussionen einbringen können. Aus diesem Grund nutzt das Angebot den Ansatz der Peer Education.
Unter Peer Education versteht man im Allgemeinen den Ansatz des Lernens durch und mit in etwa Gleichaltrigen. Abgeleitet von dem Begriff der »Peer Group« als Gruppe von in etwa Gleichaltrigen, findet die Methode der Peer Education häufig im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit Einsatz. Bei der Peer Education handelt es sich um eine Methode, bei der Jugendliche anderen Gleichaltrigen oder gering älteren bzw. jüngeren Jugendlichen Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten vermitteln. Erprobte Konzepte der Peer Education gibt es im Bereich der Suchtprävention, anderer Gesundheitsthemen (bspw. Ernährung) oder der Verkehrserziehung. Der Vorteil der Peer Education besteht aus Sicht von Pädagoginnen und Pädagogen darin, dass Kinder und Jugendliche das Wissen auf Augenhöhe vermitteln und sich in die Lage der anderen Kinder und Jugendlichen einfühlen können. So ist es ihnen möglich, Wissen verständlich zu kommunizieren. Zudem kann die Hürde für Kinder und Jugendliche niedriger sein, wenn sie sich bei Fragen an ihre Altersgenossen wenden können. Zudem geht man davon aus, dass in etwa Gleichaltrige eine wichtige Bezugsgruppe und einen entscheidenden Sozialisationsfaktor für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen darstellen. Die (jungen) Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, d. h. die Jugendlichen, die ihr Wissen weitergeben, können dementsprechend als Vorbild wirken und Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit schwierigen Situationen und Themen aufzeigen. Trotz der genannten Vorteile stößt der Ansatz der Peer Education an Grenzen. Einige Themenbereiche können und dürfen nicht von Kindern und Jugendlichen alleine vermittelt und verantwortet werden. So sind z. B. Fragen zur oder die Konfrontation mit psychischer und physischer Gewalt oder anderen Straftatbeständen in die Hände von Erwachsenen zu legen. Zu den hochproblematischen Bereichen gehören auch Suizidandrohungen, Abhängigkeitsproblematiken oder schwerwiegende psychische Störungen, bei denen unbedingt erwachsene Expertinnen und Experten hinzugezogen werden müssen. Aus die- sem Grund ist es für die Medienscouts wichtig, dass ihnen erwachsene Ansprechpersonen zur Verfügung stehen.
Die ausgebildeten Medienscouts erfüllen an den Schulen dann folgende Aufgaben:
1) Prävention
Die Informationsangebote der Medienscouts unterstützen dabei, einen fairen und selbstbestimmten Umgang mit digitalen Medien zu erlernen und dabei die Rechte und die Persönlichkeit anderer zu respektieren.
2) Beratung bei Problemen
Bei Problemen, etwa mit Urheberrechten oder mit persönlichen Daten oder bei Fällen von Beleidigungen und übler Nachrede in sozialen Netzwerken, können die Medienscouts Unterstützung geben, wie mit der Situation umzugehen ist. Dabei ist es wichtig, dass sie gelernt haben, ihre eigenen Grenzen einzuschätzen. Sie müssen abwägen, wann eine Straftat vorliegt oder wann aus einer »einfachen« Beleidigung Cybermobbing wird. Dann haben sie in den Beratungslehrkräften Ansprechpersonen, die unterstützen können oder wissen, an welche Anlaufstellen sie sich wenden können.
3) Schulentwicklung
Die Arbeit der Medienscouts und der Beratungslehrkräfte für den Bereich Medien ist keine isolierte Aktion, sie ist eine schulische Entscheidung, sich den Herausforderungen digitaler Medien aktiv zu stellen. Medienscouts sind eingebunden in eine Gesamtstrategie von Schulen, deren Schwerpunkt auch darauf liegt, das alltägliche Leben und Lernen mit digitalen Medien zu gestalten.
Die Umsetzung des Projekts
Die »Medienscouts NRW«-Ausbildung richtet sich schulformübergreifend an Schülerinnen und Schüler der Klassen- stufe 8 einer Schule der Sekundarstufe I. Pro Schule können, wie schon erwähnt, bis zu vier Medienscouts und je zwei Beratungslehrkräfte ausgebildet werden. An einer Ausbildung nehmen gleichzeitig bis zu zehn Schulen aus einem Kreis/einer kreisfreien Stadt in NRW teil. Um das Angebot weiterhin zu verstetigen und um der sich schnell wandelnden Medienwelt gerecht zu werden, bietet die Landesanstalt für Medien NRW zudem eintägige Aufbauworkshops und Netzwerktreffen an, für die sich die Kreise und kreisfreien Städte in Absprache mit den jeweiligen Schulen bewerben können. Die Aufbauworkshops richten sich an alle teil- nehmenden Medienscouts und Beratungslehrkräfte in einem Kreis/einer kreisfreien Stadt und sollen vor Ort stattfinden. Die Aufbauworkshops umfassen derzeit die Themen »Fake News«, »Influencer« und »Nachwuchsgewinnung«. Die Netzwerktreffen richten sich vorwiegend an die Beratungslehrkräfte und sollen dem moderierten Austausch der Schulen untereinander dienen.
Die ausgebildeten, hoch motivierten Medienscouts entfalten über alle Schulformen hinweg viele Aktivitäten. Sie sind sowohl mit der Ausbildung neuer Medienscouts befasst als auch mit der Gestaltung von Angeboten für Jugendliche und Erwachsene. Dabei kann man grob zwischen Beratungsangeboten, die die Mitschülerinnen und Mitschüler bei Bedarf wahrnehmen können, und den Informationsveranstaltungen unterscheiden, die im Rahmen normaler schulischer Aktivitäten durchgeführt werden. Bemerkenswert
ist noch, dass in den allermeisten Fällen die Schülerinnen und Schüler selbst die Angebote entwickeln und engagiert durchführen. Dabei ist es hilfreich, die Themen in der eigenen Ausbildung in einer kooperativen, partizipativen und gleichberechtigten Weise kennengelernt zu haben.
Wichtig für die Medienscouts an den Schulen ist allerdings, dass die jeweilige Schulleitung hinter dem Projekt steht und dieses an der Schule auch implementieren möchte. Für die jeweiligen Beratungslehrkräfte innerhalb des Projekts bedeutet das Engagement immer auch einen erhöhten Zeitaufwand und Mehrarbeit.
Die Perspektiven des Projekts
Im Zuge der erstmaligen »MedienscoutsConvention NRW« am 7. Oktober 2019 in Düsseldorf hat das Ministerium für Schule und Bildung Nordrhein-Westfalen offiziell bekannt gegeben, dass das Projekt »Medienscouts NRW« für das Schuljahr 2019/20 von der Landesregierung gefördert wird. Dies bedeutet, dass im ganzen Land vermehrt neue Ausbildungen, Aufbauworkshops und Netzwerktreffen angeboten werden können. Diese neue und weitreichende Kooperation ist ein erster Schritt, das Projekt perspektivisch an allen weiterführenden Schulen in NRW anbieten zu können. Zudem sollen bestehende Medienscout-Schulen so unterstützt werden, dass sie das Projekt nachhaltig fortführen können. Strukturprojekte sind allerdings keine Selbstläufer. Um das Projekt Medienscouts NRW dauerhaft flächendeckend zu implementieren, muss das große Engagement aller Beteiligten weiter aufrechterhalten werden.
Veröffentlichungsdatum
Sven Hulvershorn
ist Diplom-Pädagoge und Systemischer Berater. Seit 2018 arbeitet er als Referent und Projektleiter für das Projekt »Medienscouts NRW« bei der Landesanstalt für Medien NRW.
Kontakt: sven.hulvershorn(at)medienanstalt-nrw.de
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Herausgebende Institution
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