Sexuelle Beziehungen von behinderten Jugendlichen beginnen oft erst später als bei nichtbehinderten Jugendlichen, meist mit dem Eintritt in die berufliche Ausbildung. Dies machen die Zahlen der Studie "Jugendsexualität und Behinderung" deutlich. In der von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung geförderten Studie hatten nur 15 Prozent der befragten 14- bis 17-jährigen Mädchen und 28 Prozent der 14- bis 17-jährigen Jungen mit Behinderung Geschlechtsverkehr, im Vergleich zu 37 Prozent der nichtbehinderten Mädchen und 31 Prozent der nichtbehinderten Jungen. Detaillierte Angaben zu Themen wie sexuelles Erleben, Partnerwahl und Erfahrungen mit verschiedenen Verhütungsmethoden bei Menschen mit Behinderung waren erst bei der Zielgruppe der über 18-Jährigen möglich.
Da zu dieser Altersgruppe keine aussagekräftigen Daten aus Deutschland vorliegen, versteht sich diese Studie als Folgestudie der Erhebung "Jugendsexualität und Behinderung". Das Projekt fokussiert das Thema Familienplanung bei 18- bis 25-jährigen Erwachsenen mit Körper- und Sinnesbehinderungen sowie chronischen Erkrankungen. Mit Hilfe einer teilstandardisierten Erhebung wurden die Chancen, Hindernisse und Ressourcen der Beziehungsgestaltung und der gelebten Sexualität mit der konkreten Umsetzung des Sexualwissens (insbesondere Verhütungsverhalten) inklusive dem Einfluss der Sexualerziehung aus Elternhaus und Schule sowie gesundheitsbewusstes Verhalten untersucht.
Dafür wurden in Sachsen 152 junge Erwachsene im Alter von 18 bis 25 Jahren mit Behinderungen befragt. Diese jungen Erwachsenen befanden sich in einer beruflichen Ausbildung in einem Berufsbildungswerk oder arbeiteten in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen in Sachsen. Ebenso wurden bildungsstarke junge Erwachsene mit Behinderungen zu ihren Lebensentwürfen und ihrer Familienplanung befragt.
Ziel der Studie ist es, darzustellen wie junge Erwachsene mit Behinderung familienplanerische Prozesse gestalten und wie sexuelle Gesundheit gefördert und erhalten werden kann. Der Blick richtet sich dabei auf die Aneignung und Umsetzung spezifischer Kenntnisse über Familienplanung, die für die Realisierbarkeit des Kinderwunsches ebenso von Bedeutung sind wie für die wirkungsvolle Prävention ungewollter Schwangerschaften und sexuell übertragbarer Krankheiten.
Projektbezogene Publikationen
Retznik, L., Wienholz, S., Seidel, A., Pantenburg, B., Conrad, I., Michel, M., & Riedel-Heller, S. (2017). Relationship Status: Single? Young Adults with Visual, Hearing, or Physical Disability and Their Experiences with Partnership and Sexuality. Sexuality and Disability, 35(4), 415-32. https://doi.org/10.1007/s11195-017-9497-5
Retznik L., Wienholz S., Seidel S., Conrad I. & Riedel-Heller S. (2017): Erste sexuelle Erfahrungen von jungen Erwachsenen mit Beeinträchtigungen. Public Health Forum, 25(4), 304-7. https://doi.org/10.1515/pubhef-2017-0060