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Sexuelle Erfahrungen im Jugendalter und Aushandlungsprozesse im Geschlechterverhältnis

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Das "erste Mal"
Der Beginn der partnerbezogenen sexuellen Erfahrungen findet seinen markantesten Ausdruck im ersten vollzogenen…

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Das "erste Mal"
Der Beginn der partnerbezogenen sexuellen Erfahrungen findet seinen markantesten Ausdruck im ersten vollzogenen Geschlechtsverkehr. Als wissenschaftlich abfragbare und analysierbare Stufe der sexuellen Entwicklung ist er eingehend und beständig untersucht worden. Aber er ist nur ein Ereignis des sexuellen Lernprozesses. Jugendliche erleben ihn selten ganz unerfahren: Vorausgegangen sind häufig ausgedehnte Petting-Erfahrungen.

Den meisten Jugendlichen ist bewusst, dass die ersten partnerorientierten sexuellen Erfahrungen zumindest in körperlicher Hinsicht nicht unbedingt die schönsten sind und dass sie mit zunehmender Erfahrung positiver werden. Sie sehen sich selbst in einem Lernprozess, in dessen Verlauf sie sich mit den körperlichen und emotionalen Aspekten von Sexualität vertraut machen.

Viele Jugendliche betrachten die Behandlung des Themas "Das erste Mal" in jugendrelevanten Medien als "zu hoch bewertet". Das erzeuge nur Erwartungsdruck und in der Realität findet sich bei kaum jemandem ein rundherum schönes Erlebnis. Sie sind der Meinung, die sexuelle Kompetenz und Erlebnisfähigkeit wachse erst mit zunehmender Erfahrung. Körpererleben versus emotionale Befindlichkeit

Jungen berichten häufiger als Mädchen von schönen oder lustvollen Erfahrungen, wenn es um den ersten Koitus geht. Mädchen scheint die Übereinstimmung von emotionalem Erleben und sexueller Erregung schwerer zu gelingen.

Vertrauen zum Partner ist für Mädchen eine wichtige Voraussetzung für ein positiv erlebtes erstes Mal. Selbst Schmerzen beim Verkehr ändern dann nichts am positiven Erleben. Die Sicherheit, dass der Partner ein "Stopp-Signal" nicht übertreten würde, ist Bedingung dafür, die grenzüberschreitende Erfahrung zu wagen.

Sexuelles Versagen gefährdet bei Jungen viel stärker das Selbstbewusstsein als körperlich unangenehme oder schmerzhafte Empfindungen in der gleichen Situation das Selbstbewusstsein von Mädchen. Kulturelle Codes machen es für Jungen schwer Erektionsstörungen oder vorzeitigen Erguss nicht als eigenes Versagen zu interpretieren, während Mädchen physiologische Gegebenheiten für Schmerzen verantwortlich machen können.

Wichtig für beide ist Informiertheit über potenzielle Schwierigkeiten, die beim ersten Mal auftauchen könnten und am wichtigsten ist eine positive, entspannte emotionale Grundstimmung, die auch Lachen erlaubt. Motive für den ersten Geschlechtverkehr

Die zeitliche Abstimmung auf den eigenen Entwicklungsstand und die persönlichen Vorerfahrungen haben Einfluss darauf, wie das Erlebnis erfahren und bearbeitet werden kann. Aber vor allem die Beweggründe, den ersten Geschlechtsverkehr jetzt und mit diesem Menschen erleben zu wollen entscheiden darüber, welchen Stellenwert das erste Mal in der langfristigen sexuellen Entwicklung einnimmt. Jugendliche nennen vor allem zwei Motive für ihren ersten Geschlechtsverkehr. Sie wollen endlich selbst dieses Neuland der Sexualität betreten oder eine Liebesbeziehung vertiefen. Beide Konstellationen lassen sich unter Jugendlichen finden, die ihr erstes Mals besonders positiv in Erinnerung haben. Doch beide Motive haben ihre Vorzüge aber auch ihre Klippen.

In einer schon länger bestehenden, vertrauensvollen Beziehung finden sich günstige Rahmenbedingungen wie persönliche und körperliche Vertrautheit, die den Geschlechtverkehr nicht mit unnötiger Angst belasten, etwas falsch zu machen.

Andererseits laufen sexuell unerfahrene Paare leichter Gefahr, die sexuelle Initiation zu hoch zu bewerten und es fällt ihnen schwerer mit sexuellen Problemen umzugehen.

Probleme beim ersten Geschlechtsverkehr lassen am ehesten mit einer spielerisch-experimentierfreudigen Grundhaltung lösen, dann werden sie auch nicht zu einer langfristigen Belastung. Während ein "Misslingen" in einer gewachsen Beziehung durch liebevolles Miteinander-Üben überwunden werden kann, ist es in einer flüchtigen Begegnung leichter der Beziehung und dem sexuellen Akt keine so große Bedeutung beizumessen.
  Kommunikative Anforderungen für das erste Mal

Gewachsene Beziehungen bieten die Chance gemeinsame Strategien zur Bewältigung von sexuellen Problemen zu entwickeln. Andererseits kann gerade in vertrauten Beziehungen der Erwartungsdruck zu hoch werden, vor allem wenn die Vergleichsmaßstäbe, die von Medien oder auch Peers gesetzt werden, überzogen sind. In solchen Fällen kann ein Scheitern im sexuellen Bereich den Bestand der Beziehung bedrohen.

In flüchtigen Beziehungen scheint es vergleichsweise einfach zu sein, unbeschadet aus einer unbefriedigenden sexuellen Situation zu kommen, wenn eine Verständigung über die gemeinsame Bewertung der Situation herbeigeführt werden kann. Trennungen – ohne Verletzungen

Viele der befragten Jugendlichen blickten auf eine Folge von Paarbeziehungen unterschiedlicher Dauer mit klar markiertem Anfang und Enden zurück. Kennzeichnend für diese "sukzessive Monogamie" aber auch flüchtiger erotischer Begegnungen ist der häufig erklärte Wille, Trennungen ohne Beschädigungen zu gestalten. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, sind die Jugendlichen bereit, große Anstrengungen zu unternehmen, um sich über den Trennungsprozess und die gemeinsam verbrachte Zeit zu verständigen.

Ein wesentliches Element dieser Auseinandersetzung ist der Wunsch, dass es durch die Trennung nicht zur Entwertung der gemeinsamen Zeit oder der Qualität des Sexuellen kommen soll. Das gelingt nicht immer, vor allem wenn schon zu Beginn wechselseitige Erwartungen nicht geklärt sind. Wandel der Geschlechterbeziehungen

Der selbstbewusste Anspruch von Mädchen, genauso offen auf Jungen zuzugehen wie diese auf Mädchen, ist einer der auffälligsten stabil gewordene Angleichungsprozesse zwischen den Geschlechtern. Auch, wenn heute die Aktivität vom Mädchen ausgehen kann, so bleibt der Aspekt sich in die Bedürfnisse der Partnerin einzufühlen, sich für ihre Erfüllung zuständig zu fühlen und ein guter Liebhaber zu sein, bei den Jungen verortet.

Die zunehmend aktiv agierenden Mädchen setzen ihre sexuellen Interessen gegenüber Jungen nie oder fast nie mit physischem Druck durch. Daher stellt sich die Frage, mit welchem Handlungsrepertoire Jungen sich gegen unerwünschte Annäherungsversuche zur Wehr setzen. Jungen, so stellt die Studie fest, konnten sich die traditionellerweise weiblichen Strategien nicht oder noch nicht zu eigen machen. Sie reagieren oft hilflos. Sie haben keine Kultur der Abgrenzung, (noch) keine Handlungsmethoden, die den zunehmend geschlechtsunabhängigen Verhaltensmustern angemessen sind.

Das Aufbrechen der rigiden Geschlechterrollen aber wird von Jungen wie von Mädchen begrüßt. Mädchen gehen allerdings selbstverständlicher und selbstsicherer damit um.

Die alten Rollen sind jedoch noch nicht völlig überwunden: Die Fähigkeit emotionale und sexuelle Befindlichkeiten und Erfahrungen mitzuteilen sind bei Jungen und Mädchen unterschiedlich entwickelt. Mädchen erzählen sich gegenseitig mehr über die Beziehungen zu Jungen, auch über ihre sexuellen Erfahrungen und sie haben ein vertrautes Verhältnis zu ihrer Mutter. Jungen sprechen nicht so selbstverständlich über sexuelle Fragen und sie haben im Gegensatz zu Mädchen immer noch wenig intimen Kontakt zum gleichgeschlechtlichen Elternteil. Sie leiden zuweilen selbst darunter "sprachlos" zu sein. Die vielfältige Rolle der Peers

Neben der Qualität der familialen Beziehungen bildet eine gute Einbindung in Gruppe der Gleichaltrigen eine wichtige Ressource für einen gelingenden sexuellen Erfahrungs- und Lernprozess. Peers sind Informanten, Ratgeber, Kuppler, Tröster, Spötter und Begleiter, wenn Jugendliche erst erotisch motivierte Annäherungsversuche starten, wenn sich Paarbeziehungen anbahnen oder erste Niederlagen verarbeitet werden müssen.

Ein markantes Ergebnis der Studie ist, dass Jugendliche mit längerfristigen Problemen der sexuellen Entwicklung zumeist auch unter defizitären Peer-Beziehungen leiden. Jugendliche, die sich als Außenseiter erleben oder eine schlecht angesehene Position unter ihren Peers haben, lassen sich häufig durch Kollektivnormen unter Druck setzen. Jugendliche, die sich nicht entspannt und selbstbewusst im Spannungsfeld zwischen eigenen Bedürfnissen und den Erwartungen der Peers bewegen, laufen Gefahr Sexualität zu funktionalisieren und ungute sexuelle Beziehungen aufzunehmen.

Obwohl diese kumulierenden Probleme nur für eine Minderheit der Jugendlichen zutreffen, finden sie sich in allen Schichten.

 

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Die sexuelle Entwicklung Jugendlicher als Prozess steht im Mittelpunkt dieser Studie. Wann und in welcher Form…
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