Familienplanung in Thüringen
frauen leben 3 – Familienplanung im Lebenslauf von Frauen
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Für die Studie wurden zwischen 2012 und 2020 im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) 19.000 Frauen in allen 16 Bundesländern befragt. Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse aus dem Bundesland Thüringen vorgestellt.
Stichprobenbeschreibung für Thüringen
Im Jahr 2018 wurden in Thüringen 1.500 deutschsprachige Frauen im Alter von 20 bis 44 Jahren telefonisch mithilfe eines standardisierten Fragebogens interviewt. Die Grundgesamtheit wurde per Zufallsstichproben aus dem Telefonregister gebildet. Die Daten der Befragten wurden in drei Altersgruppen eingeteilt und proportional zu ihrem Anteil an der weiblichen Bevölkerung in Thüringen gewichtet. Die Stichprobe umfasst 1.982 zurückliegende ausgetragene oder abgebrochene Schwangerschaften. Bis auf zwei Geburten und zwei Schwangerschaftsabbrüche fallen die Geburten in die Zeit nach der Wiedervereinigung.
Der Länderbericht „Familienplanung in Thüringen“ liefert Erkenntnisse darüber,
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in welchen Lebensphasen, in welchen Lebenslagen und unter welchen situativen Umständen keine Kinder gewünscht werden,
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was Frauen über "den richtigen Zeitpunkt im Leben für ein Kind" und über die angemessene Familiengröße denken,
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warum trotz der Möglichkeit, sicher zu verhüten, eine Schwangerschaft – entgegen den eigenen Vorstellungen – eintreten konnte und
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wie über das Austragen oder Abbrechen der Schwangerschaft entschieden wurde.
Einstellungen zu Familie und Erwerbstätigkeit
Kinder und Erwerbstätigkeit
Frauen in Thüringen wollen beides: Kinder bekommen und erwerbstätig sein. Die große Mehrheit der 20- bis 44-jährigen Frauen in Thüringen steht einem Kind oder Kindern in ihrem Leben positiv gegenüber. Drei von vier Frauen „wollten schon immer Kinder”. Eine deutliche Mehrheit der Frauen (85,4 % ) hält es für wichtig, dass Mütter ihre beruflichen Perspektiven nicht aus den Augen verlieren. 81,4 Prozent sind der Meinung, dass Frauen finanziell unabhängig von ihrem Partner sein sollten.
Erwerbsumfang von Müttern und Vätern
Wenn beides, Kinder und Erwerbstätigkeit, gewünscht wird, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit. Mehr als 70 Prozent der Interviewten stimmen der Aussage zu: „Den richtigen Zeitpunkt für ein Kind gibt es nie.” Dies kann als Ausdruck für die Schwierigkeiten verstanden werden, Kinder und Erwerbstätigkeit zu vereinbaren. Solange die Kinder klein sind, halten die Hälfte der Frauen eine Teilzeittätigkeit von Müttern für ideal. Etwa ein Drittel hält eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit für wünschenswert. Das entspricht den Einstellungen in den anderen Bundesländern. Doch mit 16,4 Prozent stimmen in Thüringen deutlich mehr Frauen für eine Vollzeiterwerbstätigkeit. Die Meinung, Frauen sollten den Beruf aufgeben, vertreten nur 3,1 Prozent. Das sind deutlich weniger als vor allem in den westlichen Flächenstaaten.
Befragt zu der Erwerbstätigkeit der Väter, sind 42 Prozent der Frauen der Meinung, dass Väter kleiner Kinder ihre Arbeitszeit nicht reduzieren sollten. Die Aufgabenteilung, also das klassische Partnerschaftsmodell, befürworten tendenziell mehr Frauen mit niedriger Qualifikation.
Kinder und Eheschließung im Lebenslauf
Alter bei der Geburt des ersten Kindes
Im Ländervergleich gehören Frauen in Thüringen zu den etwas jüngeren Erstgebärenden. Die befragten Frauen bekamen mit durchschnittlich 26 Jahren ihr erstes Kind. Junge Mutterschaft ist ähnlich wie in anderen ostdeutschen Bundesländern eher akzeptiert als in den westlichen Bundesländern. Je höher die berufliche Qualifikation, umso älter sind Frauen bei der ersten Geburt, zeigte sich auch im Länderbericht von Thüringen.
Kinderlosigkeit und Kinderzahl
Im Alter von 35 Jahren haben die meisten Frauen die Familienphase abgeschlossen. Für die Ermittlung der durchschnittlichen Kinderzahl ist es sinnvoll, sie getrennt von den jüngeren Frauen zu betrachten, die die Familienphase noch nicht beendet oder nicht gestartet haben.
Die meisten der 35- bis 44-jährigen Frauen haben zwei Kinder (42,7 %). Ein knappes Drittel hat nur ein Kind, 13,4 Prozent haben drei und mehr Kinder. Nur wenige Frauen in diesem Alter (14,3 %) sind kinderlos.
Heirat
Kurz gesagt: Kinder ja, aber nicht unbedingt gleich heiraten. Mehr als die Hälfte der Mütter war beim ersten Kind nicht verheiratet. Viele haben später geheiratet.
Finanzielle Situation junger und alleinerziehender Mütter
Junge Mutterschaft und eine schlechtere ökonomische Situation geben sich oft die Hand. Je jünger die Mütter bei der ersten Geburt waren, desto niedriger ist ihre berufliche Qualifikation und desto schlechter beurteilen sie selbst ihre aktuelle finanzielle Situation. Ob das geringere Einkommen Ursache oder Folge der frühen Mutterschaft ist, bleibt offen. Auch alleinerziehende Mütter beurteilen ihre finanzielle Lage häufiger negativ verglichen mit Frauen in anderen Lebensformen.
Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit in der Partnerschaft
Müttererwerbstätigkeit
Vier von fünf Müttern mit Kindern unter elf Jahren sind in Teil- oder Vollzeit erwerbstätig. Mütter mit höherem Bildungsabschluss arbeiten häufiger Vollzeit. Ein Drittel der Mütter von Kindern unter elf Jahren, die sich in einer als negativ empfundenen finanziellen Situation befinden, sind erwerbslos.
Aufgabenteilung in der Partnerschaft
Kinderlose Paare teilen die Hausarbeit häufiger egalitärer auf als Paare mit (kleinen) Kindern. Das ändert sich, wenn Kinder zu versorgen sind. Dann fallen Hausarbeit und Kindererziehung in mehr als jedem zweiten Haushalt in die Zuständigkeit der Frau (57,1 %).
Kinderwunsch und Gründe gegen (weitere) Kinder
Nur wenige junge Frauen (11,4 %) wollen keine Kinder. Die große Mehrheit der Mütter, die bereits zwei oder mehr Kinder hat, will kein weiteres Kind. Auch die Hälfte der Mütter mit einem Kind hat die Familienplanung bereits abgeschlossen und will kein weiteres Kind.
Hauptgründe für eine unentschiedene oder ablehnende Haltung gegenüber (weiteren) Kindern sind bei jüngeren kinderlosen Frauen vor allem eine fehlende berufliche und finanzielle Konsolidierung und eine schwierige Partnerschaftssituation. Bei Müttern mit einem Kind ist es das Alter, und bei Müttern mit zwei oder mehr Kindern sind es vor allem die abgeschlossene Familienplanung und zusätzlich das Alter.
Ungewollte Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche
Hinweis: Die Studie nutzt die in der internationalen Forschung übliche Unterteilung in „gewollt” und „unbeabsichtigt”: Als „gewollt” werden Schwangerschaften bezeichnet, wenn auch der Zeitpunkt gewollt war. Als „unbeabsichtigt” gelten Schwangerschaften, die „gewollt, aber zu früh” oder „ungewollt” waren. Hierin enthalten sind auch Schwangerschaften von Müttern mit zwiespältiger oder unentschiedener Haltung.
71,3 Prozent aller Schwangerschaften waren auf den Zeitpunkt hin gewollt. Etwas über ein Viertel aller Frauen war mindestens einmal im Leben unbeabsichtigt schwanger. Explizit ungewollt waren 15 Prozent aller Schwangerschaften.
Die Reaktionen auf jede Form unbeabsichtigt eingetretener Schwangerschaft sind unterschiedlich: (sehr) erfreut, mittelmäßig erfreut und (gar) nicht erfreut. Aus einer unbeabsichtigten (also zu frühen oder ungewollten) Schwangerschaft kann ein gewolltes Kind werden. Ungefähr die Hälfte aller ungewollten Schwangerschaften wurde ausgetragen.
Ungewollte Schwangerschaften sind nicht nur auf unterlassene, sondern zu 48,1 Prozent auf versagende Verhütung zurückzuführen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine eingetretene Schwangerschaft ungewollt war, ist abhängig vom Alter beim Eintreten der Schwangerschaft und von der Lebenssituation: Teenagerschwangerschaften, also eine Schwangerschaft im Alter von unter 20 Jahren, waren zu mehr als der Hälfte ungewollt, aber auch zu einem Viertel ausdrücklich zum Zeitpunkt hin gewollt. Bei Frauen ab 20 Jahren sind Schwangerschaften umso häufiger gewollt, je älter die Schwangere war. Ab dem Alter von 35 Jahren nimmt dieser Anteil ab und die ungewollten Schwangerschaften nehmen wieder zu.
Die zwei häufigsten Gründe, eine ungewollte Schwangerschaft abzubrechen, sind eine fehlende stabile Partnerschaft und berufliche oder finanzielle Unsicherheit.
Verhütung
Die Pille ist das am häufigsten angewendete Verhütungsmittel, gefolgt von Kondomen und der Spirale. Die Pille verliert und die Spirale gewinnt mit zunehmendem Alter der Frauen an Bedeutung.
Der „nicht gedeckte Verhütungsbedarf” (Anteil heterosexuell aktiver Frauen, die keinen Kinderwunsch haben und nicht verhüten) liegt mit 5 % im Ländervergleich im Durchschnitt.
Knapp ein Fünftel der Frauen, die aktuell staatliche Unterstützungsleistungen beziehen, hat schon einmal aus Kostengründen auf Pille und Spirale verzichtet. Bei denen, die ihre aktuelle finanzielle Situation als (sehr) gut bezeichnen, trifft dies nur auf etwa jede zwanzigste Frau zu.
Knapp zwei Fünftel der Frauen mit als negativ eingeschätzter finanzieller Lage bzw. mit Sozialleistungsbezug, die verhüten, würden die Verhütungsmethode wechseln, wenn Verhütung kostenlos wäre.
Ein Fünftel der Frauen hat schon einmal die „Pille danach” verwendet.
Bilanz im Ländervergleich
In Thüringen bestätigen sich die auch viele Jahre nach der Wende bestehenden Unterschiede zwischen den östlichen und den westlichen Bundesländern:
Der Anteil nichtehelicher Geburten ist höher, die Einstellungen zur Müttererwerbstätigkeit sind an einer stärkeren beruflichen Einbindung orientiert, die Kinderlosigkeit ist weniger verbreitet und das Alter bei der ersten Geburt niedriger.
Sowohl in den Einstellungsfragen als auch in der praktischen Lebensführung zeigt sich, dass die Doppelorientierung an Beruf und Familie selbstverständlich ist. Ein hoher Stellenwert von Kindern geht einher mit einem hohen Stellenwert des Berufs. Mütter in Thüringen arbeiten im Durchschnitt mehr Wochenstunden als Mütter in den westlichen Flächenstaaten. Wenn Kinder zu versorgen sind, ist die Aufteilung der Hausarbeit egalitärer als im Westen, wobei auch in Thüringen nur selten der Mann die Hauptzuständigkeit für die Hausarbeit hat.
Der Anteil nichtehelich geborener Kinder sowie nichteheliche Lebensformen mit Kindern sind verbreiteter als im Bundesdurchschnitt.
Bezogen auf Verhütung gibt es keine Länderspezifika, auch was den Anteil ungewollter Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche anbelangt.
Zitation
Clausen, J., Gerstner, D., Helfferich, C., Pflügler, C. & Knittel, T. (2022). Familienplanung in Thüringen. Sonderauswertung von frauen leben 3 – Familienplanung im Lebenslauf von Frauen (Hrsg.: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, BZgA) (Forschung und Praxis der Sexualaufklärung und Familienplanung, Sonderauswertung). Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). https://doi.org/10.17623/BZgA_SRH:st_fl3_Thueringen