Familienplanung im Saarland
frauen leben 3 – Familienplanung im Lebenslauf von Frauen
- Ergebnisse
- Forschungsprojekt
- Publikationen
Stichprobenbeschreibung für das Saarland
Für die Bevölkerungsbefragung von 20- bis 44-jährigen Frauen (zwischen 1975 und 1999 geboren) im Saarland wurde 2020 eine Zufallsstichprobe aus den Telefonregistern gezogen. Die Stichprobe umfasst 503 Frauen mit 528 (ausgetragenen oder abgebrochenen) Schwangerschaften im Lebensverlauf der Frauen. Es handelt sich um zurückliegende Schwangerschaften (retrospektive Erhebung), die seit 1993 eingetreten sind.
Der Länderbericht „Familienplanung im Saarland“ liefert Erkenntnisse darüber,
-
in welchen Lebensphasen, in welchen Lebenslagen und unter welchen situativen Umständen keine Kinder gewünscht werden,
-
was Frauen über "den richtigen Zeitpunkt im Leben für ein Kind" und über die angemessene Familiengröße denken,
-
warum trotz der Möglichkeit, sicher zu verhüten, eine Schwangerschaft – entgegen den eigenen Vorstellungen – eintreten konnte und
-
wie über das Austragen oder Abbrechen der Schwangerschaft entschieden wurde.
Einstellungen zu Familie und Erwerbstätigkeit
- Eine klare Mehrheit der Frauen im Saarland möchte Kinder. Gleichzeitig nimmt die Erwerbstätigkeit einen hohen Stellenwert ein.
- Gut die Hälfte der Frauen im Saarland (51,3 %) sieht eine Teilzeittätigkeit von Müttern als das beste Modell zur Aufteilung von Familie und Beruf an, solange die Kinder noch klein sind. Mit 34,2 % hält ein gutes Drittel der Befragten eine Unterbrechung der Berufstätigkeit für das Beste. 10,4 % halten eine Vollzeittätigkeit für das richtige Modell. Dagegen finden es lediglich 4,2 % richtig, dass eine Frau ihren Beruf aufgibt, wenn Kinder kommen.
- 18,4 % der Frauen sind der Meinung, dass Väter ihre Arbeitszeit reduzieren sollen, wenn ein Kind kommt. 38,7 % sind teilweise dieser Ansicht. 42,9 % halten eine Arbeitszeitreduzierung für Väter nicht für angemessen
Kinder und Eheschließung im Lebenslauf
- Von den Frauen im Alter zwischen 35 und 44 Jahren haben 83,0 % Kinder. Jede sechste Frau dieser Altersgruppe (17,0 %) ist kinderlos.
- Die befragten Mütter im Saarland haben mit durchschnittlich 29,3 Jahren ihr erstes Kind bekommen. Berücksichtigt sind hierbei Mütter, die zum Befragungszeitpunkt 35 Jahre oder älter waren.
- Die meisten Mütter ab 35 Jahren haben zwei Kinder (55,7 %). 27,9 % der Mütter haben ein Kind und 16,4 % haben drei und mehr Kinder.
- Je jünger die Mütter bei der ersten Geburt waren, desto niedriger ist ihre berufliche Qualifikation und desto schlechter ist ihre aktuelle finanzielle Lage. Es bleibt dabei offen, ob die niedrige Bildung und das niedrige Einkommen Ursache oder Folge der frühen Mutterschaft war.
- Alleinerziehende Mütter beurteilen ihre finanzielle Lage häufiger negativ verglichen mit Frauen in anderen Lebensformen.
Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit in der Partnerschaft
- 58,9 % der Mütter von Kindern unter elf Jahren arbeiten in Teilzeit, etwas mehr als ein Viertel ist nicht erwerbstätig. Die Partner arbeiten in der Regel Vollzeit.
- Bei Paaren mit (kleinen) Kindern ist eine egalitäre Verteilung der Haushaltsarbeit deutlich seltener als in Partnerschaften ohne Kinder. Im Vergleich zu Müttern mit hoher Bildung übernehmen Mütter bei niedriger oder mittlerer beruflicher Qualifikation besonders häufig den Hauptteil der Arbeit im Haushalt.
Kinderwunsch und Gründe gegen (weitere) Kinder
- Knapp ein Fünftel (18,4 %) der aktuell kinderlosen Frauen zwischen 20 und 44 Jahren möchte dauerhaft keine Kinder haben. Vor allem ältere Frauen haben häufig keinen Kinderwunsch, während unter den jungen Frauen unter 25 Jahren lediglich 11,2 % keine Kinder möchten.
- Die große Mehrheit der Mütter, die bereits zwei oder mehr Kinder hat, will kein weiteres Kind. Auch bei den Müttern mit einem Kind haben 40,8 % die Familienplanung bereits abgeschlossen und möchten kein weiteres Kind.
- Hauptgründe für eine unentschiedene oder ablehnende Haltung gegenüber (weiteren) Kindern sind bei jüngeren, kinderlosen Frauen vor allem eine fehlende berufliche und finanzielle Konsolidierung und partnerschaftsbezogene Gründe, wie Krisen oder Konflikte innerhalb der Partnerschaft oder dass kein Partner vorhanden ist. Sowohl bei Müttern mit einem Kind als auch bei Müttern mit zwei oder mehr Kindern werden am häufigsten das Alter sowie eine abgeschlossene Familienplanung als Gründe angegeben, keine weiteren Kinder zu wollen.
Ungewollte Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche
Hinweis: Die Studie nutzt die in der internationalen Forschung übliche Unterteilung in „gewollt” und „unbeabsichtigt”: Als „gewollt” werden Schwangerschaften bezeichnet, wenn auch der Zeitpunkt gewollt war. Als „unbeabsichtigt” gelten Schwangerschaften, die „gewollt, aber zu früh” oder „ungewollt” waren. Hierin enthalten sind auch Schwangerschaften von Müttern mit zwiespältiger oder unentschiedener Haltung.
- 23,6 % aller befragten 20- bis 44-jährigen Frauen im Saarland waren mindestens einmal im Leben unbeabsichtigt schwanger.
- Etwas mehr als ein Viertel (26,9 %) aller im Leben der Befragten eingetretenen Schwangerschaften war unbeabsichtigt. 15,6 % aller Schwangerschaften sind explizit ungewollt eingetreten.
- Jede zweite ungewollte Schwangerschaft trat ein, obwohl verhütet wurde.
- Etwa zwei Drittel der ungewollten Schwangerschaften wurde ausgetragen (64,6 %).
- Die Wahrscheinlichkeit, dass eine eingetretene Schwangerschaft als ungewollt bezeichnet wird, ist abhängig von Alter und Lebenssituation der Befragten bei Eintritt der Schwangerschaft.
- Die häufigsten Gründe dafür, eine Schwangerschaft abzubrechen, sind eine fehlende stabile Partnerschaft, eine berufliche und finanzielle Unsicherheit oder dass sich die Befragte als „zu jung, unreif“ eingeschätzt hat.
Verhütung
- Die Pille ist das am häufigsten angewendete Verhütungsmittel, gefolgt von Kondomen an zweiter und der Spirale an dritter Stelle.
- Der „nicht gedeckte Verhütungsbedarf“, also der Anteil heterosexuell aktiver Frauen, die keinen Kinderwunsch haben und nicht verhüten, liegt im Saarland bei 5,3 %.
- Mit 42,1 % hat ein erheblicher Anteil der Frauen, die zum Befragungszeitpunkt staatliche Unterstützungsleistungen bezogen haben, schon einmal aus Kostengründen auf die Pille oder die Spirale verzichtet. Bei Frauen, die ihre aktuelle finanzielle Lage als (sehr) gut beurteilen, trifft dies lediglich auf 4,2 % zu.
- Etwas mehr als jede vierte Frau mit negativ eingeschätzter finanzieller Lage bzw. mit Sozialleistungsbezug (28,6 %), die verhütet, würde die Verhütungsmethode bei Kostenfreiheit wechseln.
- Knapp ein Viertel der Frauen (23,9 %) hat schon einmal die „Pille danach“ angewendet.
Bilanz im Ländervergleich
Im Saarland zeigen sich im Allgemeinen die gleichen Muster und Entwicklungen der Familienplanung und des Familienlebens wie in Deutschland insgesamt. Aber es gibt durchaus Besonderheiten: Der Wunsch nach einer Zwei-Kind-Familie ist besonders stark verbreitet. Und die Erwartungen von Frauen an ihre Partner, die Erwerbstätigkeit zugunsten der Familie zu reduzieren, sind weniger ausgeprägt als in anderen westdeutschen Flächenländern.
Einschränkungen bei der Vergleichbarkeit
Die „frauen-leben-3“-Befragungen in den 16 deutschen Bundesländern wurden zu verschiedenen Zeit- punkten zwischen 2012 und 2020 durchgeführt. Für das Saarland ist daher ein unmittelbarer Vergleich nur mit Bayern, Hessen und Sachsen-Anhalt möglich, wo die Befragung zeitgleich stattfand. Vergleiche mit den anderen Bundesländern sind nur mit Einschränkungen möglich: In der zurückliegenden Dekade ist ein gesellschaftlicher Wandel erfolgt, der sich auch in Einstellungen zur Familie niedergeschlagen hat. Zudem haben sich die familienrelevante Infrastruktur, wie die öffentliche Kindertagesbetreuung und die Gesetzgebung, weiterentwickelt und damit die Rahmenbedingungen des Familienlebens verändert. Trotzdem lassen sich mit der gebotenen Vorsicht aus den Daten zumindest Tendenzaussagen ableiten, wie sich Familiengründung und -leben im Saarland im Vergleich mit den anderen Bundesländern darstellen.
Vergleichbare Familienplanungs-Trends wie in Deutschland insgesamt
Die Familienplanung im Saarland ist in weiten Teilen mit den biografischen Mustern in anderen, insbesondere westdeutschen Flächenländern vergleich- bar, etwa bei der verbreiteten Zwei-Kind-Norm, die im Saarland noch stärker als in anderen Bundesländern dominiert. Auch die ausgeprägte Familien- und Kinderorientierung liegt im Durchschnitt der Bundesländer.
Die zentralen Entwicklungen, die Familiengründungen in Deutschland beeinflussen, zeigen sich auch im Saarland, so beispielsweise der kontinuierliche An- stieg des Alters der Frauen bei der Geburt ihres ersten Kindes. Auch der zunehmend optionale Charakter der Familie zeigt sich trotz hoher allgemeiner Kinderorientierung deutlich: Die Hälfte der Frauen kann sich ein glückliches Leben auch ohne Kinder vorstellen – dies sind deutlich mehr Frauen als in den im übrigen Bundesgebiet zuvor durchgeführten Erhebungen.
Väter als Ernährer gewünscht
Unterschiede gegenüber anderen Bundesländern zeigen sich bei einem differenzierteren Blick: In allen Bundesländern ist zu beobachten, dass ein erfülltes Leben ohne Kinder für Frauen umso häufiger vorstell- bar ist, je höher ihre berufliche Qualifikation ist. Im Saarland ist dieser Zusammenhang deutlich weniger stark ausgeprägt als in anderen Bundesländern. Zu- dem erwarten im Saarland hoch qualifizierte Frauen weniger häufig von ihren Partnern, die Berufstätigkeit zugunsten der Familie und der Kinder zu reduzieren.
Frauen mit niedriger oder mittlerer Qualifikation und Frauen in einer subjektiv schlecht eingeschätzten finanziellen Situation formulieren an Väter häufiger als in anderen Bundesländern die Erwartung, die Alleinverdienerrolle umfassend zu erfüllen.
Schwangerschaften häufig ungewollt wegen wirtschaftlicher Lage
Die wirtschaftliche Stabilität übt im Saarland einen besonders deutlichen Einfluss auf die Familienplanung aus: Werden Frauen in einer beruflich oder finanziell unsicheren Situation schwanger, sind im Saarland 46 % dieser Schwangerschaften ungewollt. In Hessen sind lediglich 36 % der Schwangerschaften von Frau- en in vergleichbarer Situation ungewollt, in Bayern so- gar nur 30 %.
Ungewollte Schwangerschaften werden dabei – bzw. wurden in den zurückliegenden Jahren – im Saarland im Vergleich zu anderen westdeutschen Flächenländern seltener abgebrochen.
Zitation
Knittel, T. & Olejniczak, L. (2023). Familienplanung im Saarland. Sonderauswertung von frauen leben 3 – Familienplanung im Lebenslauf von Frauen (Hrsg.: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, BZgA) (Forschung und Praxis der Sexualaufklärung und Familienplanung, Sonderauswertung). Köln: BZgA.
doi.org/10.17623/BZgA_SRH:st_fl3_saarland