Familienplanung in Hessen
frauen leben 3 – Familienplanung im Lebenslauf von Frauen
Stichprobenbeschreibung für Hessen
Im Jahr 2020 wurden in Hessen 1.502 deutschsprachige Frauen im Alter von 20 bis 44 Jahren (zwischen 1975 und 1999 geboren) telefonisch mithilfe eines standardisierten Fragebogens interviewt. Die Grundgesamtheit wurde per Zufallsstichproben aus dem Telefonregister gebildet. Die Daten der Befragten wurden in drei Altersgruppen eingeteilt und proportional zu ihrem Anteil an der weiblichen Bevölkerung in Hessen gewichtet. Die Stichprobe umfasst 1.656 zurückliegende ausgetragene oder abgebrochene Schwangerschaften. Es handelt sich um zurückliegende Schwangerschaften (retrospektive Erhebung), die seit 1993 eingetreten sind.
Der Länderbericht „Familienplanung in Hessen“ liefert Erkenntnisse darüber,
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in welchen Lebensphasen, in welchen Lebenslagen und unter welchen situativen Umständen keine Kinder gewünscht werden,
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was Frauen über "den richtigen Zeitpunkt im Leben für ein Kind" und über die angemessene Familiengröße denken,
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warum trotz der Möglichkeit, sicher zu verhüten, eine Schwangerschaft – entgegen den eigenen Vorstellungen – eintreten konnte und
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wie über das Austragen oder Abbrechen der Schwangerschaft entschieden wurde.
Einstellungen zu Familie und Erwerbstätigkeit
- Eine klare Mehrheit der Frauen in Hessen möchte Kinder. Gleichzeitig nimmt die Erwerbstätigkeit einen hohen Stellenwert ein.
- Die Hälfte der Frauen in Hessen (52,8 %) sieht die Teilzeittätigkeit von Müttern als das beste Modell zur Aufteilung von Familie und Beruf, solange die Kinder noch klein sind. Mit 30,7 % hält knapp ein Drittel der Befragten eine Unterbrechung der Berufstätigkeit für das Beste. 11,8 % halten eine Vollzeittätigkeit für das richtige Modell. Dagegen finden es 4,6 % richtig, dass eine Frau ihren Beruf aufgibt, wenn Kinder kommen.
- 22,2 % der Frauen sind der Meinung, dass Väter ihre Arbeitszeit reduzieren sollen, wenn ein Kind kommt. Weitere 45,8 % sind teilweise dieser Ansicht. 32,1 % halten eine Arbeitszeitreduzierung der Väter für nicht angemessen.
Kinder und Eheschließung im Lebenslauf
- Von den Frauen im Alter zwischen 35 und 44 Jahren haben über drei Viertel Kinder (77,8 %). 22,2 % der Frauen dieser Altersgruppe sind kinderlos.
- Die befragten Mütter in Hessen haben mit durchschnittlich 27,9 Jahren ihr erstes Kind bekommen.
- Die meisten Mütter haben zwei Kinder (48,8 %). 35,1 % der Mütter haben ein Kind und 16 % haben drei und mehr Kinder.
- Je jünger die Mütter bei der ersten Geburt waren, desto niedriger ist ihre berufliche Qualifikation und desto schlechter ist ihre aktuelle finanzielle Lage. Es bleibt dabei offen, ob die niedrige Bildung und das niedrige Einkommen Ursache oder Folge der frühen Mutterschaft war.
- Alleinerziehende Mütter beurteilen ihre finanzielle Lage häufiger negativ verglichen mit Frauen in anderen Lebensformen.
Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit in der Partnerschaft
- 58,9 % der Mütter von Kindern unter elf Jahren arbeiten in Teilzeit, ein knappes Viertel ist nicht erwerbstätig. Die Partner arbeiten in der Regel Vollzeit.
- Bei Paaren mit (kleinen) Kindern ist eine egalitäre Verteilung der Haushaltsarbeit deutlich seltener als in Partnerschaften ohne Kinder. Bei niedriger oder mittlerer beruflicher Qualifikation übernehmen Mütter besonders häufig den Hauptteil der Arbeit im Haushalt.
Kinderwunsch und Gründe gegen (weitere) Kinder
- Knapp ein Fünftel (18,1 %) der aktuell kinderlosen Frauen zwischen 20 und 44 Jahren möchte dauerhaft keine Kinder haben. Vor allem ältere Frauen haben häufig keinen Kinderwunsch, während unter den jungen Frauen unter 25 Jahren lediglich 7,1 % keine Kinder möchten.
- Die große Mehrheit der Mütter, die bereits zwei oder mehr Kinder hat, will kein weiteres Kind. Auch bei den Müttern mit einem Kind hat knapp die Hälfte (46,4 %) die Familienplanung bereits abgeschlossen und möchte kein weiteres Kind.
- Hauptgründe für eine unentschiedene oder ablehnende Haltung gegenüber (weiteren) Kindern sind bei jüngeren, kinderlosen Frauen vor allem eine fehlende berufliche und finanzielle Konsolidierung und partnerschaftsbezogene Gründe, wie Krisen oder Konflikte innerhalb der Partnerschaft oder dass kein Partner vorhanden ist. Sowohl bei Müttern mit einem Kind als auch bei Müttern mit zwei oder mehr Kindern werden am häufigsten das Alter sowie eine abgeschlossene Familienplanung als Gründe angegeben, keine weiteren Kinder zu wollen.
Ungewollte Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche
- 20,9 % aller befragten 20- bis 44-jährigen Frauen in Hessen waren mindestens einmal im Leben unbeabsichtigt schwanger.
- Gut ein Viertel (26,1 %) aller im Leben der Befragten eingetretenen Schwangerschaften war unbeabsichtigt. 13,5 % aller Schwangerschaften sind explizit ungewollt eingetreten.
- Mehr als jede zweite ungewollte Schwangerschaft (53,5 %) trat ein, obwohl verhütet wurde.
- Etwa jede zweite ungewollte Schwangerschaft wurde ausgetragen (51,1 %).
- Die Wahrscheinlichkeit, dass eine eingetretene Schwangerschaft als ungewollt bezeichnet wird, ist abhängig von Alter und Lebenssituation der Befragten bei Eintritt der Schwangerschaft.
- Die beiden häufigsten Gründe dafür, eine Schwangerschaft abzubrechen, sind eine fehlende stabile Partnerschaft oder dass sich die Befragte als „zu jung, unreif“ eingeschätzt hat.
Verhütung
- Die Pille ist das am häufigsten angewendete Verhütungsmittel, gefolgt von Kondomen an zweiter und der Spirale an dritter Stelle.
- Der „nicht gedeckte Verhütungsbedarf“, also der Anteil heterosexuell aktiver Frauen, die keinen Kinderwunsch haben und nicht verhüten, liegt in Hessen bei 4,7 %.
- Mit 37,3 % hat ein erheblicher Anteil an Frauen, die zum Befragungszeitpunkt staatliche Unterstützungsleistungen bezogen haben, schon einmal aus Kostengründen auf die Pille oder die Spirale verzichtet. Bei Frauen, die ihre aktuelle finanzielle Lage als (sehr) gut beurteilen, trifft dies lediglich auf einen Anteil von 5,2 % zu.
- Knapp ein Fünftel der Frauen mit negativ eingeschätzter finanzieller Lage bzw. mit Sozialleistungsbezug (18 %), die verhüten, würden die Verhütungsmethode wechseln, wenn Verhütung kostenlos wäre.
- Über ein Viertel der Frauen (27 %) hat schon einmal die „Pille danach“ angewendet.
Bilanz im Ländervergleich
Statistisch betrachtet liegt Hessen bei den Ergebnissen der „frauen leben 3“- Befragung in vielfacher Hinsicht im Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer – auch mit Blick auf einen Vergleich zu den ostdeutschen Ländern.
Im Vergleich zu Ostdeutschland beginnt die Familienplanung in Hessen, wie auch in anderen westlichen Bundesländern, später – überdurchschnittlich viele Frauen bekommen ihr erstes Kind, wenn sie 30 Jahre und älter sind. Gegenüber den ostdeutschen Ländern ist ein höherer Anteil an Frauen im Alter von 35 Jahren und mehr kinderlos.
Zieht man die westlichen Flächenstaaten als Referenzgruppe heran, in denen bei der „frauen leben 3“-Studie Daten erhoben wurden, bewegt sich Hessen bei den Familienplanungsmustern sowie bei der praktischen Lebensführung im Mittelfeld.
Die Doppelorientierung an Beruf und Familie ist für Frauen in Hessen eine Selbstverständlichkeit, die sich sowohl bei den geäußerten Einstellungen als auch in
der tatsächlichen Lebenspraxis widerspiegelt. Etwas mehr als die Hälfte der Frauen hält eine Teilzeittätigkeit von Müttern für das beste Modell, solange die Kinder noch klein sind. Dies entspricht auch in etwa dem Anteil an Müttern von Kindern unter elf Jahren, die tatsächlich in Teilzeit arbeiten.
In der Praxis ist eine egalitäre Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zwischen Frauen und Männern bei Paaren mit (kleinen) Kindern deutlich seltener als in Partnerschaften ohne Kinder. Die in den vergangenen Jahren allgemein gestiegene Erwartungshaltung an Väter, sich auch zulasten ihrer Erwerbstätigkeit stärker an der Sorgearbeit innerhalb der Familie zu beteiligen, zeigt sich in Hessen vergleichbar wie in anderen Bundesländern.
Zitation
Knittel, T. & Olejniczak, L. (2022). Familienplanung in Hessen. Sonderauswertung von frauen leben 3 – Familienplanung im Lebenslauf von Frauen (Hrsg.: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, BZgA) (Forschung und Praxis der Sexualaufklärung und Familienplanung, Sonderauswertung). Köln: BZgA. https://doi.org/10.17623/BZgA_SRH:st_fl3_hessen