Familienplanung in Bayern
frauen leben – Familienplanung im Lebenslauf von Frauen
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Stichprobenbeschreibung für Bayern
Für die Bevölkerungsbefragung von 20- bis 44-jährigen Frauen (zwischen 1975 und 1999 geboren) wurde 2020 eine Zufallsstichprobe aus den Telefonregistern gezogen. Die Stichprobe umfasst 1.500 in Bayern wohnhafte Frauen mit 1.834 (ausgetragenen oder abgebrochenen) Schwangerschaften im Lebensverlauf der Frauen. Es handelt sich um zurückliegende Schwangerschaften (retrospektive Erhebung), die seit 1988 eingetreten sind.
Der Länderbericht „Familienplanung in Bayern“ liefert Erkenntnisse darüber,
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in welchen Lebensphasen, in welchen Lebenslagen und unter welchen situativen Umständen keine Kinder gewünscht werden,
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was Frauen über "den richtigen Zeitpunkt im Leben für ein Kind" und über die angemessene Familiengröße denken,
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warum trotz der Möglichkeit, sicher zu verhüten, eine Schwangerschaft – entgegen den eigenen Vorstellungen – eintreten konnte und
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wie über das Austragen oder Abbrechen der Schwangerschaft entschieden wurde.
Einstellungen zu Familie und Erwerbstätigkeit
- Eine klare Mehrheit der Frauen in Bayern möchte Kinder. Gleichzeitig nimmt die Erwerbstätigkeit einen hohen Stellenwert ein.
- Über die Hälfte der Frauen in Bayern (56,1 %) sieht die Teilzeittätigkeit von Müttern als das beste Modell zur Aufteilung von Familie und Beruf, solange die Kinder noch klein sind. Mit 33,7 Prozent hält ein Drittel der Befragten eine Unterbrechung der Berufstätigkeit für das Beste. 7,6 Prozent halten eine Vollzeittätigkeit für das richtige Modell. Dagegen finden es lediglich 2,5 Prozent richtig, dass eine Frau ihren Beruf aufgibt, wenn Kinder kommen.
- 20,3 Prozent der Frauen sind der Meinung, dass Väter ihre Arbeitszeit reduzieren sollen, wenn ein Kind kommt. 48,4 Prozent sind teilweise dieser Ansicht. 31,3 Prozent halten eine Arbeitszeitreduzierung für Väter nicht für angemessen.
Kinder und Eheschließung im Lebenslauf
- Von den Frauen im Alter zwischen 35 und 44 Jahren haben 83,3 Prozent Kinder. Jede sechste Frau dieser Altersgruppe (16,7 %) ist kinderlos.
- Die befragten Mütter in Bayern haben mit durchschnittlich 29,0 Jahren ihr erstes Kind bekommen. Berücksichtigt sind hierbei Mütter, die zum Befragungszeitpunkt 35 Jahre oder älter waren.
- Die meisten Mütter haben zwei Kinder (51,0 %). 30,5 Prozent haben ein Kind und 18,5 Prozent haben drei und mehr Kinder.
- Je jünger die Mütter bei der ersten Geburt waren, desto niedriger ist ihre berufliche Qualifikation und desto schlechter ist ihre aktuelle finanzielle Lage. Es bleibt dabei offen, ob die niedrige Bildung und das niedrige Einkommen Ursache oder Folge der frühen Mutterschaft sind.
Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit in der Partnerschaft
- 50,9 Prozent der Mütter von Kindern unter elf Jahren arbeiten in Teilzeit, ein knappes Viertel ist nicht erwerbstätig. Die Partner arbeiten in der Regel Vollzeit.
- Bei Paaren mit (kleinen) Kindern ist eine egalitäre Verteilung der Haushaltsarbeit deutlich seltener als in Partnerschaften ohne Kinder. Bei niedriger oder mittlerer beruflicher Qualifikation übernehmen Mütter besonders häufig den Hauptteil der Arbeit im Haushalt.
Kinderwunsch und Gründe gegen (weitere) Kinder
- Knapp 11,0 Prozent der aktuell kinderlosen Frauen zwischen 20 und 44 Jahren möchten dauerhaft keine Kinder haben. Vor allem ältere Frauen haben häufig keinen Kinderwunsch, während bei den jungen Frauen unter 25 Jahren lediglich 3,0 Prozent keine Kinder möchten.
- Die große Mehrheit der Mütter, die bereits zwei oder mehr Kinder hat, will kein weiteres Kind. Auch bei den Müttern mit einem Kind haben 42,4 Prozent der Befragten die Familienplanung bereits abgeschlossen und möchte kein weiteres Kind.
- Hauptgründe für eine unentschiedene oder ablehnende Haltung gegenüber (weiteren) Kindern sind bei jüngeren, kinderlosen Frauen vor allem eine fehlende berufliche und finanzielle Konsolidierung und partnerschaftsbezogene Gründe, wie Krisen oder Konflikte innerhalb der Partnerschaft – oder, dass kein Partner vorhanden ist. Bei Frauen, die bereits ein Kind haben, werden am häufigsten das Alter sowie berufliche oder finanzielle Unsicherheiten als Gründe gegen weitere Kinder genannt. Bei Frauen mit zwei oder mehr Kindern steht am häufigsten eine bereits abgeschlossene Familienplanung einem weiteren Kind entgegen. Als zweithäufigster Grund wird hier das Alter genannt.
Ungewollte Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche
Hinweis: Die Studie nutzt die in der internationalen Forschung übliche Unterteilung in „gewollt” und „unbeabsichtigt”: Als „gewollt” werden Schwangerschaften bezeichnet, wenn auch der Zeitpunkt gewollt war. Als „unbeabsichtigt” gelten Schwangerschaften, die „gewollt, aber zu früh” oder „ungewollt” waren. Hierin enthalten sind auch Schwangerschaften von Müttern mit zwiespältiger oder unentschiedener Haltung.
- 20,8 % aller befragten 20- bis 44-jährigen Frauen in Bayern waren mindestens einmal im Leben unbeabsichtigt schwanger.
- Mehr als ein Fünftel (23,4 %) aller im Leben der Befragten eingetretenen Schwangerschaften war unbeabsichtigt. 10,9 Prozent aller Schwangerschaften sind explizit ungewollt eingetreten.
- Die Mehrzahl der ungewollten Schwangerschaften (61,0 %) trat ein, obwohl verhütet wurde.
- Mehr als zwei von drei ungewollten Schwangerschaften wurden ausgetragen (69,2 %).
- Die Wahrscheinlichkeit, dass eine eingetretene Schwangerschaft ungewollt ist, ist abhängig von Alter und Lebenssituation der Befragten bei Eintritt der Schwangerschaft.
- Die beiden häufigsten Gründe dafür, eine Schwangerschaft abzubrechen, sind eine fehlende stabile Partnerschaft oder gesundheitliche Bedenken oder Probleme das ungeborene Kind betreffend.
Verhütung
- Kondom und Pille sind die am häufigsten angewendeten Verhütungsmittel, gefolgt von der Spirale.
- Der „nicht gedeckte Verhütungsbedarf“, also der Anteil heterosexuell aktiver Frauen, die keinen Kinderwunsch haben und nicht verhüten, liegt in Bayern bei 4,2 Prozent.
- Knapp ein Drittel der Frauen mit negativ eingeschätzter finanzieller Lage bzw. mit Sozialleistungsbezug (30,5 %), die verhüten, würden die Verhütungsmethode bei Kostenfreiheit wechseln.
- Über ein Viertel der Frauen (27,4 %) hat schon einmal die „Pille danach“ angewendet.
Bilanz im Ländervergleich
In Bayern zeigen sich im Allgemeinen die gleichen Muster und Entwicklungen der Familienplanung und des Familienlebens wie in Deutschland insgesamt. Aber es gibt durchaus Besonderheiten: Traditionelle Arrangements bei der Aufteilung von Erwerbs- und Care-Arbeit bei den Elternpaaren sind in Bayern stärker verbreitet als in anderen Bundesländern. Und ungewollte Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche sind in Bayern deutlich seltener als im deutschen Durchschnitt.
Einschränkungen bei der Vergleichbarkeit
Die „frauen leben 3“-Befragungen in den 16 deutschen Bundesländern wurden zu verschiedenen Zeitpunkten zwischen 2012 und 2020 durchgeführt. Für Bayern ist daher ein unmittelbarer Vergleich nur mit Hessen, dem Saarland und Sachsen-Anhalt möglich, wo die Befragung zeitgleich stattfand. Vergleiche mit den anderen Bundesländern sind nur mit Einschränkungen möglich: In der zurückliegenden Dekade ist ein gesellschaftlicher Wandel erfolgt, der sich auch in Einstellungen zur Familie niedergeschlagen hat. Zudem haben sich die familienrelevante Infrastruktur wie die öffentliche Kindertagesbetreuung und die Gesetzgebung weiterentwickelt und damit die Rahmenbedingungen des Familienlebens verändert. Trotzdem lassen sich mit der gebotenen Vorsicht aus den Daten zumindest Tendenzaussagen ableiten, wie sich Familiengründung und -leben in Bayern im Vergleich mit den anderen Bundesländern darstellen.
Vergleichbare Entwicklungen wie in Deutschland insgesamt
Die Familienplanung in Bayern ist in weiten Teilen mit den biografischen Mustern in anderen, insbesondere westdeutschen Flächenländern vergleichbar, etwa bei der rbreiteten Zwei-Kind-Norm, die in Bayern noch geringfügig stärker als in anderen Bundesländern do- miniert. Auch die ausgeprägte Familien- und Kinderorientierung liegt im Durchschnitt der Bundesländer.
Die zentralen Entwicklungen, die Familiengründungen in Deutschland beeinflussen, zeigen sich auch in Bayern, so beispielsweise der kontinuierliche Anstieg des Alters der Frauen bei der Geburt ihres ersten Kindes. Auch der zunehmend optionale Charakter der Familie zeigt sich trotz hoher allgemeiner Familienorientierung deutlich: Mit einem Anteil von 56,0 Prozent können sich in Bayern sogar etwas mehr Frauen ein glückliches Leben ohne Kinder vorstellen als in den zeitgleich befragten Bundesländern – dies sind auch deutlich mehr Frauen als in den im übrigen Bundesgebiet zuvor durchgeführten Erhebungen.
Modernisiertes Ernährermodell in Bayern besonders verbreitet
Ein spezifisches Profil zeigt sich in Bayern bei der Gestaltung des Familienlebens. Augenfällig ist dies bei der Verteilung von Erwerbs- und Care-Arbeit innerhalb der Elternpaare: Das sogenannte „modernisierte Ernährermodell“ ist weit verbreitet, mit einem in Vollzeit tätigen männlichen Hauptverdiener und einer in Teilzeit erwerbstätigen Frau. Auffällig ist, dass dieses Partnerschaftsmuster in Bayern auch bei Frauen mit hoher beruflicher Qualifikation eine weite Verbreitung findet – in anderen Bundesländern sind egalitärere Partnerschaftsmuster mit einer ausgeprägteren Erwerbsbeteiligung beruflich hoch qualifizierter Mütter häufiger.
Die Gründe für die weite Verbreitung können an dieser Stelle nicht näher geklärt werden. Informationen zur Nutzung und Verfügbarkeit von Kinderbetreuungsangeboten wurden im Rahmen der Studie „frauen leben 3“ nicht erhoben. Denkbar ist als Hintergrund, dass die gute wirtschaftliche Situation mit guten Verdienstmöglichkeiten, breiten Arbeitsplatz- angeboten und einer hohen Arbeitsplatzsicherheit auch mehr Spielräume für die Gestaltung des Familienlebens zulassen und traditionellere Familienformen ohne Bedrohung der wirtschaftlichen Stabilität eher lebbar sind als in anderen Bundesländern. Bei den Idealvorstellungen zur innerfamiliären Aufgabenteilung unterscheidet sich Bayern allenfalls gering vom bundesweiten Durchschnitt.
Geringere Verbreitung ungewollter Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche
Auffällig ist in Bayern die geringere Verbreitung von ungewollten Schwangerschaften und insbesondere von Schwangerschaftsabbrüchen. Zum einen sind unbeabsichtigte und ungewollte Schwangerschaften seltener als im bundesweiten Durchschnitt, zum anderen werden sie – wenn eingetreten – häufiger ausgetragen. Über die Gründe der geringeren Verbreitung ungewollter Schwangerschaften in Bayern können an dieser Stelle nur Vermutungen angestellt werden. Wie bundesländerübergreifende Analysen des „frauen leben 3“-Datensatzes zeigen, liegen die Gründe für die Ungewolltheit von Schwangerschaften häufig in schwierigen beruflichen Situationen und wirtschaftlichen Notlagen. Somit kann die gute Arbeitsmarkt- und Wirtschaftssituation zumindest als ein Faktor für die selteneren ungewollten Schwangerschaften betrachtet werden.
Die bei frauen leben 3 im Vergleich geringere Verbreitung von Schwangerschaftsabbrüchen in Bayern deckt sich dabei auch mit Daten der amtlichen Statistik: Bayern gehört zusammen mit Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zu den Bundesländern mit der niedrigsten Häufigkeit an Schwangerschaftsabbrüchen in Relation zu den Lebendgeburten bzw. der weiblichen Wohnbevölkerung im fertilen Alter.
Zitation
Knittel, T. & Olejniczak, L. (2022). Familienplanung in Bayern. Sonderauswertung von frauen leben 3 – Familienplanung im Lebenslauf von Frauen (Hrsg.: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, BZgA) (Forschung und Praxis der Sexualaufklärung und Familienplanung, Sonderauswertung). Köln: BZgA. https://doi.org/10.17623/BZgA_SRH:st_fl3_bayern