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Forschungsergebnisse

Ausgewählte Ergebnisse

Jugendsexualität und Behinderung

Cover zu Jugendsexualität und Behinderung

 

 

 

Einleitung

Seit 2010 ist das Thema "Sexualität und Behinderung" ein neuer Aufgabenschwerpunkt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Ziel ist es, die Sexualaufklärung von Menschen mit Behinderungen verstärkt in den Fokus zu nehmen und zielgruppenspezifisches Informations- und Aufklärungsmaterial zu entwickeln. Vor diesem Hintergrund startete im August 2010 die Pilotstudie zur Sexualität von Jugendlichen mit Behinderungen in Sachsen. Sie liefert erstmals Erkenntnisse zu Einstellungen und Verhaltensweisen in Bezug auf Aufklärung, Sexualität und Verhütung bei einer Zielgruppe, deren Sexualwissen und –verhalten bislang national wie international kaum erforscht ist.

Befragt wurden 169 Mädchen und Jungen mit Sinnes- und/oder Körperbehinderungen oder chronischen Krankheiten an sächsischen Förderschulen. Die untersuchten Fragestellungen orientieren sich eng an der BZgA-Studie "Jugendsexualität 2010", der siebten bundesweiten Wiederholungsbefragung zum Sexualwissen und Sexualverhalten von 14- bis 17-jährigen Jugendlichen in Deutschland. Für die vorliegende Pilotstudie wurde ein vergleichbarer Fragebogen nach den Maßgaben der Barrierefreiheit entwickelt. Dies ermöglicht einen Vergleich der Ergebnisse mit denjenigen der sächsischen Stichprobe nichtbehinderter Jugendlicher aus der bundesweiten Repräsentativbefragung. Zugleich konnten so Besonderheiten bei Jugendlichen mit Behinderung im Bezug auf Sexualität, Sexualaufklärung und Verhütung herausgearbeitet werden.

Nachfolgend werden ausgewählte Ergebnisse der Studie zu den Themen Aufklärung in Schule und Elternhaus, erste sexuelle Erfahrungen und Verhütung, körperliche Entwicklung, Kinderwunsch sowie Gewalterfahrungen dargestellt.

 

Sexualaufklärung und Beratung

Sexualaufklärung

Die Aufklärung begann bei den befragten Jugendlichen in der Regel bereits im Kindergarten und wurde dann in der Schule weitergeführt. Eine entscheidende Rolle spielt zudem das Elternhaus. Auf die Frage "Weißt du viel über Sexualität?" antworteten mehr als zwei Drittel mit "Ja" (70,8 %) und nur 6,5 Prozent mit "Nein". Knapp ein Viertel der Jugendlichen konnte das eigene Wissen nicht einschätzen und kreuzte daher "weiß nicht" an (22,6 %). Jeder fünfte Junge und knapp jedes dritte Mädchen war nicht in der Lage, die eigene Aufgeklärtheit einzuschätzen (18,4 % vs. 29,2 %). Je älter die Jugendlichen waren, umso aufgeklärter beurteilten sie sich selbst. Jedoch blieb der Anteil derjenigen, die sich nicht einschätzen konnten, über die Altersgruppen verteilt relativ konstant.

Informationsbedarf

Die schulische Sexualaufklärung wird klar von biologisch orientierten Themen dominiert; d.h., es wird vor allem über Aufbau und Funktionsweise der Geschlechtsorgane, körperliche Entwicklung, Menstruationszyklus, Schwangerschaft, sexuell übertragbare Krankheiten und Verhütung aufgeklärt. Deutlich seltener kommen sozial-ethische Themen sowie die Vielfalt der sexuellen Erscheinungsformen zum Tragen. Allerdings gibt es hier deutliche Altersunterschiede: Die Anteile derjenigen, die mit den letztgenannten Themen im Laufe der Schulzeit bereits in Berührung kamen, nehmen mit steigendem Alter zu.

Das Interesse der Befragten liegt verstärkt bei Themen, die im Unterricht nicht oder seltener behandelt wurden. Das größte Interesse zeigten Jungen für Themen wie sexuell übertragbare Krankheiten, Liebe und Zärtlichkeit, sexuelle Praktiken und Verhütung. Am wenigsten interessierten die Jungen die Themen Prostitution, weiblicher Zyklus und Homosexualität. Die Mädchen zeigten das größte Interesse für frauenspezifische Themen wie Schwangerschaftsabbruch, Schwangerschaft und sexuelle Gewalt und das geringste Interesse für die Themen Pornografie, Prostitution und Masturbation.

Quellen und Medien der Sexualaufklärung

Für über drei Viertel der befragten Jugendlichen ist die Schule Hauptquelle der Wissensvermittlung, gefolgt von Jugendzeitschriften (rund 42 %), Computerprogrammen und Informationen aus dem Internet (35,5 %) sowie Fernsehfilmen und DVDs (rund 31 %). Allerdings unterscheiden sich die Ergebnisse zum Teil deutlich nach Art der Behinderung

Im Vergleich der bereits genutzten und der gewünschten Informationsquellen wird deutlich, dass bei Jungen ebenso wie bei Mädchen präferierte Medien durchweg weniger benannt wurden. Nur die kostenlosen Aufklärungshefte, Vorträge und Infoveranstaltungen wurden etwas stärker gewünscht als schon genutzt.

Verhütungsberatung

Mehr als die Hälfte der Jugendlichen hat im Elternhaus bereits Gespräche über Verhütung geführt. Kondom und Pille rangieren an erster Stelle bei den Verhütungsmittelempfehlungen; andere Verhütungsmittel werden im Elternhaus kaum diskutiert.

Jedes dritte Mädchen hatte sich schon einmal von einer Gynäkologin oder einem Gynäkologen zu Verhütungsmethoden beraten lassen (35,4 %), davon signifikant mehr Geschlechtsverkehr-Erfahrene als Unerfahrene (36 % vs. 14 %).Unter den Behinderungsgruppen hatte sich etwa jedes zweite hörbehinderte Mädchen ärztlich beraten lassen (46,4 %) – im Vergleich zu etwa jedem dritten sehbehinderten (30 %) und jedem vierten körperbehinderten (25,9 %) Mädchen. Je älter die junge Frau zum Befragungszeitpunkt war, umso seltener wurde ihr laut ihrer Aussage das Kondom empfohlen. Die Pille wurde von ärztlicher Seite über alle Altersgruppen hinweg empfohlen und stellte damit die häufigste Empfehlung noch vor dem Kondom dar (73,9 % vs. 69,6 %).

Aufklärungsthema Notfallverhütung

Etwa ein Zehntel der Jugendlichen war über die "Pille danach" nicht informiert (12 %),davon fast doppelt so viele Jungen wie Mädchen. Ein Zusammenhang zwischen dem Befragungsalter und der Informiertheit der Jugendlichen über die "Pille danach" konnte nicht nachgewiesen werden.

 

Erfahrungen mit der eigenen Körperlichkeit

Der Umgang und die Zufriedenheit mit dem eigenen Körper werden von den Jugendlichen insgesamt recht positiv eingeschätzt. Insgesamt sind ältere Jugendliche etwas kritischer ihrem Körper gegenüber eingestellt als jüngere Befragte. Hörbehinderte haben unter den befragten Jugendlichen das positivste Körperbild, während Sehbehinderte am häufigsten mit ihrem Erscheinungsbild unzufrieden sind.

Sexuelle Reife

Die Menarche erfolgt im Alter zwischen 10 und 15 Jahren, der Zeitpunkt
konzentriert sich auf 12 und 13 Jahre. Die Ejakularche liegt zwischen dem 7. und 16. Lebensjahr, wobei knapp die Hälfte der Jungen die erste Ejakulation vor dem Erreichen des 15. Lebensjahres erlebte. Unterschiede zwischen den Behinderungsgruppen gab es dabei nicht. Ein Zusammenhang zwischen einem frühen Erreichen der sexuellen Reife (elf Jahre und jünger) und sexueller Aktivität konnte bei den Jugendlichen mit Behinderung nicht nachgewiesen werden. Unter den sexuell erfahrenen Jugendlichen gab es deutlich mehr Jugendliche, die im Alter von zwölf Jahren und älter ihre sexuelle Reife erreicht hatten, als Jugendliche, die als "frühreif" gelten würden (81,1 % vs. 18,9 %).

 

Erfahrungen im sexuellen Bereich

Partnerschaft und sexuelle Aktivität

Zwei von fünf Jugendlichen hatten aktuell eine feste Beziehung, ausgenommen die sehbehinderten Jungen, von denen nur ein knappes Viertel eine feste Freundin hatte. Ein signifikanter Zusammenhang besteht zwischen der Existenz einer Partnerschaft und dem ersten Mal. Während nur ein Drittel der Befragten ohne Geschlechtsverkehr-Erfahrung in einer festen Partnerschaft war, befanden sich über zwei Drittel derjenigen in einer Partnerschaft, die ihr erstes Mal schon hinter sich hatten (31,2 % vs. 68,4 %).

Der Anteil derjenigen, die noch keinerlei sexuellen Kontakt zum anderen (oder gleichen) Geschlecht aufgenommen hatten, beträgt etwa ein Viertel. Als Hauptgründe für sexuelle Unerfahrenheit rangieren an erster Stelle das Fehlen der richtigen Partnerin oder des richtigen Partners, gefolgt von der eigenen Schüchternheit und der Angst, etwas falsch zu machen.

Sexuelle Erfahrungen ohne Koitus

Entscheidend für die Entwicklung sexueller Aktivitäten ist das Alter. Der Anteil der sexuell Unerfahrenen nahm bei den 16-Jährigen und älter rapide ab. Hatten bei den 12- bis 15-Jährigen etwa zwei Fünftel noch keinerlei sexuelle Kontakte zum anderen oder gleichen Geschlecht (37,2 %), traf das bei den 16- bis 18-Jährigen nur noch auf ein knappes Fünftel zu (19,3 %). Auch ließen sich deutliche Unterschiede zwischen den Behinderungsgruppen feststellen: Während bei den körperbehinderten Jugendlichen der Anteil der sexuell Unerfahrenen in den höheren Altersgruppen abnimmt, bleibt er bei den hörbehinderten Jugendlichen über alle Altersgruppen hinweg relativ konstant.

Etwa drei von vier Jugendlichen haben schon einmal geküsst. Sowohl ältere Mädchen als auch ältere Jungen haben signifikant häufiger Erfahrung mit Brust- und Genitalpetting als ihre jüngeren Geschlechtsgenossen.

Die Gründe, weshalb es beim Austausch von Zärtlichkeiten nicht zum Geschlechtsverkehr gekommen war, waren vielseitig und differierten nach Geschlecht und Art der Behinderung. Gemeinsam für die Jungen und Mädchen war, dass sie sich für Geschlechtsverkehr noch zu jung fühlten. Etwa die Hälfte der 12- und 13-Jährigen fühlte sich noch zu jung für Geschlechtsverkehr. Bei den 14-Jährigen wurde dieser Grund nur noch von einem Viertel angenommen. Die Angst, etwas falsch zu machen, und das Fehlen einer Partnerschaft waren die Hauptgründe der 17- und 18-Jährigen. Die Alterssorge teilten mehr Mädchen als Jungen. Bei den Jungen war das Fehlen der richtigen Partnerin der Hauptgrund, gefolgt von der Auffassung, zu jung zu sein, und der Angst, etwas falsch zu machen.

Am schüchternsten waren körperbehinderte Jugendliche, die gleichzeitig auch am häufigsten die Sorge äußerten, die Eltern könnten davon erfahren. Die hörbehinderten Jugendlichen waren einerseits sexuell am aktivsten, andererseits gaben sie unter den Behinderungsgruppen am häufigsten als Grund für nicht vollzogenen Geschlechtsverkehr fehlendes Interesse an und dass sie sich dafür noch zu jung fühlten. Die Angst vor Ungeschick wurde bei den Jugendlichen unabhängig von der Art der Behinderung annähernd ähnlich oft geäußert.

Erfahrungen mit Geschlechtsverkehr

Etwa jeder Vierte der 14- bis 18-jährigen Jugendlichen mit Behinderung hatte bereits Geschlechtsverkehr, in den Altersgruppen 15–18 Jahre liegt der Anteil bei etwa einem Drittel. Unter den Jungen gibt es etwa doppelt so viele mit Koituserfahrung wie bei den Mädchen. Ähnlich wie bei den sexuellen Aktivitäten ohne Geschlechtsverkehr stieg der Anteil an Koituserfahrenen bei den Mädchen mit zunehmendem Alter an.

Ein ähnlich linearer Anstieg ließ sich bei den Jungen allerdings nicht feststellen. Unter den Jungen bildeten die 15-Jährigen die Gruppe mit dem größten Anteil an Koituserfahrenen. Dieser Durchschnittswert hat jedoch keine Gültigkeit für alle Behinderungsgruppen, denn allein zwei Drittel der koituserfahrenen 15-jährigen Jungen waren hörbehindert. Generell zeigten sich bei den Jungen – anders als bei den Mädchen – signifkante Unterschiede zwischen den Behindertengruppen: Während unter den hörbehinderten Jungen knapp jeder zweite koituserfahren war (44,4 %), konnte bei den sehbehinderten nur jeder Fünfte (20 %) und bei den körperbehinderten etwa jeder Zehnte (13,2 %) von dieser Erfahrung berichten.

Verglichen mit den Jungen hatten die Mädchen in der Stichprobe in ihrem Leben häufiger Geschlechtsverkehr gehabt. Mehr als zwei Drittel hatten bereits mehr als einmal Geschlechtsverkehr, zwei von fünf Mädchen über zehnmal.

Die Häufigkeit des bisherigen Geschlechtsverkehrs korrelierte ebenfalls hoch mit der Anzahl bisheriger Geschlechtsverkehr-Partnerinnen bzw. -Partner. Dabei unterschieden sich Mädchen und Jungen mit Behinderungen in ihren sexuellen Beziehungen recht wenig voneinander.

Erfahrungen mit Homosexualität

Etwa jedes fünfte Mädchen und jeder zehnte Junge mit Behinderung hat schon einmal Erfahrung mit homoerotischen oder homosexuellen Kontakten gesammelt. In welcher Art und Weise die homosexuellen Kontakte stattfanden, variierte sowohl zwischen den Geschlechtern als auch zwischen den Behinderungsgruppen.

Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt

Insgesamt war mehr als ein Zehntel der Jugendlichen mit Behinderung bereits von sexualisierter Gewalt betroffen. Mädchen trifft es doppelt so häufig wie Jungen, und hörbehinderte Jugendliche sind die am stärksten gefährdete Gruppe. Der Täter stammte meist aus dem nahen sozialen Umfeld. In den meisten Fällen konnte der Angriff abgewehrt werden.

 

Das erste Mal

Das erste Mal

Die Ergebnisse zum ersten Geschlechtsverkehr sind unter dem Vorbehalt zu betrachten, dass die Gruppe der koituserfahrenen Jugendlichen mit Behinderungen zahlenmäßig sehr klein ist. Die Altersspanne für den ersten Geschlechtsverkehr lag zwischen 12 und 17 Jahren. Allerdings hatten drei von vier Jugendlichen ihr erstes Mal noch nicht erlebt, allein zwei von drei 17- bzw. 18-Jährigen. Daher kann in der befragten Altersgruppe keine repräsentative Auskunft darüber erteilt werden, in welchem Alter Jugendliche mit Behinderungen ihr erstes Mal erleben. Es lässt sich aber die Tendenz erkennen, dass Jungen zeitiger sexuell aktiv sind als Mädchen. Unter den hörbehinderten Jungen gab es einen sehr hohen Anteil an aktuell 15-Jährigen, die im Alter von 14 Jahren ihr erstes Mal erlebten. Die Mädchen waren beim ersten Mal am häufigsten 15 Jahre und älter, unabhängig von der Art der Behinderung.

In der Mehrheit der Fälle kam es zum ersten Geschlechtsverkehr, weil beide Partner den Wunsch danach äußerten. Bei zwei von fünf Jugendlichen ist jedoch eine gewisse Beliebigkeit festzustellen, indem sie mit "Es hat sich so ergeben" antworteten. Nur ein sehr kleiner Teil vollzog das erste Mal auf Wunsch des Partners, in diesen Fällen auf Wunsch des männlichen Partners. Während bei den jüngeren Befragten der gemeinsame Wunsch deutlich im Vordergrund steht, nimmt mit steigendem Alter der Befragten die Beliebigkeit des Zeitpunktes stetig zu.

Charakteristisch für die befragten Jungen war das gemeinsame Verlangen nach dem Erleben des ersten Mals, während etwa jedes zweite Mädchen die Initiative beim ersten Mal mit "Es hat sich so ergeben" beschrieb und eins von fünf Mädchen das einseitige Verlangen des Partners als Auslöser betrachtete.

Drei von vier Jugendlichen erlebten das erste Mal als etwas Schönes. Etwa ein Fünftel der Jugendlichen beschrieb den ersten Geschlechtsverkehr als nichts Besonderes, etwas häufiger Jugendliche, die zum Zeitpunkt des ersten Mals 14 Jahre oder jünger waren. Nur knapp ein Zehntel der Befragten empfand den ersten Geschlechtsverkehr als etwas Unangenehmes oder hatte im Anschluss an das Ereignis ein schlechtes Gewissen. Die Jungen neigten stärker dazu, ihr erstes Mal als etwas Schönes zu umschreiben. Die Ergebnisse zeigen auch, dass ein positives Empfinden des ersten Mals an eine feste Partnerschaft und den beiderseitigen Wunsch gekoppelt ist. Jungen erlebten diese Konstellation scheinbar öfter.

Über die Hälfte der Jugendlichen war der Meinung, ihre ersten sexuellen Erfahrungen zum richtigen Zeitpunkt gemacht zu haben (51,3 %), ein Drittel empfand den Zeitpunkt als etwas zu früh und jeweils 7,7 % als viel zu früh oder eher recht spät. Das Geschlecht, der Partnerschaftsstatus und das subjektive Erleben des ersten Mals hatten hierauf keinen Einfluss. Entscheidend waren dagegen das Alter zum Zeitpunkt des ersten Geschlechtsverkehrs und die Art der Behinderung.

Verhütung beim ersten Mal

Nahezu neun von zehn Jugendlichen hatten beim ersten Mal verhütet, und zwar unabhängig vom damaligen Alter, vom Geschlecht und von der Art der Behinderung. Zwei Drittel der Befragten verwendete beim ersten Geschlechtsverkehr ein Kondom, knapp ein Drittel verhütete mit der Pille. Ein Fünftel wendete beides in Kombination an. Der Anteil derjenigen, die mit der Drei-Monats-Spritze verhüteten, lag noch unter dem Anteil derjenigen, die beim ersten Mal überhaupt nicht verhüteten.

Während etwa die Hälfte der Jugendlichen mit Körper- und Sehbehinderung mit Kondom verhütet hatte, waren es bei den hörbehinderten drei von vier Jugendlichen. Die Pille wurde vorrangig von körperbehinderten Befragten bzw. deren Partnerinnen angewendet. Die wenigen Befragten, die beim ersten Geschlechtsverkehr nicht verhütet hatten, gaben als Gründe die Spontaneität der Situation an sowie Ängste, Kondome zu kaufen und das Thema Verhütung insgesamt anzusprechen.

Zum Vergleich: Verhütungsverhalten beim letzten Geschlechtsverkehr

Hatte beim ersten Geschlechtsverkehr noch knapp jeder zweite Jugendliche mit dem Kondom verhütet, war es beim letzten Geschlechtsverkehr nur noch ein Drittel. Der Anteil der Pille hingegen verdreifachte sich nahezu von einem auf drei von zehn Jugendlichen. Die Verwendung der Drei-Monats-Spritze war etwas zurückgegangen, ebenso die Anwendung der Pille in Kombination mit einem Kondom. Die Mädchen verhüteten im Vergleich zum ersten Mal etwas seltener, die Jungen sogar etwas häufiger.

Zum generellen Verhütungsverhalten lässt sich sagen, dass über die Hälfte der sexuell aktiven Jugendlichen immer sehr genau auf die Verhütung einer Schwangerschaft achtete, unabhängig vom Geschlecht der Befragten. Fast alle Befragten, die nie oder selten auf die Verhütung einer Schwangerschaft achteten, waren einer unerwarteten Schwangerschaft gegenüber positiv eingestellt.

 

Zukunftsperspektiven - Kinderewunsch

Zukunftsperspektiven

Nahezu alle Befragten äußerten den Wunsch, in der Zukunft einen Beruf auszuüben, womit die berufliche Orientierung bei Jugendlichen mit Behinderungen als zentrales Lebensziel an erster Stelle stand. An unterster Stelle rangierten Familiengründung und sexuelle Befriedigung, die von je knapp einem Viertel der Befragten sogar als unwichtig eingestuft wurden (Familiengründung 22 %, sexuelle Befriedigung 23,8 %). Ein erfülltes Sexualleben und eigene Kinder wurden jedoch von über 40 % der Jugendlichen auch als "teilweise wichtig" eingestuft (Sexualleben 43,3 %, eigene Kinder 42,7 %). Ebenfalls teilweise wichtig war es etwa einem Drittel der Jugendlichen, einmal viel Geld zu besitzen (35,5 %), und ca. einem Viertel, viele Freunde zu haben (24,1 %).

Die Jungen unterschieden sich dahingehend signifikant von den Mädchen, dass sie einem erfüllten Sexualleben einen höheren Stellenwert beimaßen. Mädchen wünschten sich hingegen tendenziell häufiger eine eigene Familie. In allen anderen Bereichen beurteilten die Mädchen die Wichtigkeiten ähnlich wie die Jungen oder nur mit geringen Abweichungen. Unterschiede gab es zwischen den Behinderungsgruppen.

Gleichzeitig sollten die Jugendlichen einschätzen, für wie realisierbar sie die genannten Zukunftsziele erachten. Auch hier rangierten der Beruf, die eigene Wohnung, ein großer Freundeskreis und eine Partnerschaft an vorderster Stelle. An unterster Stelle der Realisierbarkeit rangierten Familiengründung und sexuelle Befriedigung ähnlich wie bei der Frage zur Wichtigkeit von Dingen.

In den meisten Kategorien wurde die Realisierbarkeit der Zukunftsvorstellungen geringer eingeschätzt als ihre Wertigkeit, am deutlichsten in den Kategorien Beruf, eigene Wohnung und finanzieller Reichtum.

Kinderwunsch

Keiner der Jugendlichen hatte zum Befragungszeitpunkt bereits ein Kind und nur ein Junge gab an, dass ein Mädchen aktuell von ihm schwanger war. Die Vorstellung, jetzt schwanger zu werden bzw. ein Kind zu zeugen, kam für knapp die Hälfte der Jugendlichen einer Katastrophe gleich (47,9 %), darunter deutlich mehr für Mädchen als für Jungen (58,8 % vs. 41,8 %). Auch zwischen den Behinderungsgruppen gibt es Unterschiede: Neun von zehn körperbehinderten und mehr als vier Fünftel der sehbehinderten Mädchen würden dem Ereignis einer aktuellen Schwangerschaft eine negative Konnotation beimessen, während etwa ein Viertel der hörbehinderten Mädchen das Ereignis als unproblematisch oder sogar erfreulich einstufen würde (26,3 %).

Etwa einer von drei Jungen würde unabhängig von der Art der Behinderung eine potenzielle Schwangerschaft positiv bewerten. Ein Alterseffekt war nicht erkennbar, es zeigte sich lediglich, dass Jugendliche mit Koituserfahrung etwas häufiger das Ereignis Schwangerschaft positiver sahen als Unerfahrene (31,4 % vs. 24,3 %). Insgesamt kann festgehalten werden, dass die meisten Jugendlichen zum Zeitpunkt der Befragung keine Schwangerschaft wünschten.

Quelle: BZgA Datensatz, "Jugensexualität und Behinderung", 2013

 

 

 

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